Von Ferdinand Dupuis-Panther.
Im Mittelalter war Mechelen, die Stadt an der Dijle, Umschlagplatz für Salz, Fisch, Wolle und Hafer, aber auch für die Tuchwebereien bekannt. Die Blütezeit fiel mit der Regentschaft der Statthalterin Margarete von Österreich zusammen, die Mechelen zu ihrer Residenz machte und in den ersten drei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts ihren noch heute bestehenden Renaissance-Palast errichten ließ.
Beeindruckend ist die gotische St. Rombouts-Kathedrale mit dem unvollendeten, 97 m hohen Turm und zwei Glockenspielen, die regelmäßig zu hören sind. Auch vom Turm des Hofes van Busleyden erklingt ein Glockenspiel, wenn Schüler der Königlichen Glockenspielschule ihr Können überprüfen. Der älteste Teil des mehrflügeligen Rathauses stammt aus dem Hochmittelalter. Zum Gesamtensemble gehören auch die Tuchhalle und der neogotische Palast des Großen Rates. Heimische Brauerzeugnisse und deftige flämische Küche findet man in gemütlichen Cafés rund um den Grote Markt, wo man sich ein Gouden Carolus Classic schmecken lassen kann.
Im Herzen der Stadt
Gegenüber der Kathedrale St. Rombout, zu der auch der 97 Meter hohe Turm, das Wahrzeichen Mechelens, gehört, und dem sogenannten kleinen und großen Beyaert steht das schlichte fünfachsige Schöffenhaus, ein Beispiel frühgotischer Architektur. Nicht zu übersehen sind die treppenförmigen Giebelprofile und der teilweise eingebaute achtseitige Eckturm. Erweitert wurde dieser Bau um einen siebenachsigen Bau mit trapezförmiger Doppeltreppe und einem Spitzbogenportal.
Schauen wir hinüber zum kleinen und großen Beyaert aus Back- und Sandstein, so sehen wir das einstige Rathaus der Stadt, das nach Überformungen der gotischen Architektur zu Beginn des letzten Jahrhunderts als Postamt diente. In der Architektur dieses Ensembles vermischen sich Gotik und Renaissance, betrachtet man die Gauben und die Kreuzfenster auf dem zehnachsigen Bau. Nebenan stoßen wir auf die bereits zuvor erwähnte Kathedrale St. Rombout. Dieser als Kreuzbasilika angelegte Sakralbau gilt als Archetyp der Brabanter Gotik und wurde in einem Zeitraum von mehreren Jahrhunderten erbaut. Den Turm der Kathedrale, der eigentlich der Belfried oder Stadtturm Mechelens ist, kann man besteigen. Wie viele Stufen man wohl bewältigen muss, um an den beiden Glockenspielen vorbeikommend, oben anzulangen?
Palast des Großen Rates, Belfried und Tuchhalle
Einem Stilmix gleicht das Ensemble an der Ostseite des Grote Markt. Hier stehen der neogotische Palast des Großen Rats, dessen Architektur einem filigranen Schnitzwerk gleicht, die Tuchhalle und der Belfried. Ja, Mechelen hat gleich zwei Stadttürme! Auch wenn der Palast des Großen Rats bereits unter der Regentschaft von Margarete von Österreich begonnen wurde, wurde der Bau aufgrund der wechselvollen Geschichte der habsburgischen Niederlande – so hieß Belgien vormals – erst nach 1911 vollendet.
Rechts neben dem ehemaligen Gerichtshof befindet sich der Belfried, der nur vier Geschosse zählt und zudem, da er nie vollendet wurde, keine typische Turmarchitektur aufweist. Ins Auge springen das korbförmige Zugangsportal und die beiden Ecktürmchen sowie ein Giebelfeld mit Bildnischen. Abgeschlossen wird das Ensemble mit der Tuchhalle, die durch einen geschweiften Giebel auffällt. Hier wurden einst im Untergeschoss Tuche gehandelt, aber das ist heute nur eine Fußnote der Geschichte.
