Von Ute Bakus.
Drei Jahre lang war er der Anlaufpunkt für alle, die Bücher und exzellente Beratung lieben. Nun macht der Buchfink den Abflug: Die kleine, aber feine Buchhandlung in Sterrebeek vor den Toren Brüssels schließt zum Ende des Jahres. Am 23. Dezember ist der letzte Verkaufstag. Bis dahin können große und kleine Leser sich noch mit ausgewählt gutem – und im Räumungsverkauf vielfach reduziertem – Lesefutter versorgen. Buchbestellungen werden noch bis zum 14. Dezember angenommen.
Als Literaturpädagogin hatte sich Buchfink-Inhaberin Silke Grammatikos auf Kinder- und Jugendliteratur spezialisiert, ergänzt von einem ausgewählten Sortiment für Erwachsene, das sowohl aktuelle Romane als auch Sachtitel umfasst, und das sie schon bald nach Eröffnung auf vielfache Nachfrage erweitert hatte. Ihr Markenzeichen ist ganz klar die zielgenaue Kundenberatung. Ob kleine oder große Leser – einige wenige Fragen genügen Silke Grammatikos, und schon nimmt sie mit sicherem Griff aus der langen Regalreihe oder vom Display-Tisch mehrere Bücher, die sie dem erwartungsvollen Kunden kurz vorstellt und bewertet. Fast alle hat die Schnellsprecherin selbst gelesen – und wenn nicht, dann mit großer Wahrscheinlichkeit eines ihrer ebenfalls bücherverrückten Kinder. „Leseförderung und Literaturvermittlung liegen mir einfach am Herzen“, sagt die 52jährige, die schon vor Eröffnung des Buchfinks viele Jahre an der IDSB Literaturprojekte initiiert und begleitet hat.
Aktivitäten rund ums Buch
Deshalb war der Buchfink von Anfang an mehr als nur ein Laden für Literatur. Die Liste der Aktivitäten ist lang: Nahezu jedes Kind an der IDSB oder der deutschsprachigen Sektion einer der vier Brüsseler Europaschulen hat die Buchhändlerin aus Leidenschaft in den vergangenen Jahren bei Buchvorstellungen, Büchermärkten oder Autorenlesungen kennenlernen können. Aus dem Lycée Français wiederum kamen regelmäßig Anfragen für thematische Ateliers. Vom Buchfink gesponsert wurde unter anderem der alljährliche Vorlesewettbewerb, an dem sich die IDSB und alle Europäischen Schulen in Belgien beteiligen. Monatlich gab es den „fink for fun“, bei dem in ungefähr 45 Minuten die besten Neuerscheinungen für alle Altersgruppen vorgestellt wurden. Im „fink different“ wiederum wurde Kunst ausgestellt, etwa von Hiltrud Schäfer und Wilfried Bohne. Für Kindergärten, Schulen und Wartezimmer wurden Lesekisten bestückt. Und nicht zuletzt gaben sich immer wieder Autoren ein Stelldichein, darunter allein drei Träger des Deutschen Jugendliteraturpreises: Tamara Bach („Marsmädchen“, „Vierzehn“), Susann Kreller („Elefanten küsst man nicht“, „Schneeriese“) oder Martin Baltscheit („Die Geschichte vom Löwen, der nicht schreiben konnte“, „Die Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor“).
„Susan Kreller und Martin Baltscheit gehören inzwischen schon zur großen Buchfink-Familie“, lacht Silke Grammatikos. Beide kamen gleich dreimal zu Lesungen nach Brüssel. Als der renommierte Erzähler und Illustrator Baltscheit hörte, dass der Buchfink schließt, kam er spontan zur Abschiedstour. Einen Tag vor Nikolaus stellte er im vollgefüllten Ladenlokal an der Nieuwstraat sein neuestes Kinderbuch vor: „Besuch aus Tralien“. Zuvor hatte sich schon Susann Kreller mit einer Lesung für Erwachsene aus ihrem frisch erschienenen Roman „Pirasol“ verabschiedet.
Wie geht es weiter?
Im Herzen Sterrebeeks fiel der Buchfink schon allein optisch durch seine große Glasfront, die helle, moderne Einrichtung und immer neu inspirierende Dekoration auf. Und nun soll mit dieser deutschsprachigen Institution in der Region Brüssel Schluss sein? „Ja und nein“, gibt die Initiatorin all dieser Aktivitäten zu: „Den Ladenbetrieb und all die Projekte zusammen zu stemmen, das ist auf Dauer zu viel für einen allein, für die Einstellung von Mitarbeitern wiederum gibt es in Belgien hohe finanzielle Hürden.“ Das habe der Umsatz des kleinen Ladens nicht hergegeben, bedauert Grammatikos.
Künftig will sich die Literaturpädagogin noch mehr auf die Leseförderung und Literaturvermittlung konzentrieren: „Der Buchfink macht den Abflug, aber er bleibt doch weiterhin aktiv“, erklärt sie. So werde sie nun wieder verstärkt in Schulen gehen, um aktuelle Neuerscheinungen vorzustellen oder thematische Ateliers für alle Altersgruppen anzubieten. Auch die Buchfink-Website bleibe bestehen: „Dort kann man sich auch weiterhin darüber informieren, welche Projekte und Aktivitäten ich gerade plane.“ Und den Kontakt mit Schriftstellern wird Silke Grammatikos unbedingt weiterhin pflegen: „Die nächsten Autorenlesungen sind schon in Planung.“ Im nächsten Frühjahr wird Jörg Hilbert, Verfasser vom „Ritter Rost“, kommen. Literaturfreunde können sich also auch weiterhin auf Buchfink-Aktionen freuen, auch wenn es den Buchladen nicht mehr geben wird.
Link zu Youtube: Wie der Buchfink singt.
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