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Bist du ein Ich-lese-gerne-Belgieninfo-Mensch?

Persbericht VerkeerscampagneVon Marion Schmitz-Reiners

„Bist du ein Der-Zebrastreifen-ist-schnell-entdeckt-Fußgänger?“ „Bist du ein Ich-fahre-am-liebsten-in-die-richtige-Richtung-Radfahrer?“ Plakate mit derartigen Aufschriften entdeckten die Antwerpener Anfang September an zahllosen Ampeln und Laternenpfählen der Scheldestadt. Ein verfrühter Silversterscherz? Nein, eine bierernst gemeinte Kampagne der Stadtverwaltung und der Polizei.

„Bist du ein Ich-warte-kurz-bis-es-grün-wird-Radfahrer?“ Derartige Slogans, auf Karton gedruckt und mit Plastikdrähten an Laternen- und Ampelpfählen festgebunden, verunzierten wochenlang ganz Antwerpen. Die Kartons weichten im Regen auf. Der Duktus war unbeholfen. Wer hatte sich hier als Laientexter betätigt? Waren das Logo der Stadtverwaltung und der Polizei auf den Plakaten eine Fälschung? Nein.

Antwerpens Polizei und Stadtverwaltung hatten sich aufgemacht, Radfahrer und Fußgänger auf ihre Fehler hinzuweisen. Denn die vier wichtigsten Unfallursachen in der Scheldestadt seien „Zu schnell fahren“ (Radfahrer!), „Die rote Ampel missachten“ (Radfahrer!), „Auf dem Bürgersteig radeln“ und „Auf dem Radweg in Gegenrichtung fahren“. Allerdings hatte diese „Statistik“ einen kleine Schönheitsfehler. Auf der Kampagne-Website war nämlich nicht erwähnt, dass nach wie vor die meisten Verkehrsunfälle von Autofahrern verursacht werden.

Radfahrerverbände stellten sich auf die Hinterbeine. Nachdem sie sich vom ersten Schrecken erholt hatten, erkundigten sie sich bei der Polizei nach dem Zustandekommen dieser „Statistik“. Nach langem Schweigen bekamen sie Auskunft. „Es ist unmöglich, die Zahl der Unfälle schwacher Verkehrsteilnehmer in Zahlen zu fassen. Allerdings hat die Verkehrspolizei aufgrund ihrer Erfahrung und ihres Empfindens (!) festgestellt, dass immer mehr Unfälle durch Radfahrer und Fußgänger verursacht werden, die sich wie Rowdys (!) benehmen.“ (Ausrufezeichen von der Verfasserin hinzugefügt.)

Das konnte die Antwerpener Radfahrer und Fußgänger auch nicht besänftigen. Zumal in Antwerpen mit dem Auto beinahe kein Durchkommen mehr ist und die meisten Großstädte alles daran setzen, ihre Bürgerinnen und Bürger aufs Rad zu hieven. Also holten die schwachen Verkehrsteilnehmer zum Gegenschlag aus. Im Facebook erschienen ge-fotoshoppte Alternativplakate.

„Bist du auch ein Ich-werde-jeden-Tag-zehn-Mal-beinahe-totgefahren-Radfahrer?“ lasen wir dort. Oder „Bist du auch ein Ich-werde-durch-diese-schwachsinnigen-Plakate-vom-Bürgersteig-gedrängt-Fußgänger?“ Tatsächlich ragte manches Plakat unglücklich über den Radweg oder den Bürgersteig. Auch Autofahrer kriegten ihr Fett ab: „Bist du ein Ich-esse-meine-Stulle-im-Auto-während-ich-einen-Zebrastreifen-blockiere-Fahrer?“

Aber die Guerilla rächte sich auch analog. Unter dem Plakat „Bist du ein Der-Zebrastreifen-ist-schnell-entdeckt-Fußgänger?“ hatte nächtens jemand geschrieben: „Bist du eine Ich-behandele-meine-Bürger-wie-Kleinkinder-Stadtverwaltung?“ Und unter dem Slogan „Bist du ein Ich-warte-kurz-bis-es-grün-wird-Radfahrer“ wurde zur Abstimmung aufgerufen. „Ja“ bekam sechs Kreuzchen, „Nein“ zwanzig.

Jemand hatte ein Plakat mit der Frage „Bist du ein Auch-so-neugierig-wieviel-Geld-in-diese-debile-Kampagne-geflossen-ist-Mensch?“ ins Internet gestellt. Die Antwort sickerte schnell durch: 172.000 Euro hatte die Stadtverwaltung einer Werbeagentur gezahlt. Aber den Plakaten war kein langes Leben vergönnt. Während sich halb Antwerpen kringelig lachte über die Parodien, schickte der Bürgermeister seine Trupps los, um die Plakate unauffällig wieder zu entfernen. Eines Morgens waren sie plötzlich weg. Und seitdem kann man auch wieder ungehindert den Zebrastreifen betreten.

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