Politik

Child focus

Capture d’écran 2014-06-22 à 15.46.11Wer in Brüssel den Bus oder die Tram nimmt, dem fallen sie vielleicht oft ins Auge: die Plakate von Child Focus. Meist ist in den grauen Rahmen nur das Logo der Organisation mit dem Slogan „Zusammen finden wir sie wieder“ zu sehen. Manchmal blickt jedoch das Foto eines vermissten Kindes auf die Passagiere, umgeben von der großen, rot-gelben Aufschrift: MISSING.

Child Focus ist eine der bekanntesten Wohlfahrtsorganisationen in Belgien. Doch was macht die Stiftung eigentlich?

Der „weiße Marsch“, ein historischer Moment

Die „Stiftung für vermisste und sexuell ausgebeutete Kinder“ oder „Child Focus“ ist tief in der belgischen Geschichte der 90er Jahren verankert. Im Jahr 1996 kommt die Dutroux-Affäre an die Öffentlichkeit, in der Marc Dutroux und seine Komplizen für das Kidnapping, die sexuelle Ausbeutung und den Mord mehrerer Kinder verurteilt werden. Da in der Affäre Probleme bei der Arbeit verschiedener Polizeidienste und der Staatsanwaltschaft zum Vorschein kamen, mobilisierte die Affäre sehr viele Menschen: im Oktober 1996 demonstrieren auf Aufruf der Eltern der Detroux-Opfer zwischen 350.000 und 615.000 Menschen in Brüssel, in Form eines Schweigemarsches. Da alle Demonstranten weiße Kleidung trugen, ging dieser Tag als „weißer Marsch“ in die Geschichte ein.

Eine der Folgen dieser Mobilisierung ist die Gründung von Child Focus. Die Kernarbeit von Child Focus: Beratung bei Verschwinden und sexuellem Missbrauch Child Focus besitzt eine Telefonhotline, die rund um die Uhr und auch am Wochenende erreichbar ist: 116.000. Hinter dieser Telefonhotline sitzen ein Duzend Fallmanager: Psychologen, Kriminologen, Juristen, Sozialarbeiter. Sie werden aktiv, wenn Child Focus vom Verschwinden eines Kindes oder von einem Fall von sexuellem Missbrauch erfährt. Unter derselben Nummer berät die Stiftung auch zum sicheren Gebrauch des Internets durch Kinder.

In erster Linie unterstützt Child Focus die Eltern von vermissten Kindern und bietet Ihnen Beratung zu den wichtigsten Schritten. In Besorgnis erregenden Fällen wird das Netzwerk von rund 1.000 Freiwilligen aktiv, die in sehr kurzer Zeit im ganzen Land Steckbriefe in Form von Plakaten oder Flyern verteilen können. Child Focus bildet so die Brücke zwischen Eltern, Sozialdiensten, Polizei und Staatsanwaltschaft.

Oft wird gedacht, dass die Stiftung sich vor allem um Kidnapping kümmert. Der Großteil der Fälle betrifft jedoch weggelaufene Kinder oder die Entführung von Kindern durch ihre eigenen Eltern ins Ausland, in den meisten Fällen ins europäische Ausland. Fälle von „echtem“ Kidnapping durch Fremde kommen vor, sind aber seltener: 2012 gab es über 1.700 Fälle des Verschwindens von Kindern, 17 davon waren klare Fälle von Kidnapping. Im selben Jahr behandelte Child Focus ebenfalls über 700 Fälle von sexuellem Missbrauch und leitete fast 1.400 Meldungen über Kinderpornografie im Internet an die Polizei weiter.

Projekte, Prävention und Lobbying

Darüber hinaus arbeitet Child Focus auch in verschiedenen europäischen Projekten. Im Pilotprojekt „Ch@dvice“ wurde im letzten Jahr ein Chat-Kanal für Jugendliche eingerichtet, auf dem sie über sexuellen Missbrauch chatten können – ein großer Erfolg, da es insgesamt 100 Fälle über diesen Kanal gab. Mit den Jahren hat sich Child Focus auch dafür engagiert, ein europäisches Netzwerk zur Suche von vermissten Kindern auf zu bauen, welches nun als „Missing Children Europe“ von Child Focus unabhängig geworden ist. Die Organisation führt gleichzeitig Weiterbildungen für Lehrer, Eltern und den Jugendsektor durch, um einen sicheren Gebrauch des Internets durch Kinder anzuregen.

Auf nationalem Niveau betreibt Child Focus ebenfalls Lobbyarbeit im Rahmen seiner Missionen: so nahm die Stiftung an der besonderen Kommission zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche teil und entwickelte mit seinen Partnern in Flandern Richtlinien für jeden Sektor, der mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat. Sportvereine, Schulen, Jugendgruppen, soziale Einrichtungen. Jeder dieser Sektoren hat damit ein umfassendes Arsenal von Empfehlungen zur Prävention von sexuellem Missbrauch und zur Reaktion, wenn er mit einem solchen Fall konfrontiert ist.

Seit der Dutroux-Affäre wurden in Belgien einige Reformen angestoßen, damit Kinder besser vor Verschwinden und sexuellem Missbrauch geschützt sind. Die Zahl der Fälle, die Child Focus behandelt sind über die Jahre jedoch weitest gehend stabil. Damit bleibt die Arbeit von Child Focus mit Betroffenen nach 15 Jahren leider noch immer wichtig.

Links

Webseite von Child Focus: www.childfocus.org

Facebook-Seite: https://www.facebook.com/ChildFocusBelgium

Tipps für ein sicheres Internet: www.clicksafe.be und www.durchklick.be Kinderpornografisches Material melden: www.stopchildporno.be Notrufnummer (24/24, 7/7): 116.000

 

Autor: Philippe Seidel

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