Von Franziska Annerl.
Die gesamte Wirtschaft ist schwer von der Coronakrise getroffen. Die meisten Geschäfte dürfen auch im zweiten Lockdown keine Kunden empfangen. Doch, es gibt ein Schlupfloch: Anders als im Frühling können Waren online oder telefonisch bestellt und dann am Eingang des Geschäfts abgeholt oder nach Hause geliefert werden (Click & Go). Gerade in der Vorweihnachtszeit, in der viele einen Großteil ihres jährlichen Umsatzes machen, könnte dies einige kleinere, regionale Unternehmen vor dem Konkurs retten. Dafür braucht es aber auch Kunden, die bei ihnen bestellen und damit gezielt belgische Händler und Produzenten unterstützen.
Die Stadt Brüssel startet mit den BXL-Geschenkgutscheinen (BXL-boncadeaux) eine Initiative, um den Einzelhändlern zu helfen: Für jeden Kauf von 25 Euro erhalten sie von der Stadt zusätzliche 5 Euro überwiesen. Dazu muss sich der Händler nur auf der Website www.commercelocal.brussels unter BXL-boncadeaux registrieren. Kunden können ab 1. Dezember Gutscheine für die eingetragenen Läden kaufen. „Wir wollen vor allem den lokalen Einkauf unterstützen und konkret etwas gegen die Verlagerung von Einkäufen ins Internet tun. Wir laden alle Ladenbesitzer ein, sich an der Aktion zu beteiligen“, erklärt Fabian Maingain, Stadtrat für Wirtschaftsangelegenheiten der Stadt Brüssel. Die Gutscheine seien auch eine Möglichkeit, den Kunden für ihre Solidarität zu danken oder sie zum Entdecken einzuladen.
Unterstützung für Geschäfte
„Fast alle unserer Unternehmen bieten nun im zweiten Lockdown „Click & Go“ an. Leider funktioniert das für unsere Waren – außer Restaurants – sehr schlecht“, sagt Sophie Helsmoortel, Präsidentin von Brussels Exclusive Labels (BEL). BEL ist ein Netzwerk von derzeit 56 Geschäften und Restaurants in Brüssel, die Qualität, handwerkliches Know-How und Expertise großschreiben. „In den BEL-Häusern sind Beratung und Service der Mehrwert, der im Vergleich zum Internet für ein völlig anderes Einkaufserlebnis und -vergnügen sorgt“, so Helsmoortel, die selbst Eigentümerin des Geschäfts „Cachemire Coton et Soie“ ist. Social Media-Kampagnen mit den Hashtags #BUYLOCAL #ENCOURAGESMALLBUSINESS #DISCOVERSAVOIR-FAIRE sollen die Kunden nun überzeugen, mehr regional und nicht bei großen Internetketten zu bestellen. „Wir sagen gerne, der Staat muss dies und das tun. Aber das stärkste Element ist der Konsument selbst. Es ist der Kunde, der entscheidet, wo und was er kauft.“
„Kaufen Sie lokal, unterstützen Sie den lokalen Handel“, appelliert auch Marc Filipson, Geschäftsführer der Buchgeschäfte Librairie Filigranes. Mitte März hat Filigranes einige Monate früher als geplant begonnen, seine Bücher auch im Internet zu vertreiben. „Wir haben mit 1000 Werken im Online-Angebot begonnen, jetzt sind es 2,5 Millionen.“ Im zweiten Lockdown dürfen in Belgien die Buchläden ihre Kunden wieder im Laden empfangen, denn: „Bücher zählen zu den essentiellen Waren“, betont Filipson. „Ich habe mich dafür eingesetzt, dass das so ist.“
Bier-Patriotismus
Will man belgische Händler und Produkte unterstützen, kommt man natürlich am Nationalgetränk nicht vorbei: Ziel des Brussels Beer Project ist seit 2013, belgische Biere und Brauereien besonders zu fördern. Da Bier in Belgien zu den essentiellen, lebenswichtigen Produkten zählt, ist der erste Shop des BBP in der Brüsseler Einkaufsstraße Dansaert weiter geöffnet. Neben lokalen Bierspezialitäten stehen zwar auch zahlreiche internationale Biere auf der Getränkekarte. Jetzt im Lockdown läuft jedoch mit Erfolg die Merchandising-Kampagne „support your local breweries“, wo man z.B. T-Shirts seiner lokalen Lieblingsbrauerei erwerben kann. E-Apero-Packs werden zum Corona-sicheren virtuellen Anstoßen nach Hause geliefert.
Weihnachtsdeko
Da die Weihnachtsmärkte diesen Winter auch der Coronakrise zum Opfer fallen, muss man sich die Weihnachtsstimmung nach Hause holen. Im Moment kann man leider nicht persönlich durch die vielen Antiquitäten- und Krimskramsläden der Rue Haute im Brüsseler Stadtzentrum streifen. Virtuell geht das aber in einigen der Läden noch, und wer Weihnachtsdekoration sucht, wird beim Familienbetrieb New De Wolf sicher fündig. Das Einkaufserlebnis ist zwar nicht ganz dasselbe, als wenn man durch den großen, weihnachtlich geschmückten Laden schlendert: „Wir haben in vier Tagen mit meinen Kindern zusammen die Website auf die Beine gestellt. Wir haben 1600 Bilder von Weihnachtskugeln gemacht“, erzählt der Besitzer Philippe De Wolf per Telefon. Das auf Weihnachtsdeko spezialisierte Geschäft macht die Hälfte des Jahresumsatzes im November und Dezember: „Derzeit sind wir bei 10% unseres normalen Umsatzes. Die Kunden halten uns die Treue und kommen, aber es ist schwierig, wenn sie an der Tür stehen bleiben und beschreiben müssen, wie die Christbaumkugel aussehen soll.“ De Wolf wird am Projekt BXL-boncadeaux teilnehmen und hält es für gut gemeint. Er befürchtet aber, es sei nicht genug, um den vielen Brüsseler Händlern, die unter der Krise schwer zu leiden haben, zu helfen: „Auch wenn der Lockdown im Dezember zu Ende ist, werden wir unsere Verluste nicht mehr wettmachen können.“
Fotos: @BEL, @New De Wolf
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