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Van Eyck – Burgundisches Farbenspiel

Von Michael Stabenow.

Die Genter Ausstellung „Van Eyck – eine optische Revolution“ lockt mit faszinierenden Kunstwerken – nicht nur des  Begründers der altniederländischen Malerei. 

Wer dieser Tage in der Genter St.-Bavo-Kathedrale das restaurierte Altarbildensemble „Die Anbetung des Lamm Gottes“ der Brüder Van Eyck bewundern will, wird den einen oder anderen Teil des im Mai 1432 offiziell fertiggestellten Werks vermissen. Fündig wird man bei der Suche nach den übrigen Stücken des berühmten Genter Altars im Museum für Schöne Künste (MSK). Zu besichtigen ist dort seit Anfang Februar und bis Ende April die Ausstellung „Van Eyck. Eine optische Revolution“.

Von den weltweit nur noch rund 20 erhaltenen Gemälden Jan Van Eycks (1390-1441), des Begründers der naturalistischen alt-niederländischen Malerei, sind im Museum derzeit 13 zu bestaunen. Besonders viele neugierige Blicke ziehen die in ein rötliches Dekor getauchten Außenflügel des Genter Altars auf sich. Das verleiht der fotografisch wirkenden Darstellung von Adam und Eva, des ersten nördlich der Alpen überlieferten Aktgemäldes, einen besonderen Effekt.

Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen aber auch das gewöhnlich im Antwerpener Museum der Schönen Künste ausgestellte farbenfrohe Gemälde „Madonna am Brunnen“ sowie ein gleichnamiges, aus einer New Yorker Privatsammlung stammendes Exponat. Die Washingtoner National Gallery of Art hat das „Verkündigung des Herrn“ genannte Bild des Künstlers zur Verfügung gestellt. Es zeigt Erzengel Gabriel und Maria in harmonischer Eintracht im Dekor eines minutiös dargestellten Innenraums einer zeitgenössischen gotischen Kirche. Weitere Blickfänge sind das aus der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin entliehene Porträt des Genter Edelmannes Baudouin de Lannoye sowie das im Brukenthal-Nationalmuseum im rumänischen Hermannstadt (Sibiu) beheimatete und ebenfalls in der damals modernen Dreiviertelperspektive gemalte, lebensecht wirkende „Bildnis eines Mannes mit blauem Chaperon“.

Mit einem, empfehlenswerten, Audioguide-Führer ausgerüstet, kann sich der Besucher auf eine zweistündige Erkundungsreise durch die Geschichte der burgundischen Niederlande machen. Die damalige wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit im nördlichen Teil des Herzogtums Burgund bot einen exzellenten schöpferischen Nährboden für Van Eyck und viele seiner Nachfolge. Städte wie Brügge und Gent erfreuten sich nicht nur großen Wohlstands, sondern auch des kulturellen Austausches mit anderen Teilen Europas, besonders dem Italien der Frührenaissance.Der Hang des von 1419 bis 1467 regierenden Herzogs Philipp den Guten zu prachtvollen Inszenierungen färbte damals auch auf Mitglieder des Klerus und des aufstrebenden flämischen Bürgertums ab. Dies wirkte durchaus inspirierend auf Van Eyck, den Philipp der Gute im Jahr 1425 zum Hofmaler berief. Ein berühmtes, aus der Schule des Malers Rogier van der Weyden stammendes, Porträt des Fürsten ist derzeit im Genter Museum zu sehen.  Die Ausstellung veranschaulicht, wie Van Eyck Eindrücke und Erfahrungen dazu nutzte, seinen neuartigen Malstil zu entwickeln. Ein bis zu diesem Zeitpunkt unbekanntes Zusammenspiel von Farben und Licht ermöglichte realistische und räumlich wirkende Darstellungen von Personen und ihrer Umgebung. Anhand von Gemälden zeitgenössischer italienischer Maler wie Stefano di Giovanni oder Fra Angelico, dessen neuartige räumliche Darstellungsweise sich mehr aus einer mathematischen Logik erschloss, wird veranschaulicht, wie sich die handwerkliche Herangehensweise nördlich und südlich der Alpen unterschied.

Insgesamt sind rund einhundert Exponate in der Ausstellung zu sehen. Darunter befindet sich eine Reihe von Kopien von Originalbildern Van Eycks, die zumeist im 16. Jahrhundert stammen. Besonders beeindruckend ist eine durch den flämischen Maler Michiel Coxcie angefertigte Kopie des Genter Altars. Wieviele Gemälde Van Eyck tatsächlich angefertigt hat, bleibt ein Rätsel. Überliefert ist, dass zahlreiche Porträts einer Feuersbrunst im 18. Jahrhundert im Brüsseler Coudenberg-Palast zum Opfer fielen.

Der Genter Altar ist eines der großartigsten Werke Van Eycks. Es war eine Auftragsarbeit für den Genter Edelmann und Bürgermeister Joos Vijd im Jahr 1420. Deshalb steht 600 Jahre später das laufende Jahr nicht nur in Gent unter dem Motto „Van Eyck 2020“.

Dass der Genter Altar schon vor einem halben Jahrtausend Besucher aus nah und fern fasziniert haben muss, veranschaulicht ein in der Ausstellung zu sehendes Gemälde aus dem 19. Jahrhundert. Es zeigt den berühmten deutschen Maler Albrecht Dürer vor dem Hauptwerk Van Eycks in der St-Bavo-Kathedrale im Jahr 1521. Dürer soll anschließend, offenbar sichtlich beeindruckt, seinem Reisebuch anvertraut haben: „Das ist eine überköstlich, hochverständig Gemäl.“

 

 

Praktische Hinweise:

Die Ausstellung „Van Eyck. Eine optische Revolution“ läuft noch bis Ende April im „Museum voor Schone Kunsten Gent“ (MSK), Fernand Scribbedreef 1, 9000 Gent.

Öffnungszeiten von Montag bis Sonntag von 9.30 bis 19.00 Uhr, montags, freitags und sonntags bis 23 Uhr.

Eintrittspreis für Erwachsene 25 Euro – Vorabanmeldung und Buchung entweder über das Internet (www.vaneyck2020.be) oder, wenn ein Besuch am selben Tag vorgesehen ist, direkt in dem in der Innenstadt gelegenen Stadswinkel Gent, Botermarkt 17A.

Vorsicht: Die Buchung über Internet kann sich als tückisch erwiesen, da zuletzt Zahlungen mit Kredit- oder klassischer Bankkarte nicht immer erfolgreich abgeschlossen werden konnten.  In diesem Fall empfiehlt sich ein Anruf beim Stadswinkel (Tel. 09-2667040). Dort erhält man Information darüber, ob genügend Eintrittskarten für den betreffenden Tag verfügbar sind und sich eine kurzfristige Anreise lohnt.

 

Bild 1

Jan Van Eyck, Bildnis eines Mannes mit blauem Chaperon, ca. 1428-1430, Brukenthal-Nationalmuseum, Hermannstadt (Sibiu), Rumänien

Bild 2
Bildnis Evas, Seitenflügel des Genter Altars, Museum für Schöne Künste (MSK), Gent, David Levene (Foto)

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