Von Heide Newson.
Wenn man in Brüssel auf der Suche nach einer absoluten Top-Adresse ist, kommt man an Christophe Hardiquest und seinem Restaurant „Bon-Bon“ eigentlich nicht vorbei. Sollte man auch nicht, denn in Sachen belgischer Gaumenfreude und innovativer Küche würde man sehr viel verpassen. In diesem Zwei-Sterne-Haus fordern die Speisen mit ihren unterschiedlichen Aromen den Gaumen und Sinne wie selten in einem Restaurant heraus. Drei bis vier Wochen muß man in der Regel im Voraus reservieren, um einen Tisch zu bekommen.
Ich habe Glück. Zum Lunchen ist heute an der Bar noch ein Platz frei. Ich fahre zu einem der derzeit angesagtesten Brüsseler Gourmettempel, zum „Bon Bon“ in die Avenue Tervueren. Hier scheint die Welt in Ordnung zu sein, von Sicherheitskräften wie vor vielen Brüsseler Top Restaurants oder Hotels keine Spur. Ein gelassener, aufmerksamer und sehr freundlicher Voiturier kümmert sich um mein Auto, während ich ein lässig gestyltes Restaurant betrete. Der „Maître d`Hotel“, Jonathon Gillet, führt mich zu meinem Barhocker, von dem aus ich einen Blick auf die offene Küche habe. Christophe Hardiquest steht am Herd, gibt seiner Mannschaft Anweisungen, und scheint nur Augen für seine Gerichte, alles kleine Kunstwerke, zu haben.
Der Ausnahmekoch und sein Werdegang
Christophe wird von Insidern der belgischen Gastroszene als Ausnahmetalent bezeichnet, als jemand der es in wenigen Jahren ohne finanzielle Mittel einzig und allein durch harte Arbeit, Talent, große Leidenschaft und Disziplin, vom einfachen Koch zu einem gefeierten 2-Sterne Koch schaffte. Seitdem dirigiert er wie ein „Chef d´Orchestre“ virtuos seine eingespielte 24köpfige Mannschaft.
„Kochen war schon immer meine große Leidenschaft, schon als kleiner Junge hing ich an der Küchenschürze meiner flämischen Großmutter, die wundervoll kochen konnte,“ erinnert sich Christophe, der im Jahr 1975 in Waremme das Licht der Welt erblickte. Mit 14 Jahren wusste er genau, was er wollte… er wollte die Hotelfachschule in Namur besuchen, und das tat er auch. Während der Sommermonate arbeitete er zum Nulltarif in Restaurants unweit seiner Heimatstadt.
„Ich wollte möglichst viel lernen,“ sagt er zu seinen unbezahlten Praktika. Nach Abschluss der Schule ging´s für drei Monate nach New York. Zurück in Brüssel folgten Stationen bei Yves Mattagne (Seagrill) sowie in der Villa Lorraine. Danach zurück in die Vereinigten Staaten, wo er gleich zwei Jahre blieb, und die amerikanische Küche, Sprache, und das „Business“ so richtig verinnerlichte. Viel gelernt habe er, und die amerikanische Küche sei gar nicht so schlecht wie ihr Ruf, sie habe sich positiv entwickelt, sagt er. Als er danach im Conrad, dem jetzigen Steigenberger Hotel, den Kochlöffel schwang, meinte er, dass es an der Zeit sei, sein eigenes Restaurant zu öffnen. Leichter gesagt als getan, da Christophe, zwar mit viel Talent, aber ohne finanzielle Mittel dastand. In einem preisgünstigen Loft, genauer im 4. Stock einer Chocolaterie, und später in einem Austellungsraum für Möbel, fand er eine Bleibe.
„Zuerst gab´s nur einfache Gerichte und Suppen, die aber nur aus besten regionalen Frischprodukten, das kam an” – und der Erfolg blieb nicht aus. Schon bald lief sein Restaurant besser als der „Showroom“, jetzt benötigte er dringend mehr Platz. Mit 2.500 Euro in der Tasche übernahm er im Jahr 2003 in Uccle ein Restaurant, dass er fortan „Bon Bon“ nannte, und in dem er bereits ein Jahr später seinen ersten Michelin Stern erhielt.
