Garten und Tiere

Rainers Sommer

15-08-29 Sommer in Bxl auf der StraßeVon Rainer Lütkehus.

Liebe Belgieninfo-Leser! Sie sind während der Sommerferien sicherlich weggefahren. Hoffentlich hatten Sie einen schönen Urlaub, vielleicht aber auch nicht. Ich jedenfalls blieb daheim, im urbanen Brüssel. Sind nicht oft die Reisen die besten, die man unterlässt? Ich kann Ihnen nur empfehlen, es mir einmal gleich zu tun. Es ist nicht teuer und Reisestress gibt’s auch nicht. Natürlich muss das Wetter mitspielen und das hat es in diesem Sommer getan.

Sommer 2015 im Europaviertel in Brüssel. Warme, lange August-Tage. Dazwischen manchmal heftige Gewitter, Regenfluten, die die Rinnsteine für kurze Zeit murmeln lassen. Urlaub im hochsommerlichen Brüssel – Genießen Sie mal die geräumte Ein-Millionenmetropole!

Ich bewohne eine kleine Erdgeschosswohnung in einem Brüsseler Bürgerhaus in der Rue Charles Quint, zehn Minuten Fußweg vom Place Schuman entfernt. Wo sonst Europa tagt, herrscht jetzt dörfliche Beschaulichkeit. Die Straße, die den Namen des einstigen Kaisers des Heiligen Römischen Reichs trägt, ist sonst um diese Zeit mit Schulkindern belebt. Dass gegenüber meiner Wohnung eine Schule ist, daran erinnert nur das stündliche Läuten der Pausenklingel, die man vergessen hat, während der Ferien abzustellen.

Feststellungen eines Fahrradfahrers

Wer für sein Auto jetzt einen Platz sucht, braucht sich nicht in Parklücken zu zwängen. In diesen heißen Tagen stehen die Gefährte anderswo, drängeln sich durch schmale Straßen in Blankenberge, De Haan, Knokke und Oostende oder stehen irgendwo in Blechlawinen auf der E40, der Küstenautobahn.

Alle drei Fenster meiner 50-Quadratmeter-Behausung sind nach Süden gerichtet. In diesen heißen Tagen wird es in der Wohnung drückend, obwohl ich alle Jalousien geschlossen habe. Der Kühlschrank brummt, der Stromzähler im Keller läuft auf Hochtouren. Meiner Erdgeschosswohnung angeschlossen ist zum Glück einer kleiner, etwa zehn Quadratmeter großer Innenhof, der früher einmal als Autostellplatz gedient hat. Er wird von einer Clematis (Blauregen) überrankt, die ich vor 22 Jahren als zartes Pflänzchen aus Hamburg mitgebracht und hier in ein halbes Weinfass gepflanzt habe.

Eine 2,70 Meter hohe und 3 Meter lange Mauer trennt diesen Hof zur Straße, zu der man durch ein zweiflügeliges Holztor Zutritt erlangt. Zwei fensterlose, 15 Meter hohe Hauswände ragen links und rechts in den blauen Himmel empor. Viel Sonnenlicht lassen sie nicht zu. Aber zu dieser Jahreszeit erreichen die Sonnenstrahlen vier Stunden lang fast jeden Winkel des sonst lichtlosen Platzes. Ich habe ihn mir so gut es ging als Terrasse eingerichtet. Unter dem Blauregen an der von mir selbst gebauten Pergola stehen ein kleiner klappbarer Gartentisch und zwei Gartenstühle. Auch einen klappbaren, mit Fußstütze ausgestatteten Holz-Liegestuhl habe ich.

Schichtwechsel

Der Hof badet im Hochsommer zwischen zwölf Uhr mittags und vier Uhr nachmittags im Sonnenglanz. Wenn der Schatten, den die Hauswand wirft, gegen halb vier immer länger wird und schließlich auf den letzten Winkel im Hof fällt, ziehe ich meinen Liegestuhl einfach durch die Hoftüre auf das Trottoir.

Zugegeben, es gehörte für mich doch einiger Mut dazu, mir den öffentlichen Gehsteig privat zu eigen zu machen und mich dort halbnackt mit bloßem Oberkörper zu sonnen, denn es kommen doch ab und zu sommerlich bekleidete Passanten vorbei. Ja, ich liege gemütlich in meinem Liegestuhl auf dem Gehweg, ein Glas Bier daneben, lese Zeitung oder höre klassische Musik und betrachte dabei das Wolkenspiel am Himmel.

Inzwischen ist es mir egal, was die Leute denken. Böse Blicke, halblautes, verächtliches Gemurmel? Im Gegenteil: sie alle scheinen meine Idylle fast schon neidisch gut zu heißen. „Vous avez raison, monsieur“, sagen immer wieder Vorbeigehende lächelnd. Seitdem kennen mich die Leute im Viertel, was ich umgekehrt nicht von mir behaupten kann.

Na ja, Und dann sind da noch meine Rosenstöcke, Hortensien und andere diverse Zierpflanzen, die in Terrakotta-Blumentöpfen vor meiner Eingangstür stehen. Auch sie okkupieren öffentliches Terrain. Niemand störte sich bislang daran. Warum auch ? Die Pflanzen sind zwar mein Eigentum, werden aber so zum öffentlichen Gut. Die Passanten riechen daran und erfreuen sich. Immer wieder bekomme ich Komplimente und manchmal anonym ein schriftliches Dankeschön. Warum tut es mir keiner nach? Es ist so einfach und kostet nicht viel…

2 Comments

  1. Ilse leckert

    Ja, finde ich auch! Super, die beschreibung der leute. Sehr treffend und kann dem nur zustimmen, lebe immerhin seit nun 41 jahren im schönen brüssel und weiss es zu schätzen. Dazu nun oft die heissen sommer, ohne jede abkühlungsmöglichkeit aufgrund der nichtexistierenden freibäder!

  2. Arne Hüttmann

    Wir sollten uns sowieso den städtischen öffentlichen Raum mehr zu Eigen machen und ihn mehr als Treffpunkt und Aufenthaltsort nutzen. Ich finde es top und auch absolut ok, wenn man dazu auch seine eigenen Möbel mitbringt! Tolle Aktion, Rainer!

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