Nach seinen Ausflügen in die Welt der Oper und der Klassik beschloss der Pianist Kris Defoort, sich 2012 wieder ganz und gar auf seine eigentliche Liebe zu konzentrieren, und die heißt Jazz. In seinem neuen Trio spielt er mit Weggefährten zusammen, die ihn durch die letzten Jahrzehnte begleitet haben: Nic Thys (E-Bass) und der junge Lander Gyselinck (drums).
Verneigung vor Thelonious Monk
Präsentiert wird neben drei Bonus Tracks, auf denen auch der Vokalist Josse de Pauw zu hören ist, eine Melange aus Stücken von Thelonious Monk und eigenen Kompositionen Defoorts bzw. des Trios. Den Auftakt machen die Jazzkompositionen Monks, die sich durch das so typische „Kling-Klang-Klong-Monk“ auszeichnen. Wie viel Monk in Monk ist und wie viel Defoort könnten wir nur feststellen, wenn wir das Original und das „Arrangement“ nebeneinander hören könnten. Doch das ist anatomisch nicht gegeben.
Insgesamt sechs Kompositionen Monks spielt Kris Defoort, angefangen bei „Crepuscule with Nellie“ über „Let’s Cool One“ und „Round Midnight“ bis hin zu „Bemsha Swing“. Monk gilt vielen als Begründer des Bebop. Sein Stil zeichnet sich vor allem durch dissonante Harmonie und eigenwillige melodische Drehungen aus. All dies findet sich auch im Spiel des begnadeten Pianisten Kris Defoort. Wer ihm zuhört, der meint wirklich Monk zu hören, auch wenn nicht Monk seine Finger über die schwarzen und weißen Tasten gleiten lässt.
Begegnung mit Nellie
Das Dissonante ist bereits in den ersten Klängen zu vernehmen. Danach ist man Ohrenzeuge eines verzögerten, sprunghaft anmutenden Spiels, das hier und da auch in einen Tonfluss ausläuft. „Mit Nellie im Abendlicht“ lautet die Übersetzung des Titels. Irgendwie hat man das Bild im Kopf, dass musikalisch die verschiedenen Lichter umgesetzt werden, die hinter den Fenstern, den Schaufenstern und in den Gassen angehen und erlöschen. Auch das blinzelnde fahle Sonnenlicht mag man sich vorstellen, wenn man dieser Monk-Komposition zuhört. Von starker Rhythmik ist „Let’s Cool One“ geprägt, wobei es zwischendurch immer wieder verschleppte Rhythmikpassagen gibt. Diese verstetigen sich nur ab und an, so auch wenn Nic Thys seinen E-Bass zum Brummen überredet.
„Trinkle, Tinkle“ und „Round Midnight“ sind sehr bekannte Monk-Stücke, die auf dem vorliegenden Album nicht fehlen. Beim Hören von „Trinkle, Tinkle“ hat man das Bild einer stetig sprudelnden Fontäne im Kopf, wenn Defoort seinen Tastenklangkörper „bearbeitet“. Ruhiges Fahrwasser wird erst angesteuert, wenn dem Bass in einem Intermezzo die Bühne gehört. Das scheinbar Dissonante spielt eine wesentliche Rolle bei „Round Midnight“. Insgesamt ist das Spiel des Trios dabei sehr hintergründig, hier mal ein Beckenwirbel, dort mal ein vibrierender Bass und schließlich eine hochtönige Passage auf dem Klavier. Ingesamt ist die Stimmung getragen, das Spiel bedächtig. Kein Wunder, soll doch die Atmosphäre der späten Stunde eingefangen werden.
Vom magischen Baum
Der zweite Komplex des Albums enthält sechs Kompositionen Defoorts und/oder seines Trios, beginnend mit „Tender Colours“ und endend mit „Nostalgic Brotherhood“. Untergründig vermittelt uns das Trio seine Vorstellung von zarten Farben. Tropfenweise erklingt das Tongefüge, das Defoort seinem Tasteninstrument entlockt. Zartes Rascheln ist zu vernehmen und, ein vibrierender E-Bass rührt sich auch. Segmentiert erscheint die gesamte Komposition, ohne rechten Fluss und eher so anmutend, dass hier und da ein Spotlight angeknipst wird. Momente nehmen wir wahr, so auch den Klang von Glöckchen und eine sphärische Klangfülle, die dem E-Bass zu verdanken ist.
Wenden wir uns nun dem „Magischen Baum“ zu, der zugleich auch eine „Magische Drei“ beinhaltet, berücksichtigt man die Betitelung der Komposition Defoorts, der das Stück solistisch eröffnet. Auf unser Gehör ergießt sich zuerst ein tonaler Schwall in mehreren Phasen. Dann kommen harte rhythmische Elemente hinzu, wenn Thys den Bass rockig brummen lässt und Lander Gyselinck die kleine und große Trommel sowie die Messingbecken mit seinen Schlagstöcken bearbeitet. Derweil plätschern die Klaviersequenzen dahin. Insgesamt hat man den Eindruck, dass sich die drei Musiker auf unterschiedlichen Ebenen bewegen und jeder seines Weges geht.
„Runter, rauf und runter“ heißt es nachfolgend, wobei ein hochgestimmter E-Bass das Zepter anfänglich in der Hand hält. Steht der Pianist mit seinem sporadischen Plink-Plink für das Hoch? Ist das Runter vielleicht der Bassschwall? Wir können darüber nur Vermutungen anstellen. Erst in der Mitte der Komposition, eine Gemeinschaftsarbeit des Trios, entwickelt sich ein gewisser Melodiefluss, der auch durch elektronische Zauberkunststückchen bestimmt zu sein scheint. Zum Abschluss noch ein Wort zu „Tom Hay’s Fox“. Ist da nicht das Piano durch ein moduliertes E-Piano oder Fender Rhodes ersetzt worden, dem wir aufmerksam in seinen Klangfärbungen folgen? Oder haben wir uns geirrt und Thys hat seinen E-Bass so manipuliert? Nein, das kann nicht sein, denn auch den vernehmen wir mit brummiger Note. Irgendwie hat man beim Zuhören den Eindruck, man werde Ohrenzeuge des brausenden Meeres mit gigantischen Wellenbrechern. Gebrochen wird dieser Eindruck durch den eingeblendeten Sprechgesang, bei dem man an Jim Morrisons Lyrik erinnert wird und an den einen oder anderen Song der Doors. Damit geht der „Dreiklang“ des Albums zu Ende, auch ohne ein Tänzchen mit Monk, so wie es der Albumtitel verspricht. Das macht aber gar nichts, denn Monk gehörte ja die Ouvertüre!
Text: © ferdinand dupuis-panther
Weitere Beiträge des Autors zu Jazz in Belgien siehe www.jazzhalo.be.
Informationen
Label
www.dewerf.be
Musiker
Kris Defoort
http://www.krisdefoort.com/
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