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Wein aus Belgien

Was kaum jemand weiß: Auch in Belgien wird Wein professionell angebaut. Zwar sind die Güter klein und die Branche jung, aber drei Gebiete können sich bereits mit Herkunftssiegeln schmücken. Den größten Winzer Walloniens hat Belgieninfo besucht.

„Ah, die Sonne tut den Trauben gut.“ Zufrieden schaut Philippe Grafé in den Samstagnachmittaghimmel, wendet den Blick dann auf die mannshohe Pflanze neben ihm, hebt ein paar dunkelblaue Rebfrüchte an. „Wenn es noch ein paar Tage so weitergeht, wird das etwa 80 Prozent einer guten Ernte ergeben“, sagt der Kenner.

Wein in Belgien, jawohl, den gibt es

Nur um es klar zu stellen: Grafé ist kein Franzose. Steht nicht in Burgund, dem Bordelais oder der Champagne. Sondern mitten in der Domaine du Chenoy, auf der Gemarkung von Emines, wenige Kilometer nördlich von Namur.

Denn Wein in Belgien, jawohl, den gibt es. Allerdings: Man muss ihn suchen. Und groß? Nein, groß ist die Produktion tatsächlich nicht. Zehn Hektar, so Grafé, betrage die Anbaufläche seines Guts. Ungefähr 14 Fußballfelder sind das. 53000 Flaschen hat er jeweils mit den Jahrgängen 2005 und 2006 gefüllt. Damit ist der 71-Jährige bereits der größte Weinbauer in Wallonien, von der Fläche her der zweitgrößte in ganz Belgien. „Beim Château Genoels-Elderen im Limburgischen bebauen sie rund 18 Hektar“, sagt er.

Dort, in der Gegend zwischen Tongeren und Maastricht, waren sie 1999 die zweiten in Flandern, die mit der Verleihung der A.O.C. Bezeichnung so etwas wie die Grundlage der modernen professionellen Weinproduktion in Belgien bilden. AOC steht für Appellation d’Origine Contrôllée und ist vor allem in Frankreich als offizielles Gütesiegel für kontrollierte Herkunft landwirtschaftlicher Produkte verbreitet. AOC Haspengouw dürfen sich die Limburg-Weine seit 1999 nennen. Schon drei Jahre zuvor hatte die flämische Regierung den AOC Hageland-Wein (niedereländisch: Hagelandsewijn) für die Rebsäfte der rund 30 Weinbauern aus der Gegend zwischen Löwen und Aaschot geschaffen. Wallonien folgte 2004 mit seiner ersten AOC-Bezeichnung. Der dritten belgischen überhaupt.

„Côtes de Sambre et Meuse“ steht dann auch auf den Etiketten, die die verschiedenen Flaschen aus der Produktion von Grafé schmücken. Weiß- und Rotwein baut der alte Herr seit 2003 auf dem von ihm gegründeten Gut an. „Alles Sorten, die zumeist in Labors in Freiburg und Geilweilerhof bei Landau gezüchtet wurden und resistent gegen alle möglichen Krankheiten oder Schädlinge sind, die Weinreben befallen können“, sagt der Winzer. Die Wahl dieser gekreuzten Sorten sieht er als wirtschaftliche Sicherheit an. Denn als junges Unternehmen und unter den wenig weingünstigen, weil sehr feuchten klimatischen Bedingungen in Belgien könne er es sich kaum leisten, einen Rückschlag durch kranke Pflanzen zu erhalten. Johanniter, Merzling und Bronner heißen deshalb etwas befremdlich die Trauben, aus denen Grafés Weine gemacht sind. Oder Régent, Helios und Solaris.

Internationale Auszeichnungen

Doch nicht alle belgischen Weinbauern haben sich für solche modernen Sorten ohne Tradition entschieden. Die Winzer vom Château Genoels-Elderen setzen zum Beispiel stark auf den weltweit verbreiteten Chardonnay und konnten mit ihm schon eine Reihe internationaler Auszeichnungen ergattern.

Eine einheitliche Geschmacksrichtung oder eine typische Traubensorte sind mit belgischem Wein also nicht zu verbinden. Genau so wenig wie ein klassisches Anbaugebiet. Das mag vor allem daran liegen, dass die direkte Verbindung zu der bis ins Mittelalter zurückführenden Weintradition verloren gegangen ist.

Zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert gehörten Reben noch ganz natürlich zum Bild der Landstriche, aus denen das heutige Belgien besteht. Klimatische Veränderungen, jahrzehntelange Kriegswirren und erleichterte Transportmöglichkeiten der billiger zu produzierenden und qualitativ höherwertigen Weine aus südlicheren Gefilden drängten die heimatliche Produktion dann immer weiter zurück. Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Rebkultur – abgesehen von einigen kleinen, privat geführten Feldern – aus Belgien verschwunden.

Der politische Wille fehlt

Ob die jüngst eingeläutete Renaissance des professionellen Anbaus – kleine Privatwinzer hat es hier und da immer gegeben und gibt es auch heute noch – zu einer neuen Hochzeit des belgischen Weins führen wird, wagt Grafé zu bezweifeln. „Es wird sicher Leute geben, die sich ein Beispiel an den Erfolgen der vergangenen Jahre nehmen“, sagt er und verweist auf seinen unmittelbaren Nachbarn, der jetzt auch mehrere Hektar Wein anbaut. „Aber es gibt keinerlei politischen Willen, den Sektor groß zu fördern“, fügt der 71-jährige Jungwinzer hinzu. Weshalb er glaubt, dass belgischer Wein auch in Zukunft ein relativ seltener, von der breiten Öffentlichkeit wohl kaum wahrgenommener Tropfen bleiben wird.

Aktuelle Hinweise zum belgischen Wein in Wallonien:
Die 3. Weinmesse Walloniens der Abbaye Saint-Gérard de Brogne findet am kommenden Sonntag, 14. September, zwischen 10 und 19 Uhr in Saint-Gérard auf der Place de Brogne 3 in einem großen Festzelt statt. Der Eintritt ist frei, Weinproben und Informationen rund um die Rebkultur in Wallonien sind vorgesehen. Infos unter Tel.: 071 79 70 70, Internet: www.brogne.eu, E-Mail: info(at)brogne.eu.

Jeder Interessierte hat die Möglichkeit, an der Weinernte der Domaine du Chenoy teilzunehmen. Ob ein paar Stunden, einen ganzen Tag oder länger – Freiwillige sind herzlich willkommen. Anmeldungen sind erwünscht unter grafe.p(at)skynet.be oder Tel.: 081 746 742. Die Ernte beginnt voraussichtlich am kommenden Samstag, 13. September, und wird bis Mitte Oktober andauern.

Weitere Infos:
Weitere Informationen über den Wein in Belgien gibt es bei der Fédération Belge des Vins et Spiritueux, www.fbvs.be, und auf der Internet-Seite der Domaine du Chenoy www.domaine-du-chenoy.com.

Fotos von Kay Wagner

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