Von Rainer Lütkehus.
Auch in Belgien steigen seit einigen Monaten die Preise für Gas und Strom kontinuierlich an. Die dürren Zahlen des belgischen Statistikamts Statbel haben es in sich: Erdgas in Belgien ist im September 49 Prozent und Strom um 17 Prozent teurer als im Vorjahresmonat. Als Gründe werden die Erholung der Weltwirtschaft und damit mehr Energienachfrage, halb gefüllte Erdgasspeicher, Spekulation an den Energie- und Treibhausgasbörsen und anderes angeführt. Genau, weiß man es jedoch nicht.
Das verheißt nichts Gutes für die Verbraucherinnen und Verbraucher kommenden Winter. Der niederländische TTF-Future, ein Referenzpreis für Erdgas liegt für die Monate November bis März bei über 100 Euro pro Megawattstunde fünfmal höher als im selben Zeitraum des letzten Jahres. Angesichts der Situation prüft die belgische Regierung die Möglichkeit einer Abschöpfung der Gewinne der belgischen Kraftwerksbetreiber. Denn die erwirtschaften zurzeit wegen der hohen Preise an den Strombörsen unerwartete Zufallsgewinne. Mit den Einnahmen könnten Sozialtarife finanziert und oder die Mehrwertsteuer auf Strom von 21 Prozent auf sechs Prozent gesenkt werden. Die Maßnahme zielt vor allem auf den belgischen Atomraftwerksbetreiber Engie-Electrabel ab, bei dem Profite in Millionenhöhe anfallen.
Die Energieministerin Tinne Van der Straeten will vom belgischen Regulator Creg prüfen lassen, ob das rechtlich möglich ist: „Ich habe die Creg aufgefordert, etwaige Mehrgewinne der Kernreaktoren einer objektiven Beurteilung zu unterziehen, aber auch die der Windkraftanlagen“, sagte sie in einem Interview mit der Zeitung „Le Soir“.
Das Problem ist, dass die Vorgängerregierung 2015 mit Engie-Electrabel einen langfristigen Liefervertrag abgeschlossen hatte. In diesem Vertrag steht eine Klausel, die besagt, dass die Besteuerung von Überschussgewinnen nicht mehr geändert werden kann. Die aber dürften rasant steigen. Denn nur für 57 Prozent der vertraglichen Liefermengen des bis 2022 verkauften Stroms gelten niedrige Preise, die aus der Zeit vor dem aktuellen Preisanstieg stammen. „Ein Vertrag ist niemals unanfechtbar“, so die grüne Politikerin und Juristin Van der Straeten. Es hilft auch nicht, dass erst Ende Oktober feststeht, ob eine Laufzeitverlängerung der beiden Atommeiler zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit nötig ist. Denn dann erst ist klar, ob die vom Übertragungsnetzbetreiber Elia organisierte Auktion subventionierter neuer Erzeugungskapazitäten ausreichend Alternativen generiert. Für den gänzlichen Atomausstieg Belgiens 2025 wären Ersatzkapazitäten in Höhe 2300 MW in Form von Gaskraftwerken erforderlich.
Vier Unternehmen gaben an, dass sie an der Auktion teilgenommen haben: Der niederländische Energieversorger Eneco für 840 MW, der belgische Chemiekonzern Tessenderlo für 900 MW, der zu EDF gehörende Energieversorger Luminus für 870 MW und Engie-Electrabel für zwei Gaskraftwerke mit einer Leistung von jeweils 875 MW.
Foto: Sandra Parthie
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