Von Ferdinand Dupuis-Panther.
Wie mir der in Deutschland aufgewachsene und nun in Brüssel beheimatete Gitarrist auf dem Belgian Jazz Meeting 2015 verriet, hat er sein eigenes Label nur deshalb aus der Taufe gehoben, weil er nicht wieder Jahre auf eine neue Albumveröffentlichung warten wollte. Irgendwie scheint sich in diesem Album – man betrachte allein das Cover – auch der belgische Sinn für das Anarchische und Comics widerzuspiegeln.
Selten genug findet man heute Covergestaltungen, die es lohnen, über sie zu reden. Im vorliegenden Fall sollte man darüber reden. Zunächst sieht man die hintere Bank eines Ford Mustangs eine Gitarre und ein Schlagzeug. Auf der Ablage haben zwei Dackel ihren Platz, derweil wir durch die Wüste von Utah oder Arizona brausen – in Gedanken und bildlich natürlich. Bei diesen Dackeln denkt man an die einst so beliebten Wackel-Dackel, die in keinem Opel oder Ford fehlen durften, der in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren auf Deutschlands Straßen unterwegs war. Alain Pierre hat auch kein Trio – bestehend aus ihm, dem Bassisten Felix Zurstrassen und Alains Sohn Antoine am Schlagzeug – sondern ein Tree-Ho!. Felix Zurstrassen ist in der Lütticher Jazzszene kein Unbekannter und u. a. Ensemblemitglied vom LG Jazz Collective. Antoine Pierre wiederum ist ein weltweit gefragter Drummer und gewann unter anderem den Toots Thielemans Jazz Award 2014!
Nicht nur eine Hommage an Ralph Towner
Insgesamt neun Kompositionen von Alain Pierre wurden für das aktuelle Album eingespielt, angefangen bei „Aaron&Allen“ – sind das die beiden Dackel? – bis hin zu „Joyful Breath“. Die aufgenommenen Titel sind unterschiedlichen Personen gewidmet, so „Aaron & Allen“ Alain Pierres Vater, andere Titel wie „L´Etang des Iris“ Ralph Towner und „Present Times“ der Jazzsängerin Barbara Wiernik, mit der Alain Pierre auch bei WRaP zusammengearbeitet hat.
Sehr melodiös und beinahe etüdenhaft ist das, was Alain Pierre uns präsentiert, gleich von den ersten Akkorden an. Zugleich entführt uns der Brüsseler Gitarrist auch irgendwie in eine Klangwelt, die unsere Ohren berauscht, so auch mit der Komposition „Aaron& Allen“, die er uns solistisch darbietet. In mediterrane Gefilde entführt uns das Tree-Ho! mit der Komposition „Piazza Armerina“. Auch bei dieser Einspielung dominiert Alain Pierre die Klangfarben, wenn auch sein Sohn versucht, sein Schlagwerk auf eine Stufe mit der Gitarre zu stellen. Beim Zuhören hat man wirklich den Eindruck mit einem schnittigen Straßenkreuzer über den Boulevard von Nizza oder Cannes zu cruisen, immer den lauen Fahrtwind im Gesicht. An Flaneure muss man gleichfalls denken und an urbane Lebendigkeit, an Nachtschwärmer und an Partygänger.
Wie klingt wohl schwarzer Wein?
Wie mag wohl „Le Vin Noir“ klingen? Welchen schmackhaften Klangtropfen wird uns das Trio dabei vorstellen? In den Harmonien und Klangformen lehnt sich diese Komposition m. E. durchaus an „Aaron & Allen“ an. Kaskadierende Gitarrenläufe lassen Glückshormone frei werden. Südliches Flair ist spürbar und auch Leichtigkeit und Beschwingtheit abseits von Swing.
Nicht die Teiche von Ixelles, sondern den „Teich der Iris“ lässt das Trio vor unseren Augen und Ohren auferstehen. Irgendwie vermeint man, ein Rauschen und Plätschern wahrzunehmen. Dabei mutet es so an, als wäre die Gitarre zu einer Harfe mutiert. Gute Stimmung, beinahe sogar eine gewisse Euphorie, geht von dem Album aus, auch beim Hören von „Joyful Breath“. Also steigen wir mit dem Trio in den roten Ford Mustang, klappen das Verdeck auf und cruisen wir durch die Gegend. Es lohnt sich alle Mal.
Text: © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Label
http://www.spinachpierecords.com
Musiker
Alain Pierre
http://www.alainpierre.com/
Weiteres Album
von Alain Pierre
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/w/wrap-endless/
von Antoine Pierre
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/a/antoine-pierre-urbex/
mit Felix Zurstrassen
http://www.jazzhalo.be/reviews/cd-reviews/l/lg-jazz-collective-new-feel-ferdinand-panther-dupuis/
Beiträge und Meinungen