In der Befferstraat stößt man auf zwei sehr markante Gebäude im Empire-Stil. Es handelt sich um „De Arend“ in Nr. 37 und „De Rode Haan“ in Nr. 9. Beide entstanden am Ende des 18. Jahrhunderts. Typisch für den Stil jener Zeit ist die Säulengliederung der Fassade und der Dreiecksgiebel im ersten Obergeschoss. Gleichsam ein moderner gläserner Fremdkörper inmitten der historischen Architektur ist das Huis van de Mechelaar hinter dem Palast des Großen Rats, aber auch das ist für das Stadtgesicht Mechelens typisch: Das Moderne steht neben dem Historischen. Das gilt auch für den „Glaspalast“ Kantore De Zeeridder in unmittelbarer Nachbarschaft.
St. Peter und Paul und …
Wandeln wir weiter auf den Spuren der Geschichte, so lenken wir unsere Schritte zum Veemarkt und stehen dann vor gleich zwei historischen Palästen, die einst Residenzen der Regentinnen der habsburgischen Niederlande waren. Es handelt sich dabei um den Palast der Margarete von Österreich und den Palast der Margarete von York, der heutigen Stadschouwburg.
Neben diesem einstigen Palast mit Festsaal erhebt sich schwungvoll-barock die ehemalige Kirche der Jesuiten namens St. Peter und Paul. Nein, einen riesigen Glockenturm, der himmelwärts gerichtet ist, besitzt die Kirche der Jesuiten ebenso wenig wie ein Querschiff. Hauptchor und das dreischiffige Langhaus bestimmen den Grundriss. Barock überladen ist das Kircheninnere, das einem Saalbau gleicht, nicht. Nicht Flammenbarock oder vergoldeter Knorpelbarock sind zu sehen, sondern ein weiß geschlämmter Innenraum mit wenigem Zierrat wie der aus Marmor bestehenden Empore und der marmorne Torbogenaltar. Das Schnitzwerk der Kanzel zeigt die Symbole der vier Kontinente. Die Fassade der Kirche gliedert sich in einen halsförmigen Oberbau mit einem Strahlenkranz in der Mitte. Der Unterbau wird durch Säulen gegliedert, die ionische Kapitelle aufweisen. Die Figur des hl. Peter ziert eine Nische über dem Eingangsportal.
Nicht nur Margarete von York weilte einst hier
Neben der Kirche befindet sich heute das Konzert- und Theaterhaus der Stadt, untergebracht im umgestalteten Festsaal des Palastes der Margarete von York. Trutzig wirkt der gotische Bau, der allerdings nur noch einen Teil des einstigen Hofs von Kamerijk ausmacht. Als solcher wurde der Palast für den Bischof von Cambrai erbaut, ehe Margarete von York diesen Palast erwarb. Zehnachsig ist der Empfangssaal dieses Palastes, der die Wirren der Zeit überdauerte. Neben den sogenannten Klosterfensterrahmen im Erdgeschoss sieht man Kreuzfenster im ersten Obergeschoss.
Vier gestufte Dachgauben zieren den Abschluss des Bauwerks aus Sand- und Backstein. Zudem erblicken wir einen achtseitigen Turm an der Westfront des Gebäudes. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Empfangssaal zu einem Stadttheater in neobarocker und klassizistischer Formensprache umgebaut. Nur Schritte von diesem Palast entfernt residierte einst Margarete von Österreich, deren Standbild man mitten auf dem Grote Markt entdecken kann.
Der Palast ist ein sehr schönes Beispiel für den Stil der flämischen Renaissance. Am Torbau entdeckt man das Wappenschild von Kaiser Karl V., dem wohl bekanntesten habsburgischen Monarchen im Übergang vom Mittelalter zur Moderne. Man erkennt Dreiecksgiebel über den kreuzförmigen Fensterlaibungen, aber auch geschweifte Giebel. Der Innenhof des Palastkomplexes ist mit Pflastersteinen belegt. Zudem wurden niedrige Buchsbaumhecken angepflanzt.
Nachfolgend lenken wir unsere Schritte zurück zum Marktplatz und lassen uns in einem der zahlreichen Cafés nieder, wo eines der zahlreichen lokalen Biere wie Carolus Classic auf uns wartet.
© text und fotos: ferdinand dupuis-panther
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