Von Ferdinand Dupuis-Panther.
Am Tag des offenen Denkmals konnte man im Rahmen des Festivals jazzathome drei Konzerte an 24 Orten besuchen, die in der Regel sonst nicht zugänglich sind, sieht man zum Beispiel vom Jazzklub Jazz-Zolder ab.
Viele der Konzerte drehten sich um das Thema Swing, das Motto des diesjährigen Festivals. Wer dem nichts abgewinnen konnte, der suchte sich halt Modern Jazz und Afro-Cuban-Jazz aus dem vielfältigen Angebot aus, sprich besuchte das Konzert des Bram Weijters 4tets und von Compro Oro. Auch die Kompositionen von Rebekka van Bockstal und ihrem Quartett bewegten sich eher in die Richtung Hard Bop und Artverwandtem.
Rebekka van Bockstal trat im sogenannten Gartenhaus des eh. Klosters von Bethanien auf, in dem im Laufe der Zeit auch mal die Brauerei Posthorn für guten Gerstensaft sorgte. Heute ist in diesem Komplex ein Innenausstatter namens Trendson untergebracht. Gleich um die Ecke befindet sich das Hotel van der Gracht de Rommerswael, das im Laufe der Geschichte auch fromme Schwestern beherbergte und in dem heute ein Restaurant sowie ein Blumengeschäft und Studentenwohnungen untergebracht sind.
Aus der Zeit um 1850 stammt die Kapelle mit ihren Flachpfeilern und korinthischen Kapitellen sowie dem flachen Tonnengewölbe – auch dies ein Ort von Jazzathome, in dem das Quartett um den Pianisten Bram Weijters spielte. Schließlich durften Konzertbesucher auch hinter die hölzerne Fassade von ‘De Duivels’, erbaut 1545-1550, schauen und den heißen Latin Rhythmen von Compro Oro lauschen. Übrigens, ist auch Santana nicht das Non plus ultra, wie man beim Konzert von Compro Oro sehr schnell feststellen konnte. Latin Jazzrock, das zeigte das Quintett um Wim Segers, ist eben mehr, auch mehr als Santana, Tito Puente, Cecilia Cruz oder der Buena Vista Social Club.
Dem Modern Jazz zugetan: das Bram Weijters 4tet
Mit „Ja,ja“ und nicht mit „Nee, Nee“ eröffnete das Quartett um den Antwerpener Pianisten Bram Weijters den musikalischen Jazzreigen in der Kapelle des ehemaligen Klarissinenklosters. Zur Band gehören die in Belgien, aber auch darüber hinaus bekannten Jazzmusiker Carlo Nardozza (Trompete), Lionel Beuvens (drums) sowie Piet Verbist am Kontrabass. Zu den vier vorgestellten Komposition zählte auch der gospelhaft angelegte Song „Dear Lord, give us more of the same“. Dabei handelt es sich um einen Titel, der bisher noch auf keinem Album erschienen ist. Wir hörten zudem „Residu“ und zum Schluss „Acceptance or Denial“.
Die Akustik des ehemaligen Gotteshauses stellte für die vier Musiker eine wahre Herausforderung dar. Über weite Strecken dominierte die Trompete von Carlo Nardozza das Klanggeschehen, auch wenn alle Musiker immer wieder Solos einstreuten und so den nachhaltigen Klang des geblasenen Atemrohrs durchbrachen. Was zu hören war, bewegte sich nicht in den Fußstapfen von Miles Davis, auch wenn Bram Weijters im Vorgespräch mit mir verriet, dass dieser Jazzmusiker einen ganz wesentlichen Einfluss auf ihn gehabt habe und immer noch habe. Vor allem sei Miles so wandlungsfähig gewesen und habe dem Jazz zu immer neuen Wendungen verholfen.
Ein bisschen Cannonball Adderley und sehr viel Eigenes
Nur wenige Schritte mussten, diejenigen zurücklegen, die zuvor im eh. Kloster der Klarissen Jazz genossenen, um in der ehemaligen Brauerei Posthorn, heute der Innenausstatter Trendson, das Rebekka van Bockstal Quartetts zu hören. Aus der Feder der noch sehr junge Jazz-Gitarristin Rebekka van Bockstal wurden Eigenkompositionen präsentiert. Sie trat gemeinsam mit dem Saxofonisten Ambroos de Schepper – ihm war beim Spiel seine Vorliebe für Funk und Soul durchaus anzumerken -, dem Kontrabassisten Kobe Boon und dem Schlagzeuger Marius Couvreur auf. Neben Eigenkompositionen waren aber auch der Standard „I fall in love too easily“ sowie die Komposition des australischen Gitarristen Pete O’Mara „African heritage“ zu hören. Mit „Varnam“, einem traditionellen indischen Stück des belgischen Ragini Trios, fühlte man sich stellenweise an Auftritte von Charlie Mariano mit dem Karnataka College of Percussion erinnert, auch wenn die indischen Perkussionisten fehlten.
