Eine bisschen andere Ansicht zum Terror in Belgien.
Brüssel im Ausnahmezustand ist in aller Munde und mehr noch, auf allen Internet-News-Seiten, auf allen gedruckten Medien, und rund um die Uhr im Fernsehen und Radio. Und doch ist für viele «business as usual» – denn der private Sektor kann sich Zusperren und Zu-Hause-Bleiben nicht leisten. Wer seit über 3 Monaten eine Konferenz organisiert, die unglücklicherweise seit 6 Monaten auf 23. und 24. November festgesetzt worden war, hat ein Problem. Seit Samstagmorgen reihten sich eine Absage, ein Angstanruf, und 10 eMails mit Anfragen im Stundenrhythmus – man beginnt nachzudenken, abzuwägen und entscheidet sich, die Konferenz durchzuziehen, mit oder ohne Teilnehmer. Eine wahre Geschichte.
8 Uhr Montagmorgen. Der Verkehr ist vielleicht etwas weniger als sonst (aber woher soll ich das wissen, ich fahre sonst nie um 8 Uhr im Auto in Richtung Nordbahnhof). Um die rue Belliard gibt einen Stau – auch nichts besonderes. Aber der wahrlich aufregende Moment kommt, als ich mich dem Konferenzgebäude nähere: Wird es überhaupt offen sein? Wird es Catering geben? Wird es irgendwer wagen, überhaupt zu kommen ?
Ich sehe Licht. Gutes Zeichen. Ich fahre in die Parkgarage, kein Problem. Ich atme auf. Ich sehe auch bereits Kaffeetassen auf den Tischen in Pyramiden angeordnet stehen. Der Morgen ist gerettet. Und bevor noch alle Programme auf dem Tisch liegen, kommt der erste Teilnehmer. Ich möchte ihm einen Tapferkeitsorden verleihen. Und es folgen weitere. Dank der Technologie können ängstliche Vortragende via Skype teilnehmen. Ein junger Israeli beginnt seinen Vortrag mit den Worten: Ich fühle mich wie zu Hause. Schwarzer Humor? Nein. Er zeigt nur, dass wir nicht mehr an Krisensituationen gewöhnt sind.
Ich erinnere mich, an die 1980er Jahre in Chile, als ich bei einem Tränengasanschlag in einem Café dabei war: die gleichaltrige Freundin sagte nur cool: leg Dir Salz unter die Zunge, das neutralisiert das Gas, und lass uns langsam gehen. Ich tat wie mir geheißen, auf der Strasse stürmten schwerbewaffnete Militärs auf uns zu, sie sagte: Geh weiter, einfach ignorieren. Sie hatte recht. Ich hatte etwas gelernt: keine Panik. Das Leben geht weiter.
Während Vorsicht und Umsicht geboten sind, sollten wir doch mit offenen Augen der Realität entgegen sehen: Alarmstufe 4 bis nächsten Montag mit gleichzeitig angekündigter Wiedereröffnung der Schulen und Metro am Mittwoch davor klingt nicht nach seriösen Sicherheitsmassnahmen. Oder waren sie von Anfang an überzogen? Wir werden es hoffentlich nie wissen. Trotz aller Sicherheitsüberlegungen geht es aber nicht an, dass eine ganze Stadt lahmgelegt wird. Das muss nicht, darf nicht sein. Denn was würde passieren, wenn dies ein bleibender Zustand wird? Dann müssen wir sehr schnell lernen, (Zivil)Courage zu zeigen. Besser gleich damit beginnen…das Leben geht weiter (aus dem Konferenzraum mit 60 Teilnehmern geschrieben).
Ich stimme dem Fazit von Margaretha Mazura zu: “Das Leben geht weiter.” Ich konnte dies am vergangenen Wochenende (28./29.11.) in Paris feststellen. Natürlich sah man sehr viel Polizei und Militär in der Stadt, weil ja auch die Staats- und Regierungschefs zu der Klimakonferenz anreisten. Mich hat aber vor allem überrascht, dass die Pariser ihrem normalen Leben nachgingen. Das “Théatre Edouard VII” war am Samstag zwei mal ausverkauft, die Museen und Ausstellungen waren stark besucht, und zwar vor allem von Einheimischen. Auf dem Weihnachtsmarkt entlang der Champs Elysées genossen die Familien das Angebot der originellen Stände und das schöne Wetter. Ich dachte daran, dass die vielen Menschen ein leichtes Ziel für Terroristen hätten sein können. In Brüssel wurden dagegen die meisten Veranstaltungen der deutschen Landesdesvertretungen “angesichts der Sicherheitslage” abgesagt.