Von Anne Kotzan.
Eine noch wenig entdeckte Perle der belgischen Museen ist das Museum Félicien Rops in Namur. Man begegnet hier einem bedeutenden belgischen Künstler des 19. Jahrhunderts, dem Gründervater des belgischen Comics. Rops war der erste belgische Karikaturist, der Text-Comics produzierte.
In kleinen Schritten bewegen wir uns endlich aus dem wochenlangen Stillstand heraus in eine neue Art von Normalität, die sich schon fast wie Freiheit anfühlt. Und, es fühlt sich gut an, Museen und Galerien besuchen zu können, natürlich mit Abstand und Maske. Das Félicien Rops Museum ist, da noch nicht so bekannt, ein guter Neueinstieg. Es liegt mitten in der pittoresken Altstadt von Namur, die zu Erkundungen in den alten Gassen, dem Ufer an der Maas und dem Aufstieg zur Zitadelle einlädt.
Werk und Wirken
Félicien Rops ist eine Entdeckung als vielseitiger Künstler und Lebemann. Er war eng mit Paris – Baudelaire, Mallarmé und Verlaine – verbunden war und viele seiner Zeitgenossen bis hin in die Moderne beeinflusste. Er war Zeichner, Maler, Lithograph, Satiriker, Karikaturist und Spötter seiner Zeit. Geboren 1833 als einziger Sohn einer wohlhabenden, katholisch-liberalen Textilfabrikantenfamilie in Namur, bekam er die ersten Jahre Privatunterricht, es folgten Jesuitenkolleg und das Athénée royal. Nach dem Tod seines Vaters 1849 sah sich der freigeistige Sechzehnjährige dem Druck eines strengen Vormunds ausgesetzt. Dennoch folgte er seiner inneren Leidenschaft und nahm parallel zur Schule Stunden an der Akademie des Beaux-Arts, wo er die Karikatur für sich entdeckte. “In Namen ist nur Platz für bürgerliche, ehrliche und konformistische Ideen. Der Enthusiasmus wird verurteilt wie alle anderen Regungen”, schrieb er rückblickend 1892 in einem Brief. Um der Enge seiner Geburtsstadt zu entkommen, ging er nach Brüssel. Verfolgte dort jedoch nicht sein Jurastudium, sondern machte erste Schritte in die Kunstwelt. Rops fühlte sich heimisch bei den reichen, ungehorsamen Intellektuellen, die das Bürgertum verspotteten und schockierten. Er wurde Mitglied des “Cercle des Crocodiles”, der ein Protestblatt herausgab und publizierte hier seine lithografischen Zeichnungen. Die Karikatur bot in Belgien eine Möglichkeit der gesellschaftlichen und politischen Kritik, ohne die Zensurbehörden auf den Plan zu rufen. Aber Félicien Rops schuf auch Genrebilder, Stillleben, Landschaften, Bilder vom dekadenten Nachtleben und ikonische symbolistische Werke. Er war Grafiker, Buchillustrator und machte gelegentlich sogar Werbung. Sein Stil schwankte zwischen Symbolismus und Realismus, konnte aber auch Romantik und Impressionismus berühren.
Mit einem seiner neuen Freunde, Charles De Coster, gründete er 1856 die Tageszeitung “Uylenspiegel” (bis 1863), für die er selbst ironische und freche Karikaturen zeichnete, in denen die sozialen Klassen ebenso lächerlich gemacht wurden, wie Künstler oder Politiker seiner Zeit. De Coster (1827-1879) publizierte 1867 in der Tradition des Till Eulenspiegel von 1515 “Die Legende von Thyl Eulenspiegel und Lamme Goedzak”, wobei er den Charakter des Eulenspiegel in den Kontext des niederländischen Aufstands und der Reformation zur Zeit von Karl V. überträgt. Hemmungslos spielt Rops mit blasphemischen, erotischen und (un)moralischen Motiven. Die Schärfe seiner Karikaturen behält er Zeit seines Lebens bei, so in seinen bekannten Serien “Les Sataniques” und “Les Diaboliques”. Sein bekanntestes Werk ist “Pornocratès, 1878”, das eine erblindete Frau in Dessous zeigt, die sich von einem Ferkel leiten lässt, ein Bild voller Symbolik.
