Kultur

Photographie – eine Waffe im Klassenkampf und Sandrine Lopez geniale Ursprungsbilder

Von Margaretha Mazura. 

Mit über 6000m2 Räumlichkeiten, einer Sammlung von 80.000 Fotographien und 3 Millionen Negativen ist das Museum der Fotografie in Charleroi eines der wichtigsten Museen Europas seiner Art – und ausser unter Fotofreaks kaum bekannt.

In diesem Herbst wartet das Museum mit einer besonders spannenden Ausstellung auf: “Photographie, Arme de classe”. Sie zeigt Dokumentarfotografie in der Zeit zwischen 1928 und 1936 in Frankreich und Belgien, von der Oktoberrevolution bis zu antifaschistischen Kundgebungen in der Zwischenkriegszeit.

Revolutionäre Ideen bemächtigten sich schon immer der Kunst, die Fotografie macht da keine Ausnahme. Da setzt die Ausstellung an. Sie fokussiert sich auf die Darstellung des Arbeiters der für das Kollektiv kämpft sowie die Strategien der linken Presse. Sie zeigt soziales Elend, z.B. in Paris in den Fotos von Eugène Atget oder zeitkritische Fotomontagen der Architektin und militanten Kämpferin Charlotte Perriand, um nur zwei der vielen zu nennen.

Der Titel der Ausstellung stammt übrigens vom französischen Journalisten, Fotografen und Ethnologen Henri Tracol, Mitglied der Vereinigung revolutionärer Schriftsteller und Künstler. Sein Gegenstück in Belgien war Henri Storck, Filmemacher, Regisseur, Dokumentarfilmer und Schauspieler. Eines seiner bekannteren Werke „Misère au Borinage“ beschäftigt sich mit dem Elend in einer der wichtigsten Kohleregionen der Wallonie in den 1930er Jahren. Er gründete die Revolutionäre Kulturvereingung.

Noch bis zum 19. Januar sind die mehr als 100 ausgestellten Fotos aus den Archiven des Centre Pompidou, in Zusammenarbeit mit der Cinematek und des Museums und vieles andere noch zu besichtigen.

Eine weitere Ausstellung trägt das soziale Anliegen in die Gegenwart: ZAD von Philippe Graton. ZAD steht im Französische für eine (urbane) Zone, die aufgeschlossen werden soll – zone d’aménagement différé und von Gegnern als „Zone, die es zu verteidigen gilt“ umdeklariert wurde – zone à défendre. Graton hält das Leben in so einer Zone auf ausdrucksstarken Fotos fest.

Aber die vielleicht spannendste Entdeckung der herbstlichen Ausstellungsserie ist Sandrine Lopez‘Arkhê”. Die französische Künstlerin beschränkt sich nicht allein auf Fotografie. Sie verfasst Texte, oft zu ihren Fotos, kreiert Videos und komponiert.

Ihr Text zur Ausstellung Arkhê (aus dem Griechischen „Ursprung“, „Beginn“) ist bezeichnend für ihre philosophische Tiefe, mit der sie an ihr Kunst herangeht: „Am Anfang, da ist dieses Ungreifbare. Dieser Instinkt. Ein mächtiger Instinkt, der Lampenfieber hervorruft, Besessenheit, aber vor allem, die Sicherheit, dass irgendetwas vollbracht werden muss […] der günstige Zeitpunkt (sie verwendet hier wieder das Griechische, Kairos) ist da“.

Ihre Bilder – denn es sind mehr als Fotografien – drücken das mit Stärke aus: Nacht, Faszination, Frau, Konfrontation, Provokation. Alles ist in ihnen erhalten. Es ist ein ergreifendes Story-Telling. Ein „Muss“ für alle Liebhaber zeitgenössischer Fotografie.

Das Museum selbst ist ebenfalls einen Besuch wert. Schon von aussen ist das Gebäude beeindruckend: Das neugotische Karmeliterkloster im Stadtteil Mont-sur-Marchienne wurde 1987 als Museum eröffnet und 2008 mit einem neuen Flügel vom belgischen Architekten Olivier Bastin erweitert. Seine Sammlung hat historischen Wert:  Neben einem Foto von George Sand von Nadar, findet man das Foto, das den Tod durch Erschießen von Maximilian von Mexiko 1867 bezeugte. Die Räume sind großzügig angelegt und die Fotos wunderbar gehängt – ein Vorbild für so manches Museum, wo oft immer noch an den Wänden ein „Horror vacui“ herrscht.

Musée de la Photographie http://www.museephoto.be/

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