Von Reinhard Boest
Zum 1. Februar 2022 sind die für den Schengen-Raum und die Schweiz geltenden Regeln aktualisiert worden, die in der andauernden Corona-Pandemie die Reisefreiheit zwischen den Mitgliedstaaten sichern sollen. Es handelt sich um die (rechtlich unverbindliche) Empfehlung für eine “koordinierte Vorgehensweise zur Erleichterung der sicheren Ausübung der Freizügigkeit” und die (bindende) Verordnung über das digitale COVID-Zertifikat der EU (EUDCC) zum Nachweis einer Impfung, Genesung oder Testung.
Die einzige wesentliche Änderung besteht in der Festlegung eines “Ablaufdatums” für das Zertifikat, das die vollständige Impfung bescheinigt (d.h. ein oder zwei Dosen je nach Impfstoff): dieses ist künftig neun Monate gültig. Bisher war eine einheitliche Frist auf EU-Ebene nicht vorgesehen. Sie erwies sich aber als notwendig, da in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Fristen angewendet wurden.
Wozu eine EU-Regelung?
Die in den Mitgliedstaaten geltenden Maßnahmen zum Umgang mit der Corona-Pandemie sind höchst unterschiedlich. Die Regeln, was man mit welchem Status darf und was nicht, nach welchen Kriterien diese Regeln verschärft oder gelockert werden, sind kaum noch überschaubar. In Föderalstaaten wie Belgien und Deutschland, aber auch in Spanien und der Schweiz gilt das zum Teil auch zwischen den Regionen bzw. Ländern. Eines ist bei einem Blick auf die wöchentlich aktualisierte Karte des Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) allerdings sicher: das Omikron-Virus hat inzwischen die ganze EU fest im Griff, und zwar überall auf (ähnlich) hohem Niveau. Auch nach der Klassifizierung des Robert-Koch-Instituts ist ganz Europa “Hochrisikogebiet” – übrigens auch Deutschland. Da fragt man sich schon, wozu der große Aufwand für eine Kontrolle des innereuropäischen Reiseverkehrs betrieben wird.
Bekanntlich haben die Mitgliedstaaten der EU nur sehr begrenzte Zuständigkeiten in der Gesundheitspolitik übertragen, so dass es bei diesem Flickenteppich bleiben wird, solange die Pandemie nicht überwunden ist. Die EU-Kommission hat aber von Anfang an darauf gedrungen, den freien Warenverkehr und die Reisefreiheit nicht mehr als unbedingt notwendig einzuschränken – denn dabei handelt es sich sehr wohl um EU-Zuständigkeiten.
In der Praxis dürfte die Aktualisierung vor allem bewirken, dass sich die Situation für Reisende nicht verschlechtert. Die meisten Mitgliedstaaten halten sich an die Zusage, dass eine Einreise mit dem EU-Zertifikat (also geimpft, genesen oder getestet – 3G) ohne zusätzliche Anforderungen (insbesondere eine Quarantäne) möglich ist, aber nicht alle. Sicher ist jedenfalls, dass dreifach Geimpfte ohne weitere Bedingungen überall grenzüberschreitend reisen können – wie schon bisher.
Bei der Aktualisierung spielten drei Faktoren eine Rolle: die Fortschritte bei den Impfungen (inzwischen sind EU-weit 70 Prozent geimpft, gegenüber gerade 30 Prozent im vergangenen Sommer), der Erfolg des EUDCC als EU-weit anerkannter Nachweis des Impfstatus und die Tatsache, dass alle Mitgliedstaaten in gleichem Maße mehr oder weniger stark vom Covid-Virus betroffen sind. Daher soll es künftig für Reisebeschränkungen nicht mehr auf die Situation in der Region ankommen, aus der der Reisende kommt, sondern auf seinen eigenen Status: geimpft, genesen oder getestet.
Was bringt das digitale EU-Covid-Zertifikat?
Mit dem EUDCC wird dieser Status nachgewiesen. Die Verordnung legt dafür verbindlich die Kriterien fest:
– Impfzertifikat: Als geimpft gilt jeder, der einen vollen Zyklus erhalten hat, also je nach Impfstoff eine oder zwei Dosen. Seit dem 1. Februar 2022 sind diese Zertifikate EU-weit 270 Tage gültig, gerechnet ab dem Zeitpunkt der letzten Impfung. Vorher war eine zeitliche Begrenzung in der Verordnung nicht vorgesehen, da man bei deren Erlass im Juni 2021 noch keine ausreichenden Erkenntnisse über die Schutzdauer hatte. Seither hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass die Schutzwirkung nach etwa sechs Monaten nachlässt. Mehrere Mitgliedstaaten hatten daraufhin die Geltungsdauer selbständig entsprechend begrenzt. Um wieder zu einer einheitlichen Handhabung zu kommen, wurde jetzt die Geltungsdauer auf neun Monate begrenzt. Diese Frist schließt einen gewissen Zeitpuffer ein, damit jeder die Möglichkeit hat, eine Boosterung zu bekommen (falls es Wartezeiten gibt). In Ungarn ist das Impfzertifikat sogar ein Jahr gültig.
