Von Reinhard Boest.
Seit nunmehr zwei Monaten verbietet Belgien “nicht essentielle” Reisen in das und aus dem Ausland. Das ursprünglich nur für die Karnevalsferien geltende Verbot wurde bereits zweimal verlängert. Nach Intervention der EU-Kommission soll es jetzt zum 19. April auslaufen. Kritik an diesen Beschränkung kommt nicht nur von der EU-Kommission, sondern auch von den (aktuell rund 15.000) Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern einer Petition. Es sind auch mehrere Klagen vor dem belgischen Staatsrat anhängig, der sich mit der Behandlung aber viel Zeit lässt.
Jetzt haben zudem 12 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen von vier belgischen Hochschulen in ihrem Blog “Covidrationnel” eine Analyse veröffentlicht und nehmen klar Stellung: das Verbot sei unverhältnismäßig, verletze Grundrechte und sei in seiner gesundheitspolitischen Wirkung kontraproduktiv. Man habe mit der Grenzschließung die Virusvarianten nicht fernhalten können, denn sie seien schon seit November 2020 im Lande gewesen. Indem man die Menschen im Land halte, erhöhe sich das Risiko der weiteren Verbreitung, da Reisen innerhalb Belgiens (die nicht beschränkt sind) zunehmen dürften und damit eine Konzentration in den touristischen Hochburgen in den Ardennen und an der Küste. Dies habe man während der Karnevalsferien sehen können, und während der Osterferien sei dies noch mehr zu erwarten. Unverhältnismäßig sei das generelle Verbot auch, weil es weniger einschneidende Maßnahmen gäbe; nämlich obligatorische Tests und eventuell Quarantäne bei der Rückkehr, wenn nötig, differenziert nach der Infektionslage im Herkunftsgebiet.
Im Zuge der Diskussion mit der EU-Kommission, die genau dieses Vorgehen angemahnte, hat die belgische Regierung eingewandt, dass sie die damit verbundenen Kontrollen nicht leisten könne. Die Einbeziehung der regionalen und kommunalen Behörden bei der Nachverfolgung von Reiserückkehrenden mit dem obligatorischen Passenger Location Form (PLF) sei schwierig, weil die dafür notwendige Vereinbarung mit der föderalen Ebene bisher nicht zustande gekommen ist.
Das Gutachten liefert viele Argumente gegen eine Beibehaltung der geltenden Reiseregelung. Es erscheint aber fraglich, ob die Regierung sie deshalb sofort abschafft oder der Staatsrat schnell über die anhängigen Klagen entscheidet. Wahrscheinlich muss man froh sein, wenn es wirklich bei einem Auslaufen zum 19. April bleibt. In der aktuellen Situation ist das Klima für Lockerungen nicht günstig, so berechtigt die Forderungen auch sein mögen. Und die Gruppe der Betroffenen ist leider zu klein, als dass von ihr wirklicher politischer Druck ausgehe. Denn Geschäftsreisen sowie das Treffen mit Lebenspartnerin oder Lebenspartner bleiben möglich, wenn auch verbunden mit viel Formularausfüllerei und Schlangestehen an Testzentren.
Link zur Petition: https://www.mesopinions.com/petition/espace-europeen/levee-interdiction-voyages-essentiels-destination-partir/130045/actualite/18391
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