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Das Monster von Loch Maut

Foto: Tim Reckmann CC BY 2.0 DEED via FlickR

Fährt nach Deutschland auch Wallonien mit Plänen für Autobahngebühren gegen die Wand? 

Von Michael Stabenow

Georges-Louis Bouchez, der umtriebige Parteivorsitzende der wallonischen Liberalen (MR), liebt es offenkundig, sich mit Stars und Sternchen zu umgeben. Sein Versuch, die ehemalige Miss Belgium Julie Taton als Nummer 2 auf der Liste „Mons en mieux“ für die Kommunalwahlen im heimischen Mons zu platzieren, hängt noch in der Schwebe. Bouchez soll zwar, so berichten es belgische Medien, seiner Parteifreundin eine ihm gehörende kleine Wohnung in seiner Stadt zur Verfügung gestellt  haben. Die behördliche Überprüfung soll jedoch ergeben haben, dass es sich dabei kaum um ihren Lebensmittelpunkt  handeln dürfte.

Bisher lebte Taton gemeinsam mit dem Ehemann und den beiden Kindern im idyllischen Lasne, im wallonischen Speckgürtel südlich von Brüssel. Das werde sich aber ändern, versicherte sie – was nicht unbedingt zur Freude der Familie sein, aber MR-Chef Bouchez ein paar Steinchen von Herzen fallen lassen dürfte.

Den ihm eigenen Sinn für Humor dürfte Bouchez kaum verloren haben. Ende Juli postete er von der Rennstrecke in Spa-Francorchamps ein gemeinsames Foto von sich – strahlend – und dem ernster dreinschauenden amerikanischen Schauspieler Brad Pitt. Darüber stand der Kommentar: „Gut, nach Julie ist es mir gelungen Brad, einen sehr vielversprechenden Amerikaner, zu überzeugen, sich Mons en mieux anzuschließen“ – gefolgt von zwei Emojis, einem mit Augenzwinkern und einen mit breitem Lachen.

Nach Augenzwinkern und breitem Lachen dürfte zumindest  den EU-Vertragshütern der Europäischen Kommission nicht zumute gewesen sein, sollten sie Kenntnis von dem gemeinsam von Bouchez und dem Parteichef der zentristischen Partei „Les Engagés“ ins gemeinsame wallonische Regierungsprogramm festgeschriebene rasanten Pläne erhalten haben, eine Vignette für die Nutzung der wallonischen Autobahnen durch Personenwagen einzuführen. So weit, so gut – schließlich zahlen Wallonen, und nicht nur sie, für die Nutzung französischer, italienischer oder schweizerischen Autobahnen.

Vier Zeilen umfassen die Mautpläne im 112 Seiten langen wallonischen Regierungsprogramm. Dazu gehört der Hinweis, dass die heutige Steuerlast nicht steigen sollte und es keine negativen Folgen für den Haushalt geben solle. Dem französischsprachigen Sender RTBF verriet Bouchez, wie das gehen soll – die Kosten der Vignette sollten von der jährlich durch die einheimischen Straßenbenutzer zu entrichtenden Kraftfahrzeugsteuer abgezogen werden.

Es ist anzunehmen, dass sich Bouchez weder mit den früheren Bundesverkehrsministern Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer noch mit dem ebenfalls der CSU angehörenden früheren bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, einem der obersten Vorkämpfer der sogenannten Ausländermaut, hat ablichten lassen oder sich mit den drei deutschen Politikern über das Reizthema unterhalten hat. Sonst wüsste er gewiss, wie weit man es mit derlei Gedanken treiben kann. So stoppte der Europäische Gerichtshof 2019 entsprechende deutsche Pläne.

Dass Bouchez und die wallonische Regierung dennoch beabsichtigen, Walloninnen und Wallonen zu verschonen und unter dem Strich nur nichteinheimische  Fahrer zur Kasse zu bitten, muss erstaunen –  ganz zu schweigen davon, wie es dereinst Flamen und Brüsselern auf den Autobahnen im Südteil des Landes ergehen soll.  Gleich dem Monster von Loch Ness tauchen in Belgien regelmäßig Mautpläne auf und verschwinden wieder, weil sich die Regionen Wallonien, Flandern und Brüssel nicht darauf einigen können. Die Logik des MR-Parteichefs klingt anders. Es gehe darum, die zehntausenden ausländischen Fahrzeughalter, die für die Nutzung wallonischer Autobahnen nichts zahlten, zur Kasse zu bitten. Wallonien sei schön und gastfreundlich, aber es sei nicht unnormal, für die gebotenen Dienste einen kleinen Betrag entrichten zu lassen, erklärte Bouchez gegenüber der RTBF.

Der MR-Chef steht mit seiner Argumentation keineswegs alleine da. Der „Les Engagés“-Parteivorsitzende Maxime Prévot erläuterte jetzt ebenfalls gegenüber der RTBF, wie Wallonien mit der Summe der Maut bei Einheimischen zu verfahren gedenke. Es gehe darum, die Walloninnen und Wallonen so zu entschädigen, dass die Summe der Mautgebühren nicht die Geldbörsen entsprechend schmälerten. Wie das ohne die nach EU-Recht verbotene Schlechterstellung ausländischer Autobahnbenutzer gehen soll, bleibt ein Rätsel.  Es mutet zumindest wie eine Geschichte über das Monster von Loch Maut an.

Es gehe darum, so Prévot „Ausländer“ genauso an den Wartungskosten für die Autobahnen zu beteiligen, wie dies Wallonen auch durch den Erwerb der Vignette in der Schweiz oder durch die Autobahngebühren in Frankreich täten. Verschwiegen hat Prévot, ob aus Unwissen oder mit Absicht, dass in der Schweiz und in Frankreich Autobahnbenutzer aus dem Ausland UND dem Inland Gebühren entrichten müssen – genau das, was Bouchez und Prévot offenbar vermeiden wollen. Solange die wallonischen Pläne so bleiben, wie sie die beiden Politiker nach außen darstellen, dürfte die Devise weiter lauten: Nächste Ausfahrt – Europäischer Gerichtshof!

 

 

Foto: Tim Reckmann CC BY 2.0 DEED via FlickR

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