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Das harte Leben der Obdachlosen

Von Sibylle Schavoir.

Seit sieben Jahren lebt Jacques auf der Straβe. Bis vor kurzem besaβ er noch ein kleines Zelt, in welchem er zusammen mit seinem Freund Marc in der Nähe vom Lütticher Hauptbahnhof Unterschlupf fand. „Als wir vor kurzem tagsüber unterwegs waren, hat man uns unsere Kleider und Decken gestohlen und dann auch noch unser Zelt angezündet. Ich kann einfach nicht mehr“, gesteht Jacques. „Das einzige, was mich noch antreibt, ist, dass ich meinem Freund Marc helfen muβ. Ihm geht es noch schlechter als mir“.

Jacques ist Alkoholiker und muβ auβerdem noch Methadon nehmen, denn er ist auch drogensüchtig. Die „ASBL Terre et sentinelles de nuit“ (Tag- und Nachtwächter“) kümmert sich um die Obdachlosen und sie kennen auch Jacques und Marc. Beide Männer wünschen sich einen sicheren Platz, wo sie tagsüber, wenn sie unterwegs sind, ihre persönlichen Sachen wie Decken, Kleidung, GSM, ihr Zelt und andere persönliche Dinge abstellen können.

“Solch eine Einrichtung existiert bereits in Lissabon“, erklärt William Wauters, Verantwortlicher der „Asbl Terre“ „und das würde auch den Obdachlosen in unserer Stadt helfen“. Sie wandten sich mit dem Projekt „Réinventons Liège“ („Lüttich neu erfinden“) an die Stadt Lüttich, damit diese „des casiers solidaires“ (Sozialfächer/Schliessfächer) für die Obdachlosen einrichte und erhielt 527 Ja-Stimmen. Mit „Liège Together avec les SDF To get their dignity“ ging die ASBL auf die Straβen Lüttichs. „Die Einrichtung von „casiers solidaires“ würde den Obdachlosen eine gewisse Autonomie verschaffen und ihnen vor allem die Sicherheit geben, daβ ihre persönlichen Sachen nicht gleich gestohlen werden, sobald sie ihren Standort verlassen.

Seit acht Jahren sind die „Sentinelles de la nuit“ (Nachtwächter) im täglichen Kontakt mit den Obdachlosen. „Es ist sehr bedrückend, denn in den letzten drei Jahren ist die Zahl der Obdachlosen um 20% angestiegen“ erklärt David Schena, Sekretär der Asbl. „Man vergiβt leicht, daβ ein Obdachloser – SDF-sans domicile fixe – nicht als Obdachloser geboren wird, sondern oft aus privaten, gesundheitlichen und beruflichen Gründen obdachlos wird und plötzlich auf der Straβe leben muβ“. Ob man es nun will oder nicht: Eine Stadt muβ lernen, mit diesem Problem fertig zu werden und damit zu leben. Das Ansteigen der Obdachlosenzahl spiegelt die Problematik und die Krise, in der sich unsere Gesellschaft befindet, wider. Die sozialen Folgen, die aus dieser Krise entstehen und sich in den verschiedenen Schichten der Gesellschaft zeigen, kann man nicht ignorieren. Man muβ sich mit ihnen arrangieren.

Foto+Info: ASBL Terre et sentinelles de nuit

One Comment

  1. Alfons Van Compernolle

    Der Sozialstaat Belgien steckt nicht nur in einer Krise. Das soziale Elend von Heute ist durch politische (Fehl-) Entscheidungen in diesem Ausmass erst ermoeglicht worden. Mn ist in der Politik der Meinung, dass , wenn man den Reichen & Unternehmen durch Steuervorteile entlastet,dann wuerden eben diese Reichen & Unternehmen mehr Arbeitsplaetze schaffen und somit das Wirtschaftswachstum und den Sozialstaat retten. Das Gegenteil ist der Fall, denn die
    gewaehrten Steuerverguenbstigungen fuer Reiche & Unternehmen muessen irgendwie ausgeglichen werden und wer muss Ausgleichen–> Der Arbeitnehmer mit seinem geringen Einkommen durch hoehere direkte und indirekte Belastungen. Alleine der Anstieg der Mietkosten
    auf den freien Wohnungsmarkt ist unglaublich , bis zu 45% des Nettomonatseinkommen ist heute fuer die Miete aufzubringen, hinzu kommen die Preise fuer Energie & Erdgas & Trinkwasser !! Wen wundert es, dass da immer mehr Menschen auf der Strasse landen, weil sie einfach diese Preise nicht mehr bezahlen koennen. Die Reichen werden politisch gewollt immer reicher und Steuerschlupfloecher werden gesetzlich in die Steuergesetzgebung bewusst
    eingearbeitet, und der Arbeitnehmer zahlt die Rechnung, wird immer aermer, muss zusehen wo er bleibt, wie er seine Familie ernaehrt. Sozialstaat Belgien, steht nur noch auf dem Papier, die Realitaet sieht zwischenzeitlich erheblich anders aus!

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