Leben und Privates
Dass ein Künstler mit einem so facettenreichen Œuvre wie Félicien Rops auch ein abwechslungsreiches Leben geführt hat, lässt sich erahnen. Schon im Jahr 1857 heiratete Rops Charlotte Polet de Faveaux, die Tochter eines wohlhabenden Richters und Besitzers des Schlosses Thozée bei Mettet, unweit seiner Geburtsstadt. Neben seiner Kunst widmete er sich der Botanik und machte sein Zuhause zu einem Treffpunkt für Künstler, Schriftsteller, Verleger und Freunde. Bereits in den 1860er Jahren war Rops viel unterwegs und teilte seine Zeit jedes Jahr zwischen Thozée Castle, Namur, Brüssel und Paris auf, wobei er zunehmend in Paris im Zentrum der Kunst- und Literaturwelt weilte. Hier traf er Baudelaire und verbrachte die letzten zwei Jahre vor dessen Tod viel Zeit mit dem Dichter, für den er zuvor schon Werke illustriert hatte. Wie sehr Baudelaire den Jüngeren schätzte, zeigt ein Brief von 1865 an Manet: “Rops ist der einzig wahre Künstler (in dem Sinne, in dem ich und vielleicht nur ich das Wort Künstler verstehe), den ich in Belgien gefunden habe.”
Die immer ausgedehntere Zeit in Paris sowie seine amourösen Eskapaden führten in den frühen 1870er Jahren schließlich zur Entfremdung mit seiner Frau Charlotte und seinem Sohn Paul. Rops blieb nur seiner Karriere treu. Er liebte die Frauen und sie waren auch Hauptmotiv seiner Werke. Ein in den Jahren 1873 bis 1890 immer wiederkehrendes Thema ist “Die Dame mit der Puppe” (La Dame au pantin), wobei eine Frau eine Puppe in den Händen hält, sie beherrscht, mit ihr spielt. Ironisiert hier Rops nicht den Mann und seine Leidenschaft – und damit sich selbst – als williges Werkzeug der Frau? Rops rühmte sich 1877 “der bestbezahlte Illustrator Frankreichs zu sein”. In dieser Zeit machte er auch ausgiebige Reisen durch Europa. An seiner Seite hatte er die Schwestern Aurélie und Léontine Duluc, die ein erfolgreiches Modehaus leiteten. Die Dreierbeziehung dauerte bis zu seinem Tod. Mit beiden hatte er jeweils ein Kind, doch nur Léontines Tochter Claire (1871) überlebte. Sie lebten zusammen in Corbeil-Essonnes südlich von Paris an der Seine. Hier griff Rops sein Vergnügen an der Botanik wieder auf und begann Rosen zu züchten, jedoch galt seine Hauptleidenschaft zeitlebens der Kunst. Acht Jahre nach seinem Tod 1898 wurde sein Leichnam in das Familiengrab in Namur überführt.
Das Musée Félicien Rops wartet heute mit etwa 3.000 Stichen und 500 Zeichnungen und Gemälden auf. Auch über 4.000 Briefe des Künstlers sind dokumentiert. Derzeit ist mehr als die Hälfte online unter ropslettres.be verfügbar. Vieles hat nicht an Aktualität eingebüßt. “Unsere enge und dumme Zeit lastet auf meinen Schultern wie ein Kleidungsstück, das nicht in meiner Größe ist.” (Félicien Rops, 1863, Übersetzung der Autorin aus dem Französischen)
Fotos: Anne Kotzan
INFO:
bitte beachten, Besuch nur mit Gesichtsmaske möglich!
Félicien Ross Museum, 5000 Namur (Namen), rue Fumal 12, Tel 0032 (0) 81776755, geöffnet Di-So 10.00-18.00 Uhr, im Juli und August alle Tage geöffnet.
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