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Von Franziska Annerl
Ein Rekordsommer jagt den nächsten. Was gibt es da Erfrischenderes als ein schönes, kühles Bier? Ich muss gestehen, dass ich bis vor einigen Jahren noch nicht so dachte. Als Österreicherin kannte ich nur das typische Pils oder Lagerbier, das ja sogar bei Wien erfunden wurde – unser traditionsreiches Schwechater Bier, das aber trotzdem nicht mit den vielen exquisiten belgischen Biersorten mithalten kann. Weltweit machen seit einigen Jahren aber auch immer mehr kleine Handwerksbrauereien Furore, die sogenanntes Craft Beer brauen. Wir haben den heißen Sommer zum Anlass genommen, besondere Handwerksbiere zu verkosten.
Es gibt viele Beispiele für erfolgreiche Brüsseler Brauereien. Im Jahr 2013 wurde mitten im Stadtzentrum, in der Rue Antoine Dansaert, das Brussels Beer Project (BBP) ins Leben gerufen. „Ich habe das Craft Beer zusammen mit einem Freund während eines Erasmus-Austauschsemesters 2005 in Kanada entdeckt. Das gab es damals in Europa noch nicht. Als wir 29 Jahre alt waren, haben wir uns entschlossen, es nach Brüssel zu bringen“, sagt Sebastien Morvan, Mitbegründer des BBP. Brüssel sei zwar bekannt für sein Bier und dessen Geschichte. „Aber wir wollen das Bier der Gegenwart und Zukunft brauen, wir wollen die Codes ändern. BBP ist mehr als eine Brauerei, es ist eine andere Idee von Bier.“ Es sei „experimentell, innovativ, kreativ und nachhaltig.“ Jede Woche gibt es ein anderes Bier zu verkosten. Die Getränke kommen aus allen Teilen der Welt und spiegeln so auch das multikulturelle Brüssel wider. Das BBP ist aber auch die erste Brauerei, die seit über einem halben Jahrhundert auf dem Gebiet der Stadt Brüssel wieder Lambic herstellt, das traditionelle belgische „Dansaert“-Bier.
2019 eröffnete im Brüsseler Stadtzentrum die Brasserie Surréaliste: Eine Mikrobrauerei, die eine Auswahl an Bieren herstellt, darunter ihr “Surréaliste”. In einem barocken Saal kann man Verkostungen buchen und die optimale Kombination von Speisen und Bier kennenlernen. „Es gibt eine immer größere Begeisterung für Mikro-Brauereien. Der Trend geht zum lokalen Konsum, handwerkliche Methoden sind in Mode. Die Menschen wollen heute sehen, aus welchem Garten ihr Gemüse kommt oder von welchem Brauer ihr Bier“, erklärt Charles Grison, Mitbegründer der Brasserie.
Auch der typische Bierkonsument hat sich verändert: Grison und auch Sebastien Morvan sehen einen Trend hin zu einem jüngeren und diverseren Publikum. Im Brussels Beer Project tummeln sich Junge und Alte, 25-jährige Hipster wie Großeltern und auch immer mehr Frauen. Der typische Craft-Beer-Trinker ist laut Grison zwar um die 30 und männlich. Aber: „Im Vergleich zu klassischen Bieren verkaufen wir fruchtige Biere mit guten Zutaten, und diese ziehen immer mehr Mädchen an.“
Ein heißer bzw. eher kühler Tipp für Bierliebhaber ist auch der Veranstaltungs- und Gastrokomplex Tour et Taxis. In dessen Umgebung haben sich gleich mehrere Brasserien niedergelassen: Ein Brauerei-Flaggschiff der Hauptstadt ist En Stoemelings, was im Brüsseler Dialekt „im Stillen“ bedeutet. En Stoemelings wurde im Stadtviertel Marolles gegründet und liegt nun bei T&T. Die Biere mit Namen wie Curieuse, Tanteke oder Vogelpik sind eine Hommage an die Brüsseler Region und ihre Traditionen. Die Mikrobrauerei La Source bietet eine Reihe sehr origineller Produkte an, die vom Fass, aus der Dose oder zum Probieren vor Ort serviert werden. Das Angebot ist saisonabhängig; es werden jeweils rund 20 Biere aus Zapfhähnen angeboten. Die Brasserie de la Senne ist spezialisiert auf bitteres Bier. Die hopfenreichen Getränke mit klingenden Namen wie Stouterik, Zinnebir oder Jambe de Bois werden ausschließlich aus Bio-Produkten gebraut.
Aber nicht nur in Brüssel gibt es erfolgreiche, innovative Brauereien: In dem kleinen Dorf Péruwelz unweit der französischen Grenze gibt die Brauereifamilie Caulier ihr Handwerk seit 1933 von Generation zu Generation weiter. 2022 hat die Brauerei Caulier bereits 10 Medaillen bei internationalen Wettbewerben gewonnen, darunter bei der renommierten European Beer Challenge in London. „Belgien ist sehr bekannt für die Qualität und die Vielfalt der hier hergestellten Biere und für die Braukultur in der Bevölkerung“, sagt Geschäftsführer Vincent Caulier. Es sei daher nicht verwunderlich, dass die „Bierkultur in Belgien“ zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO zählt.
„Als Brauerei versuchen wir nicht, uns besonders hervorzuheben, sondern gute, authentische Biere zu brauen. Es ist unsere Leidenschaft für Bier, die unseren Erfolg ausmacht“, betont Caulier. Wichtig ist auch der lokale Bezug: Die Zutaten stammen aus der Region, und 99% der von der Brauerei Caulier hergestellten Biere werden in Belgien, Frankreich und den Niederlanden getrunken. Seit 2012 und 2017 gibt es zusätzlich zum traditionellen Bon Secours zwei neue Biere: Paix Dieu und Stuut. Alle Biere werden handwerklich nach einer einzigartigen Methode im selben Brauhaus gebraut. Durch die direkte Flaschengärung sind die Biere „lebendig“. Und wie der Bierbrauer richtig sagt: „Ein gutes, kühles belgisches Bier passt zu jeder Gelegenheit.“
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