Von Jürgen Klute
Mit dem Frühling wacht die Natur aus ihrer Winterruhe auf. In und um Brüssel gibt es viele große und kleine Parks, in denen man den Frühling genießen kann. Ein ganz besonderer Ort ist aber der Botanische Garten in Meise – oder Plantentuin Meise, wie er im Niederländischen heißt. Auf der Rangliste der etwa 2500 botanischen Gärten, die es weltweit gibt, steht er auf Platz 25.
Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, an einer Führung durch diesen Garten teilzunehmen. Elisabeth Kozloski, die deutschsprachige Führungen durch die Anlage macht, hat mir den Garten ausführlich vorgestellt. Damit verbunden war ein besonderes Anliegen, doch darauf komme ich etwas später zu sprechen.
Von Brüssel kommt man recht einfach mit dem Bus nach Meise. Vom Nordbahnhof gibt es eine direkte Verbindung: der Bus R50 von De Lijn. Er hält direkt vor dem Eingang des Botanischen Gartens. Der reguläre Eintritt kostet 12 Euro (es gibt jedoch verschiedene Preisnachlässe; wer einen belgischen Museumspass hat, braucht keinen Eintritt zu bezahlen, siehe hier). Dafür kann man von morgens 10 bis abends 18 Uhr den Garten genießen und die tropischen Pflanzen im Pflanzenpalast bewundern, die Geschichte der Domäne im Schloss Bouchout entdecken oder im Holzlabor in die Welt des Holzes eintauchen.
Mit 92 Hektar bietet der Garten viel Platz und Raum zum Spazierengehen. Selbstverständlich darf man auch die Grünflächen betreten und sich darauf ausruhen oder picknicken. Der Garten bietet den Besucherinnen und Besuchern verschiedene Landschaftsformen, wie zum Beispiel einen Landschaftspark im englischen Stil mit sachten Hügeln und Mulden, naturbelassene Bereiche, Teiche, Beete mit saisonaler Blumenpracht.
Eingestreut in den Garten sind ein mit einer Hecke abgegrenzter ‚mittelalterlicher‘ Klostergarten und ein ebenfalls mit einer Hecke umgebener Garten mit Heilpflanzen. Zudem gibt es noch den ummauerten Garten hinter der Orangerie. Pflücken ist nicht erlaubt, aber Abgefallenes darf man mitnehmen.
Eine Besonderheit ist das rund 154 Meter lange Gewächshaus. Die vielen tausend Pflanzenarten wurden in ihr jeweiliges Biom gepflanzt. Das sind die großen Vegetationszonen der Erde mit ihrem typischen Klima. In den verschiedenen Abschnitten des Gewächshauses bekommt man somit einen kleinen Eindruck von den verschiedenen Klimazonen unseres Planeten. Dabei geht es nicht nur darum, die unterschiedlichen Klimazonen zu zeigen, sondern auch darum, die Bedeutung der verschiedenen Klimazonen für den Planeten und sein Klima verständlich zu machen.
Im Holzlabor, das sich an den Garten hinter der Orangerie anschließt, gibt es eine umfangreiche Sammlung unterschiedlicher Holzsorten. Natürlich mit entsprechenden Erläuterungen und auch Holzproben. Vor dem Holzlabor hat die Scheibe eines Mammutbaums ihre Bleibe gefunden. Sie war ein Geschenk der USA an Belgien zur Weltausstellung 1958.
Wer nach mehreren Stunden der Erkundung des Gartens Lust auf eine Erholungspause und auf eine Erfrischung hat, der wird entweder in der Orangerie oder in dem kleinen Café unweit des Gewächshauses fündig .
Die Leitung des Gartens ist stark daran interessiert, Bürgerinnen und Bürger in die Pflege des Gartens einzubinden. Das dient der gesellschaftlichen Verankerung des Parks, aber es hat auch ökonomische Vorteile. Ein Team festangestellter Gärtnerinnen und Gärtner trägt die Hauptverantwortung für die Gartenpflege. Unterstützt werden sie durch eine Gruppe Freiwilliger, die sich unter Anleitung der Profis an der Gartenpflege beteiligen. Bei der Gestaltung des Gartens, so erzählt Elisabeth Kozloski, bezieht die Gartenleitung die Mitarbeitenden und Fachkenntnisse und Ideen intensiv mit ein.
