Von Rainer Lütkehus
Die belgische Innenministerin Annelies Verlinden lässt prüfen, ob die Stilllegung und die Demontage des Kernreaktors Doel 3 bei Antwerpen nicht rückgängig gemacht oder zumindest ausgesetzt werden kann. Es handelt sich um den ersten der sieben Atommeiler im Königreich, der vom Netz genommen werden soll. Am 23. September soll er heruntergefahren werden. Anschließend soll zeitnah auch die Demontage des Reaktors eingeleitet werden.
Doch angesichts der Energiekrise werden innerhalb der belgischen sieben-Parteien-Regierung Stimmen laut, den Rückbau zu verhindern. Die geplante Abschaltung könne ja vorschriftsmäßig erfolgen, so die christdemokratische Innenministerin der flämischen Partei (CD&V). Sie wolle nur wissen, ob es irgendwann einmal zu einem Weiterbetrieb kommen könnte. Verhindert werden solle lediglich der Beginn des Rückbaus der Anlage, um sie „stand-by-Modus“ halten zu können.
Doel 3 ist umstritten, denn dieser 1006 MW-Reaktor, der im Oktober 1982 in Betrieb genommen wurde, ist seit Jahren in den Schlagzeilen wegen Haarrissen in der stählernen Ummantelung des Reaktors und anderer Schwachstellen am langsam veraltenden Material. Zudem haben die belgische Atomaufsichtsbehörde FANK und der wissenschaftliche Rat für ionisierende Strahlung den von AKW-Betreiber Engie Electrabel vorgelegten Stilllegungsplan für Doel 3 bereits bestätigt. Ebenso wurden die Vorbereitungsarbeiten für die Stilllegung des Reaktors genehmigt. Dazu gehören Arbeiten, die die Abschaltung des Reaktors unumkehrbar machen, insbesondere die chemische Dekontaminierung des Primärkreislaufs.
Die belgische Atomaufsichtsbehörde bestätigte, dass sie die Anfrage der Ministerin erhalten habe und dass ihre Experten daran arbeiteten, diese zu beantworten. Die Institution habe sich jedoch immer für eine möglichst schnelle Stilllegung eingesetzt, so eine Sprecherin der FANK.
Überdies ist Engie nicht an einem Weiterbetrieb interessiert. Schon von der Laufzeitverlängerung von Doel 4 und Tihange 3 hielt Engie angesichts der Kosten und aus Sicherheitsgründen nicht viel.
Im März hatte die belgische Regierung beschlossen, die Laufzeit dieser zwei jüngsten der insgesamt sieben Atommeiler im Land, Doel 4 bei Antwerpen und Tihange 3 unweit von Lüttich, um zehn Jahre bis Ende 2035 zu verlängern.
Doch das scheint die Innenministerin nicht zu beunruhigen. Die flämische Christdemokratin sieht die Stromversorgungsicherheit nicht garantiert: „Wir müssen in diesen unsicheren Zeiten der Versorgungssicherheit Vorrang einräumen.“
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