Das Publikum ist jung bis mitteljung, selbstbewusst, unbekümmert. Schicki micki ist out. Vuitton Taschen, nein, das muss nicht sein. Eine lässige Leinentasche, die flott an der Hüfte baumelt, tut es auch. «Es ist schwierig, unsere Kundschaft zu definieren», meint Kelly Claessens, Besitzerin der Boutique «La Fabrika» mit skandinavischen Möbeln und Designartikeln. Qualität wird gesucht, die Möbel müssen aber auch bequem sein. Das Wohlfühlgefühl in einem Sessel ist dem Kunden oft wichtiger als sein schickes Design.
Längst ist das Viertel um die Rue Dansaert, nahe der Börse bis zum Kanal de Bruxelles, eine beliebte Flaniermeile mit internationalem Publikum geworden. Vielleicht ist sie inzwischen beliebter als der Bummel durch das Viertel der Avenue Louise, denn bunter und gemischter ist das Publikum rund um die Rue Dansaert. Zum boom dieses Viertels kam es vor 15 Jahren, als eine Gruppe genialer Designer in diesem zentral gelegenen Stadtteil Brüssels ihre Geschäfte eröffnete und einen neuen Trend in das Viertel brachte. Ein Durchbruch zum avant-gardistischen und ultra coolen Look entstand und machte aus dem Stadtteil einen ganz neuen Stil. Skandinavische Möbelhändler, Modedesigner, Stylisten, Juweliere, sie alle kamen, ließen sich dort nieder und verhalfen Brüssel zu einem neuen, nicht nur touristischem Anziehungspunkt.
Junge Menschen, wie Studenten aus dem Erasmus Programm oder Praktikanten, die für einige Monate bei der Europäischen Union arbeiten und das Viertel gerne besuchen, sind für Brüssel ganz wichtige Botschafter. Denn nach deren Rückkehr in ihr Heimatland nehmen sie ein Bild der Stadt mit nach Hause, das möglichst gerade für die Jugend bunt, cool und trendy sein soll. Und das bietet ihnen die Rue Dansaert und das lebhafte Viertel rundherum ganz sicher.
Passa Porta – Literatur öffnet Welten
Aber nicht nur bummeln, shoppen oder Kaffeetrinken kann man in dem beliebten Viertel, sondern auch für den Geist ist gesorgt. Denn es gibt eine ganz besondere Buchhandlung in der Rue Antoine Dansaert N° 46, die «Passa Porta». Diese Buchhandlung will nicht nur Türen öffnen, wie es ihr Name sagt, sondern auch Grenzen und sprachliche Barrieren überwinden. Der Zauberschlüssel, mit dem sich verschlossene Türen öffnen lassen, sei die Literatur. So die Philosophie der Buchhandlung. Die «Passa Porta» ist ein internationaler Treffpunkt für Autoren, Literaturbegeisterte, Bücherwürmer. Und sie ist ein Refugium für Schriftsteller, deren Bücher aus politischen Gründen in ihrem Herkunftsland nicht veröffentlicht werden.
Projekt «Victor Hugo»
Es ist bekannt, daß Victor Hugo 1000 Tage in Belgien im Exil lebte. Einige Zeit davon verbrachte er in Waterloo, wo er seinen Roman «Les Misérables» beendete. «Passa Porta» bietet mit seinem Projekt «Victor Hugo» Exil-Journalisten und Schriftstellern, die ihr Land aus politischen Gründen verlassen mussten, Hilfe an. Mit Unterstützung der Stadt Brüssel erhalten die politischen Flüchtlinge sowie ihre Familien Unterkunft. Desweiteren spendet «Passa Porta» bescheidene finanzielle Hilfe, wobei als Gegenleistung eine Beteiligung an der Arbeit in der Buchhandlung erwartet wird. Auch soll die Sprache erlernt werden. Die Buchhandlung bietet regelmässig Vorlesungen, Diskussionen und andere vielseitige Programme an. Inzwischen ist «Passa Porta» zum Inbegriff eines kulturellen und internationalen Treffpunkts literaturbegeisteter Menschen geworden.
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