Von Heide Newson.
In Ixelles, in unmittelbarer Nähe der Avenue Louise und der Rue de la Vallée, ruht ein verwunschener Park, der seit Jahrzehnten zum Träumen und Verweilen einlädt. Aber seit Kurzem ist es aus mit der idyllischen Ruhe. Stein des Anstoßes ist eine gigantische Statue des belgischen Königs Léopold II., die im Kontext der „Black lives Matters“-Bewegung und der Rassismusdebatte bei vielen nun ambivalente Gefühle auslöst.
Die „Black lives Matters“-Bewegung, durch den gewaltsamen Tod des farbigen Amerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis ausgelöst, hat Belgien erreicht. Und nimmt hier König Léopold II. und die belgische Kolonialzeit ins Visier. Standbilder, Statuen, Büsten des umstrittenen Monarchen und seiner Generäle stehen überall im Land, bislang ohne größeres Aufsehen. Aber jetzt werden sie mit anderen Augen betrachtet.
Léopold II., von 1865 bis 1909 König der Belgier, war alleiniger Inhaber der „Internationalen Kongo-Gesellschaft“ die auf der Kongo-Konferenz 1884/85 in Berlin das gesamte Kongobecken inklusive des Hinterlands zugesprochen bekam. Dadurch wurde die Kolonie, der sogenannte Kongo-Freistaat, 1885 persönlicher Privatbesitz des Königs. Die darauf folgende systematische Ausplünderung des Kongo von 1888-1908 fand unter der Bezeichnung „Kongogräuel“ unrühmlichen Eingang in die Geschichte. Schätzungen gehen von acht bis zehn Millionen Toten, etwa die Hälfte der damaligen Bevölkerung des Kongo, aus. Mit dem „Blutgeld“, insbesondere aus der Kautschukproduktion, finanzierte Léopold II. u.a. Prachtbauten, Straßen, Parks etc. im Königreich Belgien.
Im Jardin du Roi, den Léopold II. 1873 zusammen mit seinem Gartenbauingenieur Victor Besme entwarf, wurde zu seinem Gedenken im Jahr 1909 besagte Statue errichtet, auf deren Sockel „Il crea ce jardin et en fit donation pour notre repos et notre joie“ (er kreierte diesen Garten und schenkte ihn uns zu unserer Erholung und unserer Freude, A.d.R.) steht. Seit einigen Wochen wird dieser Sockel mit seiner Inschrift sowie die gesamte Statue immer wieder aufs Neue mit roter Farbe und antirassistischen Slogans übermalt, was bei den Besuchern und Anwohnern des Parks recht unterschiedliche Emotionen und Befindlichkeiten auslöst.
Das war nicht immer so. Als ich vor mehr als vierzig Jahren, den Jardin du Roi, der meiner Wohnung gegenüber lag, zum ersten Mal betrat, war diese grüne Lunge ein Hort des Friedens und der Entspannung. Ich bestaunte und bewunderte die wunderschöne Parkanlage, die die Handschrift eines Königs trug, und dessen Statue, ein wahres Kunstwerk, inmitten des Parks auf einem riesigen Sockel steht, und wie es mir schien, wohlgesonnen auf seine Untertanen herabblickte. Fragte ich meine belgischen Nachbarn im Umkreis des Parks nach der Bedeutung von Léopold II., so erfuhr ich relativ wenig über ihn. Dennoch war kaum Kritik über ihn noch seine Kolonialpolitik zu hören. „Wir verdanken ihm diesen familienfreundlichen Park, diese imposante Statue und vieles mehr“, wurde mir beschieden. Mittlerweile sieht es ein wenig anders aus: die Statue des Königs wurde kürzlich mit schwarzem Graffiti übersprüht, das nach ein paar Tagen entfernt wurde. Aber dennoch geben die Aktivisten, die das Entfernen der Statue aus dem Jardin du Roi fordern, nicht auf. „ Faut-il vraiment honorer Colonisation“ (muss man die Kolonisation wirklich würdigen, A.d.R.), steht jetzt in roter Farbe auf dem Sockel zu lesen.
Aus Protest gegen Belgiens frühere Schreckensherrschaft im Kongo sind in Brüssel mehrere Statuen des ehemaligen Königs Léopold II. unter Beschuss geraten. Zudem gibt es Online-Petitionen mit zehntausenden Unterschriften, die einen Abriss der Statuen fordern.
Fotos: Heide Newson
Beiträge und Meinungen