Von Angela Franz-Balsen.
Viele Deutsche in Belgien mussten sich in den vergangenen Monaten eingestehen, dass sie sehr wenig wissen über die Brüsseler Stadtteile, die von den „Marexellois“ geprägt sind, von den Einwohnern maghrebinischer Herkunft. Drei Filme vermitteln ziemlich gute Eindrücke vom Leben auf der anderen Seite des Kanals und von den unterschiedlichen Welten der verschiedenen Generationen und Geschlechter dort. Im Internet gibt es mehrere streaming-Versionen der Filme.
Les Barons (2009) – Vier Freunde suchen ihren Weg
Belgisch-französische Co-Produktion (Regie: Nabil Ben Yadir), Tragikomödie
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=vd8t9p2FyE4
Les Barons – das sind vier arbeitslose junge Männer in Molenbeek, die nicht wissen, wie sie ihre Tage herumkriegen sollen. In der Eingangsszene sonnen sie sich auf den Auslagentischen einer Epicerie, die sie eigentlich mit Obst- und Gemüsekisten füllen sollen, denn ab und zu gibt es einen kleinen Job für sie. Je desolater ihre Situation, desto mehr arbeiten sie an ihrer großspurigen Selbstinszenierung als Barone des Viertels. Das schwere schwarze Auto, das die vier Freunde sich teilen, spielt dabei eine zentrale Rolle. Daneben treten ihre Familien auf und natürlich schöne Frauen. Die Generation der fleißigen Eltern, die an ihrem Nachwuchs schier verzweifeln, ist wunderbar repräsentiert. Aus diesem Gegensatz entstehen dann die hochdramatischen Szenen des Films, der zwar teilweise zum Schenkelklatschen lustig ist, aber auch traurige Momente hat und stellenweise brutal ist.
Der in Molenbeek großgewordene Regisseur kann es sich leisten, kein Klischee auszulassen in der humorvollen, selbstironischen Überzeichnung einer bestimmten Szene. Trotzdem strahlt der Film viel Authentisches aus, und die Figur der schönen, erfolgreichen Malika ist keineswegs seiner Phantasie entsprungen: Sie ist eine Referenz an die RTBF-Moderatorin und Filmregisseurin Hadja Lahbib, die ebenfalls aus dem Viertel kommt und den nächsten hier vorgestellten Film „Patience, Patience! T’iras au Paradis“ gedreht hat.
DVD bei fnac, EUR 7,62
Patience, Patience – T’iras au paradis ! (2015) – Sieben Mütter machen sich auf den Weg
belgischer Dokumentarfilm, Regie : Hadja Lahbib
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=pusgThsWpbg
Sieben ältere Frauen aus Molenbeek sind die Heldinnen dieser wunderschönen Erweckungsgeschichte. Alle sind in den 1960er Jahren ihren Männern nach Belgien gefolgt, wo sich ihr Alltag auf die Versorgung von Mann und Kindern beschränkte. In der Regel Analphabetinnen, war ihnen der Weg in die belgische Gesellschaft versperrt, dies trennt sie auch von ihren Kindern. Mit dem Spruch „Geduld, Geduld – Dafür kommst du ins Paradies!“ wurden sie immer wieder beschwichtigt, dieses isolierte und opferreiche Leben zu ertragen.
Mina, die Hauptfigur, besucht bei einer Heimatreise ein Konzert der feministischen Unterhaltungkünstlerin Tata Milouda und kommt zum ersten Mal mit emanzipatorischem Gedankengut in Berührung. Zurück in Brüssel besucht sie mit ihrer Freundin Warda (der Mutter der Regisseurin) einen Alphabetisierungskurs, in dessen Verlauf die insgesamt sieben Teilnehmerinnen – alle in den Sechzigern – weitaus mehr lernen als zu schreiben und zu skypen: Sie entdecken Brüssel, die Ardennen, die Nordseeküste – und, und ….
Hadja Lahbib wollte mit der Dokumentation dieses von ihr angestoßenen Emanzipationsprojekts auf „ein soziales Drama, das unbemerkt vor unserer Haustür stattfindet“ aufmerksam machen. Das ist ihr auf fröhliche und bewegende Art und Weise gelungen.
Buch- und DVD Bestellung-online: http://www.patience-patience.com/commande/
Black (2015) – Zwei Liebende zwischen Molenbeek und Matongé
Belgische Filmproduktion (Regie: Adil El Arbi und Bilall Fallah), Drama
Trailer, offizielle Seite des Films : http://www.black-themovie.com/fr/
Romeo und Julia in Brüssel, das ist die Story dieses Films. Die miteinander verfeindeten Familien sind durch zwei rivalisierende Jugend-Gangs ersetzt: Marvan gehört einer Gruppe von Kleinkriminellen in Molenbeek an, während die Kongolesin Mavela sich um die Aufnahme in eine Gang in Matongé bemüht. Auf einer Polizeistation treffen sie aufeinander und verlieben sich … Vor allem Mavela zahlt für die verbotene Liebe einen hohen Preis. Die Handlung lehnt sich an Bücher des jungen belgischen Autors Dirk Bracke an, die jungen Filmemachern setzen sie gut in Szene.
Wegen seiner Sex- und Gewaltszenen ist dieser Film für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet, was die Brüsseler Premiere fast platzen ließ. Denn die jungen Zuschauer wollten sich dieser Regel nicht unterwerfen und machten Randale – fast wie im Film. In Frankreich durfte der Film bis jetzt nicht gezeigt werden.
DVD im Handel erhältlich
Ein Interview mit Adil El Arbi:
http://www.fr-online.de/kultur/-black—nach-paris-tun-alle-sehr-ueberrascht-,1472786,32654188.html
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