Von Michael Stabenow.
Sind Sie schon einmal auf ein unbebautes Grundstück geraten, zum Beispiel auf der Suche nach dem ausgebüxten Haustier oder haben einen Fußball versehentlich von einem Bolzplatz aus in einen benachbarten Garten gekickt? Dann, aber nicht nur dann, betreffen die Anfang September in Kraft tretenden Anpassungen des belgischen Eigentumsrechts auch Sie.
Hauptziel der Überarbeitung des aus dem Jahr 1804, als das heutige Belgien zu Frankreich gehörte, stammenden Zivilrechts ist es, die Stellung von Eigentümern von Gegenständen oder Haustieren zu stärken. Die meisten Zeitgenossen und Zeitgenossinnen verweigern auch jetzt nicht den Zutritt, sollte ein Ball mehr oder weniger versehentlich über die Hecke geflogen sein. Und dass ein erboster Grundstückseigentümer einen bei ihm gelandeten Vierbeiner nicht herausrücken will, ist – zumindest „Belgieninfo“ – nicht überliefert.
Der belgische Gesetzgeber sorgt jetzt dennoch für solcherlei Streitfälle vor. Wie der auf Eigentumsrecht spezialisierte Löwener Hochschullehrer Vincent Sagaert den Zeitungen der „Mediahuis“-Gruppe und dem Rundfunksender VRT erläuterte, sind dem Zutrittsrecht auf Nachbars Grundstück auch weiter Grenzen gesetzt. „Man muss zunächst bei den Nachbarn läuten. Aber wenn sie sich weigern oder nicht zuhause sind, darf man grundsätzlich doch den Garten betreten. Wohlgemerkt nur um Ihren Ball oder Ihr Tier zu holen, nicht aber um andere Dinge mitgehen zu lassen, denn dann nennt man so etwas Diebstahl“, sagte Sagaert.
Erweitert werden wird Anfang September das Recht, auf Nachbars Grundstück Gerüste aufzustellen, wenn am eigenen Haus Umbauarbeiten vorgesehen sind. Bisher war dies auf Instandhaltungsarbeiten beschränkt. Zum Schneiden der eigenen Hecke dufte man sich aber auch bisher schon nach nebenan begeben.
Eine weitere interessante Neuerung betrifft nicht genutzte Privatgrundstücke – im französischsprachigen Volksmund gerne als „terrains vagues“ bezeichnet. Sie dürfen dann betreten werden, wenn sie nicht eingezäunt sind oder Verbotsschilder den Zugang nicht explizit untersagen. Ob solcherlei Anweisungen im Königreich der Flamen und Wallonen genauso eifrig befolgt werden, wie die auf Wanderwegen angebrachte und häufig ignorierte Erinnerung, Hunde stets an der Leine zu führen?
„Grundsätzlich“ so der Löwener Jurist Sagaert, gelte das Recht, auf Nachbars Grundstück sein lebendiges oder sachliches Eigentum zurückzuholen. Doch warnte seine Lütticher Kollegin Pascale Lecocq im Rundfunksender RTBF davor, sich über die Weigerung eines Nachbarn, das Grundstück zu betreten, einfach hinwegzusetzen. In solchen Fällen besser „die Polizei hinzubitten oder einen Richter anrufen, der Ihr Recht bestätigen und letztlich den Nachbarn dazu verurteilen wird, den Gegenstand oder das Tier herauszugeben“, sagte Lecocq.
Friedensrichter Eric Dierickx aus Zaventem riet in der VRT freilich dazu, es nicht so weit kommen zu lassen. „Prozessieren, Streit vom Zaun brechen, das gibt viel böses Blut. Es kostet auch viel Geld, das man für andere Zwecke verwenden kann“, sagte Dierickx.
Foto: Michael Stabenow
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