Die Eigenkompositionen von Rebekka van Bockstal waren musikalisch nicht ausschließlich auf die Gitarristin bezogen, wenn sie auch mit ihren Solos – technisch herausragend – zu überzeugen wusste. Im Gegenteil die Songs wurden in den Klangfarben sehr stark vom Sopran- und Altsaxofon und deren Klangphrasierungen dominiert, auch bei „Ready, Set, Go“, das allerdings weniger Aufforderungscharakter an den Tag legte, als der Titel es vermuten lässt.
Mit starker Rhythmik fesselte „African Heritage“ die Anwesenden. Ein bisschen Fela Kuti schien bei den Sopransaxofonpassagen mit im Spiel zu sein. Zugleich mischten sich beim Gitarrensolo westliche Klangformen mit den „afrikanischen Beats“. Bei „Falling Grace“ drängte sich der Eindruck auf, Nat und Cannonball Adderly hätten hier Pate gestanden. Wie gesagt mit einem traditionellen Song aus Indien beendete das Quartett den Auftritt. Der anhaltende Beifall war die angemessene Anerkennung für diese noch recht jungen Jazzer. Man darf auf Mehr gespannt sei.
Im „Teufel“ brannte die Luft: Compro Oro on stage
Vorhang auf für Latin Groves und Mehr hieß es hinter der Holzfassade des Hauses „Der Teufel“. Zu hören war Compro Oro, eine Band rund um den Vibrafonisten Wim Segers. Er spielte zusammen mit Bart Vervaeck (git), Mattias Geernaert (bass), Robbe Kieckens (percussion) und Frederik Van den Berghe (drums). Mit „Greetings from the colony“ eröffnete die Band das Konzert, machte uns mit Miami der 1980er Jahre bekannt, als es dort noch nett war, schickte uns auf musikalische Goldsuche – „Eldorado“ erklang – und verabschiedete die Zuhörer mit „Bombarda“ in den frühen Abend von Mechelen.
Oje, Oje – aber kein Samba pa ti: Compro Oro brachte den Saal zum Beben. Nein, Salsa und Merengue, Bossa und Calypso blieben außen vor. Latin Jazz Rock stand im Fokus. Mit Leidenschaft und großem körperlichen Einsatz, also wirklich physisch im wahrsten Sinne des Wortes, agierte Wim Segers an Vibra- und Marimbafon und ließ die Klangstäbe wirklich tanzen. Mit der Daumenharfe, eigentlich Kalimba genannt und von Robbe Kieckens gespielt, war auch ein Stück Afromusik präsent. Die elektronisch verfremdete Gitarre in den Händen von Bart Vervaeck hörte sich zeitweilig so an, als folge man lang anhaltenden Walgesängen. Die Basstrommel war steter Begleiter und Taktgeber. Beinahe sphärische Klangströme entlockte Wim Segers seinem metallenen Schlagwerk im weiteren Konzertfortgang. Manchmal überkam den Berichterstatter die Vorstellung eines schwülen Dschungels mit dem Gesang exotischer Vögel, dem Ruf der Brüllaffen, dem konstanten Geschwirr der Zikaden.
Zum Schluss zündete die Band ein wahres Feuerwerk an, als „Bombarda“ gespielt wurde. Die Hütte kochte. Doch nach drei Sets waren die Musiker verständlicherweise auch physisch an ihrem Limit, zumal die Temperaturen im Haus „De Duivels“ tropische waren. Durchaus passend zur Musik, aber irgendwann ist dann auch mal ein Festivalkonzert beendet.
Übrigens, ohne Sponsoring ist ein solches Festival nicht zu stemmen. Nur einige seien an dieser Stelle erwähnt: Trendson, Brouwerij Het Anker, Willemen und unwined. Diese sorgten auch für das leibliche Wohl durch ein Gratis-Maneblusser, das Stadtbier Mechelens, und Wein durch unwined – wines with a story ausgeschenkt. Und welches Motto gibt es nächstes Jahr zum dreizehnten Jazzathome? Lassen wir uns überraschen!
Text und Photos © ferdinand dupuis-panther
Informationen
Musiker
Whexp
Les Swing Barons
https://www.facebook.com/TheSwingBaronsJazzBand
Bram Weijters
Rebekka van Bockstal
http://rebekkavanbockstal.com/Ebio.html
Compro Oro
Veranstalter
jazzathome
Jazz-Zolder Mechelen
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