Geschichte

Eine Premiere – Belgieninfo zu Gast im Eupener Parlament

Von Jan Kurlemann.

Zum ersten Mal fand die jährliche Generalversammlung von Belgieninfo.net im Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens in Eupen statt. Parlamentspräsident Karl-Heinz Lambertz, ein alter Freund und Förderer der Internetplattform, begrüßte die Mitglieder am 19 Juni 2016 und hieß sie herzlich willkommen.

Zuerst ging es zur Eröffnung der Ausstellung „Entfaltete Zeit: 1900-1930 Der Weg zur Moderne auf Fächern“. Hier hatte Dr. Margaretha Mazura die Zeit vor und nach dem Bau des heutigen Parlamentsgebäudes durch Fächer sichtbar gemacht. (Miriam Pankarz berichtete darüber.)

Der Plenarsaal läßt selbst an einen Fächer denken, so wie sich die Sitze der Abgeordneten von vorne nach hinten ausbreiten. Wie eine Hand den Fächer halten würde, hat der Vorsitz das parlamentarische Geschehen in der Hand.

Lambertz gegen „Belgien-Bashing“

Parlamentspräsident Lambertz erinnerte sich: Er hielt Belgieninfo.net von Anfang an für unterstützenswert. Besonders deshalb, weil Belgien im deutschsprachigen Raum wenig bekannt ist und die vorhandenen Informationen über dieses Land oft nicht stimmen. Dazu kam in der Zeit nach den terroristischen Attentaten das sogenannte „Belgien-Bashing“, d.h. Belgien wird schlechtgemacht, auch mit einen gewissen Hochnäsigkeit, so Lambertz. Ähnliches gab es zur Zeit der „Affäre Dutroux“, über die in Deutschland sehr ausführlich berichtet wurde .Andere Fälle, die sich zur gleichen Zeit in Deutschland abspielten, fanden dagegen im eigenen Land weniger Beachtung. „Belgien ist kein Failed State“, betonte Lambertz. Allgemein gelte: „Wer in Europa die Dinge verbessern will,muß bei sich selbst anfangen.

Start als „Wo Was Wie“ vor dreizehn Jahren in Brüssel

Der Parlamentspräsident erinnerte an den Beginn von Belgieninfo, das am Anfang „wowaswie“ hieß. Einzigartig fand er diese Initiative von Journalisten, am Ende ihrer Berufslaufbahn Belgien „nicht fluchtartig zu verlassen, sondern dazubleiben, um über das Land zu berichten“, und das auf Deutsch .

Vorher schrieben sie sie über Europa, und danach über „das Land, in dem sie leben“. Die Deutschsprachige Gemeinschaft stellte Belgieninfo in ihrer Brüsseler Vertretung ein Büro zur Verfügung, in dem die Redaktion arbeiten kann.

Belgischer Föderalismus – ein Erfolgsmodell

Dem Politiker liegt die Information über den belgischen Föderalismus am Herzen, über den man „viel Falsches“ lesen könne. So gebe es in Belgien keine konkurierende Gesetzgebung und auch keine Rahmengesetzgebung“. Unvorstellbar sei es hier auch, daß die Länder wie in Deutschland Bundesgesetze ausführten. Bemerkenswert findet es Lambertz, daß die föderalen Staaten Europas ganz oder teilweise deutschsprachig sind.

Belgien sei ein Erfolgsmodell, weil es diesem Staat gelungen ist, daß mit antagonistischen Gruppen Kompromisse geschlossen werden. Das sei auch notwendig, weil in Belgien jedes Problem schnell zu einem flämisch-wallonischen Konflikt werden könne. In Belgien gebe es nur regionale Parteien, die miteinander koalieren müßten. Von unvereinbaren Ausgangspunkten gelange man zu komplizierten, unklaren Regelungen, die aber funktionieren müßten. Das zeigte sich , als das Land über 500 Tage ohne Regierung funktionierte.

Reformen in Richtung klassischer Bundesstaat

„Staaten sind nicht ewig“ fuhr Lambertz fort. Die Vereinten Nationen hätten heute viermal so viele Mitglieder wie zu ihrer Gründungszeit. Niemand wisse, ob nicht Schotten und Katalanen eigene Staaten bekommen würden. Eine gute Lösung sei es. In einem bestehenden Staat ein neues Gleichgewicht zu finden.

In Belgien sei die Richtung hin zum klassischen Bundesstaat vorgegeben, mit vier Komponenten: Flandern, die Wallonie, Brüssel und die Deutschsprachige Gemeinschaft.

Tatkräftige Unterstützung für Belgieninfo

Rudolf Wagner, Präsident und Chefredakteur von Belgieninfo, dankte dem Parlamentspräsidenten für seine langjährige Unterstützung. Als Ministerpräsident war er der „erste Mäzen“ des Mediums. Sein Nachfolger Oliver Paasch setzt diese Unterstützung und Förderung fort, und als Parlamentspräsident hat Lambertz eine neue Rolle als Mäzen. Alexander Homann als Leiter der Vertretung hilft in Brüssel „vor Ort“.

Wagner hob die Fähigkeit Lambertz‘ hervor, die „Dinge ins rechte Licht zu setzen“, und dankte für eine „Lehrstunde über das Zusammenspiel vielfältiger Elemente“. Gerade für Deutsche lohne es sich nachzudenken und von Unsachlichkeit und Belehrung abzusehen.

Generalversmmlung ohne Kontroversen

Die Jahreshauptversammlung fand ohne Kontroversen statt. Rudolf Wagner berichtete über die Redaktionsarbeit des „Kerns“ im Hause der DG und den Erfolg von Belgieninfo: Bis zu 500 Leserinen und Leser am Tag! Wagner berichete darüber, wie man sich in der Redaktion „in die Haare gekriegt“ habe, als es um das „Belgien-Bashing“ ging. Das sei ein Anlaß zum Nachdenken gewesen. Leser und Redaktion seien gespalten. Friedliche Diskussionen seien aber immer erfrischend.

In dreizehn Jahren Existenz von Belgieninfo sei ein neues Belgien entstanden, betonte Wagner. Wieviel davon wollen wir aufnehmen, und auch Negatives behandeln? fragt er sich. „Als Journalisten müssen wir das tun, in aller Freundschaft. Das gilt auch für „Europa“, inzwischen eine Kategorie auf der Website. Es seien inzwischen neue Medien entstanden, „mit denen wir konkurrieren müssen“.

Für die Zukunft setzt der Präsident auf Zusammenarbeit mit deutschsprachigen Verbänden. Ein Problem bleibt die Leserfluktuation. Die Kasse von Belgieninfo ist im Plus, und die Prüfung war ohne Beanstandungen.

Beim Mittagessen mit Präsident Lambertz konnte man die Gespräche fortsetzen. Danach konnte, wer wollte, noch auf die Eupener Kirmes gehen.

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