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Palast der Seidenstraßen

Der Chinesische Pavillon im königlichen Schlossgarten im Brüsseler Stadtteil Laeken erwacht aus einem Dornröschenschlaf

Von Jürgen Klute

Seit über zehn Jahren döst der Chinesische Pavillon im königlichen Schlossgarten in Laeken leer und ungenutzt in einer Art Dornröschenschlaf vor sich hin und droht zu verfallen. Bis 2013 nutzten die Königlichen Museen für Kunst und Geschichte den Pavillon, um dort einen Teil der fernöstlichen Sammlungen unterzubringen und der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Obgleich das historische Gebäude Anfang der 1990er Jahre renoviert wurde, wurde es 2013 aus sicherheitstechnischen Gründen geschlossen – bis heute. Doch das soll sich nun ändern. Mitte Mai 2024 wurde eigens ein Verein gegründet, um das Gelände des “Palastes der Seidenstraßen” in Laeken, das den Kiosk, die Stallungen und den Chinesischen Pavillon selbst umfasst, zu renovieren, zu erhalten und zukünftig einer neuen Nutzung zuführen.

Treibende Kraft hinter dem Projekt ist Diane Hennebert, die auch dem Vorstand des neugegründeten Vereins angehört. Bei ihr dürfte das Projekt in guten Händen sein, denn mit der Renovierung bedeutender Brüsseler Orte hat sie Erfahrungen. So ist es dem Engagement von Diane Hennebert zu verdanken, dass sowohl das Atomium als auch der Place Flagey renoviert und erhalten wurden.

Unterstützung erfährt die Initiative von Staatssekretär Mathieu Michel, dem Bruder des früheren belgischen Premierministers und derzeitigen Präsidenten des Europäischen Rates. Michel ist unter anderem für die Pflege erhaltenswerter Gebäude (Régie des Bâtiments) in Belgien zuständig. Am 18. Juni hat er zu einer Pressekonferenz im Chinesischen Pavillon eingeladen, auf der Diane Hennebert die Pläne für die zukünftige Nutzung vorgestellt hat.

Den immerhin als Denkmal geschützten Chinesischen Pavillon nicht erneut einer sinnvollen Nutzung zuzuführen, das hält Diane Hennebert für inakzeptabel. Das Projekt diene dem Ziel, diesen Teil des Brüsseler Kulturerbes langfristig zu erhalten und den Chinesischen Pavillon unter dem neuen Namen Palast der Seidenstraßen mit neuem Leben zu füllen.

Hennebert denkt dabei an die Gründung einer Institution, in der belgische und asiatische Vertreter von Unternehmen und Institutionen, die das Projekt unterstützen, vertreten sind. Der Ehrenvorsitz dieser Vereinigung könnte einem Mitglied der königlichen Familie anvertraut werden.

Diane Hennebert | Foto: J. Klute

Die Institution soll zunächst für die Restaurierung des Gebäudes sorgen und für eine zeitgemäße Ausstattung, so dass der Pavillon zukünftig sowohl für Ausstellungen und kulturelle Aktivitäten als auch für Konferenzen und für touristische Zwecke genutzt werden kann – immerhin befinden sich die königlichen Gewächshäuser und das Atomium in direkter Nachbarschaft. Renovierung und Wiederbelebung des Pavillons sollen in enger Absprache mit der Königlichen Kommission für Denkmäler und Stätten und in Zusammenarbeit mit den Königlichen Museen für Kunst und Geschichte erfolgen.

Nach den Vorstellungen Henneberts soll das Thema Seidenstraßen eine zentrale Inhaltlich Rolle spielen. Sie erinnerte daran, dass Seidenstraßen seit der Antike den Handel zwischen Ost und West geprägt haben. Inspiriert sei dieses Projekt von der Bedeutung des Orients im 21. Jahrhundert für Handel, Wirtschaft, Tourismus und schließlich auch für den Frieden. Mit dem Chinesischen Pavillon verfüge Brüssel als belgische und europäische Hauptstadt über einen außergewöhnlichen Ort. Dieser Ort sei von Anfang an ein Symbol für den belgisch-chinesischen Handel und die Beziehungen gewesen. Daher sei dies ein idealer Ort, um hier Aktivitäten zu entwickeln, die sowohl die ursprünglichen Ziele als auch die aktuellen Gegebenheiten widerspiegeln.

Auch Staatssekretär Michel misst dem Seidenstraßenpalast für die Zukunft eine hohe Bedeutung zu als Symbol für gute politische Beziehungen zwischen Orient und Okzident. Daher sei auch das belgische Außenministerium an dem Projekt interessiert, betonte Michel.

Diane Henneberts Ziel ist es, die Renovierung bis 2027 abzuschießen und dann den Seidenstraßenpalast seiner neuen Nutzung zuführen zu können.

Erste Schritte wurden bereits getan. 2015 initiierte Hennebert mit Unterstützung der EU den Verein “Out of the Box” für kreative Bildung, der Schulabbrecher zwischen 15 und 19 Jahren unterstützt (www.ofthebox.be). An diesem Projekt beteiligte Jugendliche haben den Pavillon gesäubert und für die Pressekonferenz hergerichtet.

Für die weiteren Arbeiten setzt sie jedoch auf finanzielle Unterstützung von Sponsoren sowohl aus Belgien als auch aus Asien, vor allem aus China. Entsprechende erste Kontakte wurden bereits geknüpft. Näheres, so war zu hören, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Der Chinesische Pavillon blickt auf eine beachtliche Geschichte zurück. Entworfen hat ihn der französische Architekt Alexandre Marcel für die Weltausstellung in Paris im Jahr 1900. Auf Initiative von König Leopold II. wurde der Chinesische Pavillon zwischen 1901 und 1909 zusammen mit dem Japanischen Turm im königlichen Park in Laeken errichtet. Die beiden Gebäude sollten die guten Beziehungen zwischen Belgien, China und Japan bezeugen.

Der Pavillon, der mit aufwendigen Schnitzereien und traditionellen südchinesischen Elementen verziert ist, wurde in Shanghai hergestellt und in Brüssel montiert.

Der 1913 eingeweihte Pavillon war ursprünglich als Restaurant gedacht, diente aber nie diesem Zweck. Während des Ersten Weltkrieges in den Jahren 1914 bis 1918 war der Pavillon geschlossen. Danach wurde er zusammen mit dem benachbarten Japanischen Turm an die Abteilung Wissenschaft und Kunst der Königlichen Museen für Kunst und Geschichte übergeben. Statt eines Restaurants wurde der Pavillon somit zu einem ständigen Ausstellungszentrum, in dem die belgischen Handels- und Kulturbeziehungen mit dem Fernen Osten präsentiert wurden – einschließlich einer umfänglichen Porzellansammlung, die 1946 dem belgischen Staat übereignet wurde.

Der  Chinesische Pavillon gilt als repräsentativ für die in Europa Ende des 19. Jahrhunderts weit verbreitete Mode der “Chinoiserien” und “Follies“. In Europa gibt es keine vergleichbaren Zeugnisse chinesischer Kultur. Zudem sind die geschnitzten Holzarbeiten im Chinesischen Pavillon zu einem sehr seltenen Kulturerbe geworden, da vergleichbare Gebäude heute auch in China rar geworden sind.


Fotogallerie

Fotos: Jürgen Klute

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