Von Heide Newson.
Seit dem Corona-Shutdown im März warten belgische Gastronomen auf Lockerungen. Jetzt können sie aufatmen. Am Montag durften sie unter strikten Hygienevorschriften ihre Restaurants, Kneipen und Cafés wieder öffnen. Dennoch plagen die Betreiber große Sorgen. Wie lässt sich trotz Corona-Auflagen genug Umsatz machen, um wirtschaftlich zu überleben? Belgieninfo besuchte einige der bekanntesten Restaurants in Brüssel.
Für den Horeca-Sektor war es fünf vor zwölf, oder laut einer Studie sogar fünf nach zwölf, als die Restaurants und Gaststätten in Belgien am Montag wieder starten konnten. Eine Flut von Konkursen bedroht Cafés, Restaurants und Hotels. Die Prognose belgischer Horeca-Experten erwartet, dass die Hälfte der Brüsseler Betriebe, rund 4.000, in den Konkurs gehen werden müssen.
Rund um die Grand‘ Place
Die rue des Bouchers, Brüssels berühmte Gourmetmeile, ist menschenleer. Nur auf den Terrassen und in den Restaurants herrscht am Montagmorgen reges Treiben. Im „Chez Léon“, einer Legende der Muscheln und Fritten, seit 1893 im Besitz der Familie Vanlancker, inspiziert Kevin Vanlancker kurz vor der Eröffnung nochmals alle Tische. Die Hygienevorschriften sind eine Herausforderung für alle Gastronomen, aber Kevin ist voller Tatendrang und erleichtert, dass er nun wieder loslegen kann. Im „Chez Léon“ stimmt der neue Tischabstand von 1,5 Metern, Salz und Pfefferstreuer wurden durch ein diskretes Desinfektionsmittel ersetzt, Bodenmarkierungen weisen den Weg zum Ein- und Ausgang, zur Toilette und zur oberen Etage. „ Jetzt müssen wir nur noch darauf achten, dass sich die Gäste an die neuen Auflagen halten,“ sagt Kevin, während seine Mannschaft mit ihrem ungewohnten Mundschutz in den Startlöchern steht. Alle sind erleichtert, dass sie nach der dreimonatigen Zwangspause wieder arbeiten können.
Der Schock war groß, als Kevin die Nachricht zur Schließung des Familienunternehmens erhielt. Im Kreis von Freunden musste er sich mit einem Abschiedsdrink trösten. Mit solch einem langen Shutdown hatte er nicht gerechnet. „Ich dachte, dass der Spuk in einem Monat vorüber wäre.“ Um den obligatorischen Abstand zu wahren, musste er die Hälfte der Tische entfernen, was weniger Umsatz bedeutet. Dennoch steht er hinter den getroffenen Maßnahmen der Regierung und gibt sich betont optimistisch: „Wir kommen schon klar, und hoffen auf weitere Lockerungen, wenn die Quote der Infizierten fällt. Am 15. Juni werden ja die Grenzen geöffnet. Dann kommen die Touristen wieder nach Brüssel und in die Restaurants.“
Im dem gegenüberliegenden „Aux Armes de Bruxelles“, herrscht ebenso rege Betriebsamkeit. Auch hier wurden Tische auseinandergestellt oder weggenommen, die Gemütlichkeit aber dennoch gewahrt. „Rechtzeitig zu meinem Geburtstag startet mein Lieblingsrestaurant wieder voll durch,“ freut sich Martine, die mit ihrem Mann jeden Bissen und die guten Tropfen des Gourmettempels genießt. Nein, Angst, sich hier mit Corona zu infizieren, habe sie überhaupt keine, sondern volles Vertrauen in die Hygienemaßnahmen.
Rund um die Grand´Place sind zwar die Terrassen aufgebaut, aber viele Gaststätten, Restaurants und Kneipen noch geschlossen. Die Wiedereröffnung an einem regnerischen Montag oder die neuen Regelungen haben eine Wiedereröffnung verzögert. Auch die Lieblingskneipe des verstorbenen Maurice Béjarts „le Mort Subite“, öffnet mit einer reduzierten Tischanzahl erst einen Tag später. Noch kurz vor dem Ausbruch der Corona-Epidemie hatte das belgische Königspaar ihr einen Besuch abgestattet.
Im Europaviertel
Auch im Brüsseler Europaviertel haben sich die Restaurantbetreiber auf den Neustart gut vorbereitet. Trotz vieler Widrigkeiten sehen sie positiv nach vorne. So wie Maris, Besitzer des angesagten griechischen Restaurants „Kafenion“. Stolz zeigt er auf die vergrößerte Terrasse aus feinem Holz. Auch im Restaurant hat er gemäß den Corona-bedingten Auflagen einiges umgemodelt. „Da derzeit weder große Empfänge noch Veranstaltungen stattfinden, haben wir den Veranstaltungsraum der ersten Etage ins Restaurant integriert.“ Ein wenig Sorge macht ihm die Tatsache, dass ein Großteil von Europas Beamte, die zu seinen Hauptkunden zählen, noch im Home Office arbeitet. Diese Sorge teilt er mit dem alteingesessenen Restaurant „La Brace“, das normalerweise mittags wie abends proppenvoll ist. Aber wichtig sei, dass es überhaupt wieder losgehe.
Während sich in einigen Restaurants verhaltender Optimismus breitmacht, ist die Unsicherheit in kleineren Lokalen im EU-Umkreis größer. Der Innenraum kann nur dünn besetzt werden, und der schönste Platz, der ja bekanntlich an der Theke ist, fällt gänzlich weg.
Jetzt hoffen die Restaurateure, auch im populären „Café Belga” am Place Flagey auf einen langen warmen Sommer, um so viele Gäste wie möglich empfangen zu können. Eine langfristige Lösung sind die jetzigen Beschränkungen allerdings kaum für ihr Geschäftsmodell. Das beruhte bisher, höchst erfolgreich, auf Selbstbedienung und dem genaue Gegenteil von Kontaktabstand.
Fotos: Heide Newson
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