Von Rainer Lütkehus.
Die 2003 von der belgischen Regierung beschlossene zehnjährige Laufzeitverlängerung der 1975 in Doel bei Antwerpen in Betrieb genommenen Atommeiler – „Doel 1 und Doel 2“ kann aufrechterhalten werden, wenn die Umweltprüfung nachgeholt wird.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg gab den zwei belgischen Umweltverbänden Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen in Teilen recht, die in der Laufzeitverlängerung für die Kraftwerksblöcke einen Verstoß gegen die Pflichten zur Umweltprüfung sehen. Da die Kraftwerke in der Nähe der belgisch-niederländischen Grenze gelegen sind, sei zudem ein grenzüberschreitendes Prüfungsverfahren nötig. Die Richter stellten klar, dass die Prüfung eigentlich vor der Laufzeitverlängerung hätte stattfinden müssen. Allerdings könne es gerechtfertigt sein, die Reaktoren nahe Antwerpen weiter am Netz zu lassen, um die Stromversorgung nicht zu gefährden. Diese Genehmigung dürfe aber nur so lange gelten, bis das Ergebnis der Umweltprüfung vorliege.
Die beiden Atommeiler Doel 1 und Doel 2 mit einer Nettoleistung von 392 MW bzw. 433 MW kann damit der französische Energiekonzern Engie unter dieser Auflage bis 2025, d.h. insgesamt fünfzig Jahre lang, laufen lassen.
Dasselbe Urteil für Tihange 1 zu erwarten
Noch Ausstehen tut eine Anrufung des belgischen Verfassungsgerichtshofs beim EuGH wegen der Laufzeitverlängerung des Atommeilers Tihange 1, gegen die Greenpeace Belgien geklagt hatte. Der Atommeiler mit einer Nettoleistung von 962 MW, 65 km Luftlinie südwestlich von Aachen gelegen, war wie Doel 1 und Doel 2 1975 in Betrieb genommen worden und seine Laufzeit ebenfalls um zehn auf fünfzig Jahre verlängert worden. „Wir rechnen mit demselben EuGH-Urteil wie für Doel 1 und Doel 2“, antwortete Eloi Glorieux von Greenpeace Belgien gegenüber Belgieninfo. Aus zeitlichen Gründen habe man nicht gleichzeitig gegen alle drei ältesten Atommeiler klagen können.
Engie will zwei Atommeiler bis 2045 verlängern
Alle sieben Atommeiler in Belgien – vier in Doel im Norden des Landes und drei in Tihange im Süden – sind zurzeit in Betrieb. Eigentümerin ist Engie. Ob der Atomausstieg, den die belgische Regierung 2003 verkündete hatte, beschlossene Sache bleibt, ist unsicher, denn Belgien steht vor einer neuen Regierungsbildung. Dem alten Beschluss nach sollen eigentlich 2025 fünf Atomeiler vom Netz, einer schon 2022 und einer 2023. Engie möchte gerne Doel 4 und Tihange 3 bis 2045 um weitere zwanzig Jahre auf insgesamt 60 Jahre verlängern. „Um zu vermeiden, dass die Lichter ausgehen“, erwartet Engie, das Belgien 2025 noch Kernernergie benötigen werde. „Es gibt keine Debatte über Doel 3 und Tihange 2, die 2022 und 2023 geschlossen werden müssen“, hatte die Engie-Vorsitzende Isabelle Kocher im März in London auf der Vorstellung der Konzerstrategie gesagt. 615 Millionen Euro seien schon als Abschreibungen verbucht.
Belgiens Stromversorgung hängt zu rund 50 Prozent von Kernenergie ab. Belgien hatte im Herbst 2018 erhebliche Versorgungsprobleme gehabt, als nur ein Reaktor am Netz war . Überdies muss sich das Königreich anstrengen, seine Klimazielvorgabe für 2030 (35 Prozent CO2 als 2005) zu erreichen. Seinen Ende 2018 eingereichten nationalen Klimaplan hatte die EU-Kommission Mitte Juni als „unzureichend“ bewertet.
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