Die kulinarische Welt des Christophe Hardiquest
Als ihm im Jahr 2010 „les trois Couleurs“ in der Avenue de Tervueren zum Kauf angeboten wurde, zögerte er nicht lange. Er kaufte das Haus, gestaltete es komplett um und zog im Mai 2011 mit dem alten Namen „Bon Bon“, aber neuen kreativen Ideen ins renovierte Haus. Mit diesen erwirtschaftete er im Jahr 2014 seinen zweiten Michelin-Stern.
Von meinem Barhocker schaue ich in die spektakuläre hochmoderne Küche, die sich wie ein Theater für die Gäste öffnet. Jeder kann Christophe und seinem Team, das völlig unaufgeregt und ohne Hektik in Aktion ist, über die Schulter blicken. Wie von Geisteshand werden Gänseleber, Fischgerichte, oder Gemüse kunstvoll drapiert. Gerichte in einer imponierenden Vielfalt werden in kleinen Portionen auf mehr als 40 Tellern verteilt. Dabei werden die kulinarischen Sinne sowie das Auge angesprochen. Eine Menukarte gibt es bei Christophe nicht, er improvisiert und trifft stets den feinen Geschmack seiner Gäste, während diese sich wie bei einem Kulturfestival über seine geschmackvollen sowie bekömmlichen „Kunstwerke“ unterhalten.
Allergien?
Wie alle Gäste werde ich gefragt, ob ich gegen irgendwelche Produkte, Aromen, Gewürze, eine Lebensmittelallergie hätte, oder es Speisen gebe, die ich einfach nicht möge. Drei Menüs mit festen Preisen stehen zur Auswahl, das sogenannte Menu „du Marché“ mit drei Gängen (125 Euro), das „Impro Menü“ nach der Inspiration des Chefs mit 5 Gängen,(165 Euro) oder das Menu „Best of“ mit 8 Gängen (220 Euro). Ich entscheide mich für das Fünf-Gänge Menu und lasse mich von Christophes Cuisine mediterranischer Prägung überraschen sowie inspirieren. Kompetent und freundlich ist der Service, und in puncto Aromenkomposition ist Belgiens Top-Chef wohl kaum zu toppen.
Das fängt bereits beim Amuse-Bouche, einer Gänseleber an, die durch ein leichtes Kaffeearoma besticht. Köstlich und perfekt zubereitet sind die Meeresfrüchte, das Carpaccio von Jacobsmuscheln, der mit gelbem Wein aus dem Jura angereicherte Tunfisch, sein Hauch von Wagyu, sein Turbot, sein mit Kaffeearomen angereicherter „Hérisson de Veau“, der Nachtisch, eine Früchtekomposition, mit der Christophe feine Geschmackstöne trifft. Dabei werden auf Wunsch zu all den Gängen von kompetenten Sommeliers die passenden Wein zusammengestellt.
Ein Netzwerk von Vierzig Zulieferer versorgt Christophe mit erstklassigen Produkten, die ihn stets zu neuen Kreationen und gesunden Aromenkompositionen inspirieren. „Jeder trägt hier zum Erfolg bei,“ sagt Christophe bescheiden, dem der direkte Kontakt zu seinen Gästen wichtig ist. Und wichtig ist ihm seine Familie, seine Frau Stéphanie, die drei Kinder und der gemeinsame Urlaub, den sie sich erst jetzt leisten könnten.
„Hier zergeht alles auf der Zunge, das war das Essen meines Leben, ein wahres kulinarisches Erlebnis. Das lange Warten, um endlich einen Tisch zu ergattern, hat sich gelohnt, und mein Menu mit all den passenden Weinen war jeden Cent wert,“ sagt ein ganz hin-und hergerissener Gast. Und auf meine Frage, woher Christophe seine Inspiration zu seinen ständig wechselnden „Kunstwerken“ findet, meint er, dass er diese nicht beim Lesen, sondern an der Seite seines Küchenteams am Herd finde. Und das nötige Fingerspitzengefühl gehöre natürlich auch dazu.
Bon-Bon
Avenue de Tervueren 453, 1150 Brüssel
Tel. 02 346 66 15
www. Bon-bon
restaurant@bon-bon.be
Geöffnet: Montags von 19.30-21.30 Uhr
Dienstags bis Freitags von 12.30-21.30 Uhr
Samstag und Sonntag geschlossen
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