Von Rainer Lütkehus.
Im Land der Lohnindexierung und der zweithöchsten Mindestlöhne in der EU legen die Arbeitnehmer am heutigen Mittwoch für 24 Stunden die Arbeit nieder. Fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens kommen zum Erliegen. Dabei richtet sich der Streik in erster Linie gegen die privaten Arbeitgeber, denen Sturheit bei den derzeitigen Mantel-Tarifverhandlungen für 2019-2020 vorgeworfen wird. Weil die Arbeitnehmer des öffentlichen Sektors aus Solidarität mitstreiken, fallen Züge und Flüge aus. Brussels Airlines sagte alle Flüge ab. Zu dem Generalstreik hatten die drei Gewerkschaften CSC, FGTB und CGLSB aufgerufen, weil die privaten Arbeitgeber nur 0,8 Prozent Lohnerhöhung und nicht 1,5 Prozent, wie erstere fordern, zugestehen wollen.
Das Königreich, wo die Löhne und Gehälter durch Indexierung vor Geldentwertung geschützt sind, hat aber ein Gesetz, dass seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber seinen Haupthandelspartnern, Frankreich, die Niederlande und Deutschland, bewahren soll. Dieses als „Lohnnorm“ bezeichnete Gesetz aus dem Jahre 1996 schreibt vor, dass die Löhne in Belgien nicht schneller steigen dürfen als in diesen Ländern. Zuständig für die Berechnung ist der zentrale Wirtschaftsrat und der hatte eine maximal mögliche Erhöhung von 0,8 Prozent errechnet. Die Gewerkschaften bezweifeln die Berechnungsmethode und halten das Gesetz überhaupt für zu starr. So seien Lohnsubventionen und Kürzungen der den Unternehmen gewährten Sozialversicherungsbeiträge nicht berücksichtigt worden. Die Gewerkschaften fordern eine Reform des Gesetzes. Das dürfte die geschäftsführende Regierung, die bis zu Föderalwahlen im Mai im Amt ist, aber nicht in Angriff nehmen.
In Deutschland sind solche Generalstreiks übrigens nicht vom Streikrecht gedeckt. Oder es ergeben sich Schadensersatzansprüche der Arbeitgeber gegen aufrufende Gewerkschaften. Noch haben die „Gelbwesten“ in Belgien den Gewerkschaften nicht den Rang abgelaufen, wie in Frankreich.
Bemerkenswert ist, dass Belgien laut der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) seit Jahren Weltspitze bei Steuern und Lohnnebenkosten ist. Wer im Königreich arbeitet oder arbeiten lässt, kommt auf seine Kosten.
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