Königin Fabiola, Tante des belgischen Königs Philippe, starb am Freitagabend.
Wenn Königinnen sterben, folgt der Todesnachricht nicht gleich der Ruf „Es lebe die Königin“. Frauen haben etwas Einzigartiges, vor allem wenn sie an der Seite eines Monarchen eine Mischung aus Glanz und Güte verkörpern. Das höchste Staatsamt ist ein Männerreservat, die fünf Königinnen der belgischen Geschichte waren nie „Monarchinnen“. Deshalb trifft die Meldung des Ablebens von Königin Fabiola das ganze Land, das sich gerade anschickte, das zweite Advents-Wochenende zu beginnen. Es provoziert weder politische Spekulationen noch Sensationsgier: Da ging eine Frau, die ein halbes Jahrhundert in diskreter Liebenswürdigkeit dem schwierigen Königreich gedient hat.
Die ersten Bilder, die jetzt aufleben, sind von einer Art wehmütigem Lächeln geprägt, mit denen sie stets die Menschen berührte. Es war das mütterliche Lächeln einer Frau, der die Mutterschaft versagt geblieben ist. Doña Fabiola aus dem alten Hochadel Mora y Aragon stammend, war keine stolze Spanierin. Neben König Baudouin hatte sie gelernt, eine dreisprachige Belgierin zu sein, die dem aufgeregten Reformstaat bei jedem Auftreten etwas Milde verschaffte.
Zwischen Thron und Rosenkranz
Dabei entwickelte sie ihr ureigenes Charisma, das sich ebenso von der Schönheit der schwedischen Astrid, der verunglückten Gattin von Leopold III. , wie vom anpackenden Naturell der bayerischen Elisabeth, der Soldatenkönigin neben Albert I., unterschied. Der Charme von Fabiola bewegte sich im Windschatten ihres Gemahls: zurückhaltend, verständnisvoll, solidarisch mit ihrem Volk. Kardinal Léon Joseph Suenens hat als enger Vertrauter des Königspaares in einem Buch dessen Liebesgeschichte in ungeschminkter Intensität erzählt. Kein Zweifel, dass die Tugenden der beiden in einer tiefen, nahezu mystischen Religiosität verwurzelt waren. Er, der von den Straßenkämpfen um seinen Vater Leopold III. und der überstürzten Thronfolge Gezeichnete. Sie, ganz in der Tradition des strengen Katholizismus der Reconquista. Beide eher den Rosenkranz in Händen als ein royalistisches Zepter.
Es war eine die Belgier begeisternde Fähigkeit der schlanken Spanierin, dass sie es verstand, ihren schüchternen Gemahl aus seiner selbstgewählten Einsamkeit zu befreien. Dass der „gute Papst“ Johannes XXIII. entgegen seinem besonnenen Naturell nach einer Privataudienz der beiden ein bevorstehendes „frohes Ereignis“ ankündigte, dessen Vorfreude durch eine Fehlgeburt durchkreuzt wurde, passt in jene Schloss-Melancholie, die bei aller Gelöstheit, Baudouin und Fabiola nie mehr verlassen sollte. Es gab insgesamt fünf Fehlgeburten, der Königin blieb ihr innigster Wunsch versagt, während der König Regierungen kommen und gehen sah, die das Land an den Rand des Abgrunds führten. Die enge und streng geheim gehaltene Beziehung des Paares zu der frommen Irin Veronica O´Brien, die bereits ihre Verlobung als „Managerin“ überschattet hatte, rückte den belgischen Hof in die Nähe der Legion Mariens. Das alles allerdings auf dem Drahtseil unanfechtbarer Toleranz und weltweit applaudierter Offenheit.
Madame und das Volk
Das alles hat diese glücklich-unglückliche Ehe in eine Innerlichkeit geführt, die erst beim plötzlichen Herztod von Baudouin während des Urlaubs im spanischen Mortril manifest wurde. Ein ganzes Volk verbeugte sich im Palast vor dem Sarg, Staatsmänner- und Oberhäupter aus aller Welt schritten zum Requiem in die Brüsseler Kathedrale, doch Königin Fabiola erschien in einem weißen Kleid, das österliche Freude symbolisierte. Beim Vaterunser reichte sie Albert und Paola, ihren Nachfolgern, die Hände. Wer sie in die Ecke katholischer Reaktionäre drängen wollte, sah sich getäuscht. „Madame“, wie in Belgien die Königinnen angesprochen werden, zeigte großes Format.
In den Jahrzehnten danach ist die Zurückhaltung von Fabiola noch stärker geworden. Zwar war sie beim traditionellen Staatsakt am Nationalfeiertag oder bei Familienfesten stets zu sehen, aber noch bescheidener als zuvor: gütige Großmutter und weise Älteste im Kreis der sie verehrenden Neffen, Nichten und vor allem Enkel. Als später Steuerproblemen bekannt wurden, wird es der Anspruchslosen wohl am peinlichsten gewesen sein. Der Fehleinschätzung wurde rasch korrigiert, über die Kürzung ihrer Apanage hat sie kein Wort verloren. Ohnehin waren es nur kleine Randerscheinungen, die der Lebensleistung der 86Jährigen nichts anhaben konnten.
Diese besteht wohl wesentlich darin, dass in ihrem sich bis an den Rand des Zusammenbruchs föderalisierenden Belgien der Einheit und Zusammenhalt stiftenden Rolle der Krone auf beeindruckende Weise gedient hat. Im Europa zweifelhafter Royals-Affären stand die kinderlose Königin als eine Gestalt fraulicher Würde. Bis zuletzt lächelnd, gebeugt zwar und müde, aber noch immer landesmütterlich und liebenswert.
Freddy Derwahl
http://www.monarchie.be/de/koenigliche-familie/koenigin-fabiola
Wie schön, dass diese beispielhafte dame in relativer gesundheit solch ein hohes alter erreichen durfte. Dank ihres tiefen glaubens, stehen ihr nun die tore des paradieses weit offen und daher gibt es auch gar keinen grund zum trauern. Sie ruhe in frieden!