Mit dem Zertifikat kann auch die Auffrischungsimpfung nachgewiesen werden. Für dieses Zertifikat ist derzeit auf EU-Ebene keine zeitliche Begrenzung vorgesehen, aber in einigen Mitgliedstaaten (in Österreich neun Monate).
– Genesungszertifikat: Der Status “Genesen” gilt vom elften Tag nach einem positiven Covid-PCR-Test für längstens 180 Tage. Begründet wird diese Frist mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, wonach die Immunisierung so lange anhält. In Deutschland hat das Robert-Koch-Institut kürzlich die Frist auf drei Monate reduziert. Auch in Griechenland ist das Genesenen-Zertifikat nur drei Monate gültig, in allen anderen EU-Staaten sechs Monate (180 Tage).
– Testzertifikat: Anerkannt werden PCR- und Antigen-Schnelltests, letztere aber nur, wenn sie auf einer regelmäßig aktualisierten Liste zugelassener Präparate stehen und von Fachkräften im Gesundheitswesen oder von geschultem Testpersonal durchgeführt wurden. Wie lange die Tests für eine Einreise gelten, ist nicht festgelegt, darüber entscheiden die Mitgliedstaaten. Empfohlen werden 72 Stunden für PCR- und 24 Stunden für Antigentests, aber einige Mitgliedstaaten sehen eine längere oder kürzere Gültigkeit vor. So ist ein PCR-Test für die Einreise nach Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, Polen und Finnland nur 48 Stunden gültig, nach Frankreich sogar nur 24 Stunden. Antigentests werden für die Einreise nach Deutschland nicht anerkannt.
Was bedeutet das in der Praxis?
Ein Blick in die Internetseite “Reopen.eu” zeigt, dass die Mitgliedstaaten sich für die Einreise weitgehend an die Empfehlung halten. Eigentlich sieht diese zwar vor, dass Reisen von und nach dunkelrot eingestuften Gebieten generell unterbleiben sollten. Dann sollte man also im Moment in Europa gar nicht mehr reisen. In der Praxis lassen aber die Mitgliedstaaten in den meisten Fällen die Einreise zu, wenn man doppelt geimpft, genesen oder getestet ist (3G, nachgewiesen durch das EUDCC). Österreich und Tschechien verlangen auch von doppelt Geimpften und Genesenen zusätzlich einen Test (2G plus), es sei denn, man hat eine Auffrischungsimpfung (die nicht älter sein darf als ein Jahr). In Portugal sind ein Genesungszertifikat oder ein Test erforderlich; Impfzertifikate reichen für die Einreise nicht. Dänemark hat zwar im Inland alle Beschränkungen aufgehoben; einreisen darf man aber weiterhin nur mit 3G. Uneinheitlich ist auch die Altersgrenze: in den meisten Ländern gelten die Regeln ab zwölf Jahren, dagegen in Deutschland und Italien schon ab sechs Jahren, in Griechenland ab fünf Jahren, umgekehrt in Finnland erst ab 15 Jahren. Das kann für Familienreisen ein Problem werden.
In den meisten Staaten ist das EUDCC auch anstelle eines nationalen Covid-Zertifikats (wie das belgische CST) verwendbar, wenn für den Zugang zu Einrichtungen oder Veranstaltungen Beschränkungen wie 2G, 2G plus oder 3G gelten. Das ist insbesondere bei Kultureinrichtungen und Restaurants fast überall der Fall. So gilt in Deutschland 2G für Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie im Handel (außer für den täglichen Bedarf), 2G plus für die Gastronomie (außer man ist “geboostert”) und 3G für öffentliche Verkehrsmittel. Man sollte auch darauf achten, ob für die nationalen Nachweise andere Regeln gelten als für EUDCC: so gilt man in Frankreich ab Mitte Februar nur als geimpft, wenn die letzte “normale” Impfung nicht länger zurückliegt als vier Monate oder man die Auffrischungsimpfung bekommen hat (“pass vaccinal”). Man darf also mit dem EUDCC als “normal Geimpfter” einreisen, aber nicht mit dem inländischen Fernverkehr weiterreisen und auch nicht ins Restaurant oder ins Kino gehen.
Es ist zu hoffen, dass die Lockerungen, die mit dem nahenden Frühling mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen werden, auch die komplizierten Reiseregeln entbehrlich machen. Bis uns im Herbst wohl die nächste Welle erreicht…
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