Nun noch etwas zur Geschichte des Botanischen Gartens Meise. Sie reicht zurück bis ins Jahr 1797. Seit diesem Jahr wurden auf dem Gelände von Schloss Nassau Pflanzen ausgestellt, vor allem exotische Pflanzen, die infolge der Kolonialzeit von damaligen Handelsreisenden mitgebracht wurden. Der Anstoß zu diesem ersten botanischen Garten ging von Napoleon aus. 1826 zog der botanische Garten an den Ort des heutigen Kulturzentrums und Parks „Botanique“ bzw. „Kruidtuin“ in der Nähe des Brüsseler Nordbahnhofs. 1870 ging dieser Garten in das Eigentum des belgischen Staates über.
Als in den 1930er Jahren die Bahnverbindung zwischen dem Nord- und dem Südbahnhof gebaut wurde, fiel ein Teil des botanischen Gartens diesem Bau zum Opfer, so dass er auf die heutige Größe schrumpfte. Für einen echten botanischen Garten reichte der verbliebene Platz nicht mehr. Folglich wurde 1938 der Entschluss gefasst, den Garten nach Meise zu verlegen. Dort besaß der belgische König Leopold der II. ein kleines Schloss für seine Schwester Charlotte, das ihr bis zu ihrem Tod 1927 als Altersruhesitz diente. Das nicht gerade kleine Grundstück wurde vom belgischen Staat aufgekauft und zum Botanische Garten Meise umgebaut. Der Umzug begann 1939, wurde aber durch den deutschen Überfall auf Belgien 1940 verzögert. Endgültig abgeschlossen wurde der Umzug erst 1970. 2014 wechselte dann noch einmal der Eigentümer des Gartens. Nun ist nicht mehr der belgische Staat Eigentümer, sondern die Flämische Gemeinschaft in Belgien.
Im Gartenshop der sich im Eingangsbereich befindet, werden neben Fachliteratur, Gartengeräten und etlichen anderen mehr oder weniger nützlichen Utensilien auch Pflanzen und Saatgut angeboten.
Nun zu dem Anliegen, das mit dieser Sonderführung verbunden war. Der Botanische Garten Meise biete für Interessenten auch Führungen an. Das können Einzelführungen oder Gruppenführungen für bis zu 25 Personen sein. Da der Garten aufgrund seiner Größe und Bedeutung auch von Gruppen außerhalb Belgiens besucht wird, werden Führungen in mehreren Sprachen angeboten, darunter auch Deutsch. Derzeit ist Elisabeth Kozloski die einzige, die Führungen in deutscher Sprache anbietet. Sie ist überzeugt, dass es gut wäre, zwei oder drei mehr Personen zu haben, die deutschsprachige Führungen anbieten können. Das sieht auch Patrick Bockstael von der Verwaltung des Gartens so. Derzeit, so Bockstael, finden jährlich rund 1000 Führungen statt. Davon rund fünf Prozent in deutscher Sprache. Diesen Anteil würde man gerne etwas steigern.
Aber wie wird man Führerin oder Führer in einem botanischen Garten? Das ist, wie Kozloski erläutert, eine durchaus anspruchsvolle Tätigkeit. Man muss zwar keineswegs alle der rund 20.000 Pflanzenarten, die zu sehen sind, kennen. Aber einiges Fachwissen über Bäume, Sträucher, Blumen und Kräuter muss man sich schon aneignen. Dazu gibt es eine spezielle Ausbildung. Sie dauert rund ein halbes Jahr mit etwa monatlichen Schulungen. Zur Ausbildung gehören sowohl theoretisches Wissen über Geschichte, Struktur und Absicht botanischer Gärten sowie über Flora und Fauna als auch praktische Elemente, wie der Besuch anderer Gärten und das Einüben von Führungen in Zusammenarbeit mit erfahrenen Führerinnen und Führern. Die Ausbildung endet mit einer Evaluation einschließlich einer Probeführung.
Die Ausbildung erfolgt in niederländischer oder französischer Sprache und sie ist kostenpflichtig.
Jede Führung durch den Garten wird vergütet. Freiwillige erhalten eine Aufwandentschädigung von etwa 40 € pro Tag zuzüglich der Fahrtkosten. Für freiberufliche Führerinnen und Führer beträgt die Vergütung (Honorar) 70 € pro Führung. Die Führerinnen und Führer bestimmen selbst darüber, wie viele Führungen sie machen wollen und sie sind auch frei zu sagen, wann sie Führungen anbieten und wann nicht.
Wer Interesse an einer solchen Ausbildung hat, kann sich an Elisabeth Kozloski wenden. Sie ist gerne bereit, weitere Auskünfte zur Ausbildung und zu den Führungen zu geben. Erreichbar ist sie unter dieser E-Mailadresse: e.kozloski@outlook.be.
Fotogallerie Plantentuin Meise
Fotos: Jürgen Klute
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