
Im Jahr 2030 stellt Belgien eine der beiden Kulturhauptstädte Europas. Ursprünglich hatten sich Brügge, Gent, Kortrijk, Löwen, Molenbeek und Namur um den Titel beworben. Brügge, Gent und Kortrijk sind bereits in der ersten Auswahlrunde ausgeschieden. In dieser Woche fand die zweite und letzte Auswahlrunde der internationalen Jury statt. Am 18. September war die Jury in Molenbeek, um sich erneut ein Bild von der Brüsseler Gemeinde zu machen.
Nach einer Tour in Rikschas wurde die Jury von zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern Molenbeeks im Innenhof einer alten im Jahr 1930 erbauten Tabakfabrik an Rue Gabrielle Petit/ Gabrielle Petitstraat empnfangen , in der heute kleine Unternehmen und soziale Initiativen beheimatet sind.
Zunächst gab es einen artistischen Auftritt zweier junger Athleten. Danach folgte eine furiose Darstellung des „Faso Dance Theatre“, das ebenfalls in der alten Tabakfabrik residiert. Anschließend wurde die Jury eingeladen, mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen.
Ob Molenbeek die Jury überzeugen konnte, wird sich erst am 24. September zeigen. Dann will sie ihre Entscheidung über die belgische Kulturhauptstadt 2030 – Löwen, Namur oder Molenbeek – bekanntgeben.
Die Bewerbung Molenbeeks erfolgt unter dem Titel „Sadaka”. Wie das Brüsseler Portal BRUZZ schreibt, kommt das Wort sowohl im Hebräischen als auch in Swahili, Hindi sowie Urdu vor und umschreibt Mehrsprachigkeit und Vielfalt. Die sind in Molenbeek ohne Zweifel vorhanden.
Das künstlerische Programm setzt auf Tanz, Zirkus und Musik als Ausdrucksformen, die Sprachbarrieren überwinden können. Der Schwerpunkt der Kandidatur liegt auf Zugänglichkeit und dem Zusammenbringen der Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen. Das geschieht in Molenbeek bereits in Form der bestehende Paraden wie dem Ommegang, der Pride-Parade und dem Zinneke-Fest, aber auch durch neue Initiativen wie den transnationalen europäischen Karneval oder das Straßenbankett mit 1.500 Stühlen während des Molenfests.
In der ersten Auswahlrunde im Jahr 2024 soll sich die Jury, wie BRUZZ berichtete, von der Art und Weise, wie Molenbeek Kulturen und Gemeinschaften ohne gemeinsame Geschichte miteinander verbinden und stärken will, beeindruckt gezeigt haben.
Die Jury soll demnach allerdings auch bemängelt haben, dass es zu wenig Indoor-Infrastruktur für Großveranstaltungen gebe. Molenbeek will nun leerstehende Gebäude wie die Saint-Rémi-Kirche oder das Imelda-Institut zu Veranstaltungsorten umfunktionieren. Darüber hinaus soll die “Grande Halle”/„Grote Hal“ im Heyvaert-Viertel erweitert und das Kulturzentrum “Maison des Cultures/”Huis van Culuren”” um einen zusätzlichen Flügel ergänzt werden. Auch die Natur soll nicht nicht zu kurz kommen, denn es gibt Pläne, den Fluss Zenne sowie den Bach Molenbeek wieder freizulegen.
Formal kann nur eine belgische Kommune 2030 den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt zugesprochen bekommen. Molenbeek versteht seine Bewerbung daher stellvertretend für alle Brüsseler Gemeinden. Die anderen achtzehn Brüsseler Gemeinden sollen für den Fall, dass Molenbeek die Auszeichnung erhält, jeweils für vierzehn Tage den Vorsitz des Kulturhauptstadtprojekts übernehmen. Deshalb hat sich die Gemeinde unter dem Slogan „Molenbeek for Brussels” für das Projekt beworben. Das erinnert an die “Kulturmetropole Ruhr 2010”. Damals hatte sich die Ruhrgebietsstadt Essen erfolgreich um den Titel der Kulturhauptstadt Europas beworben und die anderen 52 Mitgliedsstädte des Regionalverbandes Ruhr in das Programm einbezogen. Jede der Städte hatte damals jeweils für eine Woche einen besonderen programmatischen Schwerpunkt gesetzt.
Die Idee der Europäischen Kulturhauptstadt geht auf die griechische Sängerin, Schauspielerin und ehemalige Kulturministerin Melina Mercouri (1920 – 1994) zurück. Ziel ihrer Idee war und ist es dazu beizutragen, den Reichtum, die Vielfalt und die Gemeinsamkeiten des kulturellen Erbes in Europa herauszustellen und ein besseres Verständnis der Bürgerinnen und Bürger Europas füreinander zu fördern. Seit 1985 wird der Titel für jeweils ein Jahr an eine europäische Stadt verliehen und seit 2004, dem Jahr der Osterweiterung der EU, wird er mindestens an zwei Städte verliehen, so dass jeweils eine west- und eine mittel- bzw. osteuropäische Stadt bedacht werden. Mit Antwerpen (1993), Brügge (2002) sowie Mons (2015) wurden bisher drei belgische Städte mit dem Titel Europäische Kulturhauptstadt ausgezeichnet.
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Fotos: Jürgen Klute







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