Von Lukas Karl, debelux magazine
GRACQ und Fietsersbond sind zwei Fahrradvereine, die die Meinungen der Radfahrer in allen drei belgischen Regionen vertreten. In Brüssel stoßen oft gegensätzliche Interessen aufeinander. Doch die Verkehrsüberlastung ist nicht mehr zu übersehen. Wie also kann Mobilität in der Stadt in Zukunft aussehen?
2017 wurden in Brüssel 758 Fahrradunfälle registriert, laut dem Fahrradverein CRACQ (Groupe de Recherche et d’Action des Cyclistes Quotidiens). Diese Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Dies ist auch auf den Anstieg der Verkehrsteilnehmer auf zwei Rädern zurückzuführen: zwischen 2010 und 2016 ist die Zahl laut Verkehrsbehörde Bruxelles Mobilité um 14% gewachsen.
Die Nachfrage ist also vorhanden, nur die sichere Infrastruktur fehlt. Florine Cuignet von der Fahrradvereinigung GRACQ (Groupe de Recherche et d’Action des Cyclistes Quotidiens) missfällt, dass das Auto ein so selbstverstandliches Fortbewegungsmittel in Brussel ist. „Das Auto wird als praktischstes und schnellstes Fortbewegungsmittel angesehen und dadurch wird vergessen, dass es gerade das Fahrrad ist, das eine ideale Fortbewegung in der Stadt zulässt“, sagt sie. Florine Cuignet spricht im Interview eine Problematik an, die nicht nur die Fahrradliebhaber, sondern auch die Politiker in Brüssel erreicht hat. Auch mit Blick auf die steigende Bevölkerungszahl muss sich etwas ändern. Brüssel-Hauptstadt zählt mittlerweile knapp 1,2 Millionen Einwohner. Das Auto nehme laut Cuignet zu viel Platz ein.
Stadtteile einigen sich auf Verkehrsplan
Zuständig für die politische Kommunikation CRACQ’s, stellt sie das Bindeglied zwischen den Interessen der radfahrenden Bevölkerung und der zuständigen Politiker auf regionaler und Stadtebene. Hier kommt bereits ein großes Problem auf: die Region beherbergt 19 Gemeinden mit eigenen Verwaltungen und Entscheidern. Um gemeinsam schneller zu einer Lösung zu kommen, seien die Stadtteile bzw. Kommunen nun dabei, ein Abkommen auszuarbeiten, das sich am Verkehrsplan der Region für die Jahre 2018-2028 orientieren soll.
“Es ist es höchste Zeit, dass sich etwas tut”, so Cuignet. CRACQ ist überzeugt, dass Investitionen in eine besser ausgebaute Fahrradinfrastruktur schneller und günstiger realisierbar sind, als der Ausbau von Straßen oder des öffentlichen Nahverkehrs. Auf diese Weise könne die Verkehrslage sehr viel schneller verbessert werden. „Im Moment behindert die Autoinfrastruktur, der viel Fläche gewidmet wurde, die Umsetzung neuer Projekte, die aber eine sofortige positive Auswirkung auf die Lebensqualität haben könnte. Der Platz sollte nicht dem Auto, sondern dem Bau von Fahrradwegen, Straßenbahnlinien oder Grünflächen zugutekommen.“
Mehr Unterstützung seitens der Politik gefordert
Die Brüssel-Hauptstadtregierung will das Problem mit dem Bau von der Fahrbahn abgetrennter Radwege lösen, derzeit geschieht das am Innenstadtring, auf dem Boulevard General Jacques und an der Avenue Roosevelt. Im gesamten Stadtgebiet verteilt, sollen auf insgesamt 80 Kilometern an vielbefahrenen Straßen sichere Radwege gebaut werden. Mikael Van Eeckhoudt, Direktor des Fietserbond, dem niederländischsprachigen Schwesterverein von GRACQ, geht dieses Vorhaben jedoch nicht weit genug.
“Brüssel hat sich in den letzten 40 Jahren zu einer ‚City for Cars‘ entwickelt. Sie muss nun wieder zu einer ‚City for People‘ werden. Die Stadt hat ein gigantisches Potential, um sehr schnell eine der fahrradfreundlichsten Städte Europas zu werden”, so Eeckhoudt gegenüber dem debelux magazine. Dafür muss die Anzahl der Pkw’s allerdings drastisch abnehmen. Wichtig dabei sei, dass die Fahrradvereine eng mit der politischen Bühne zusammenarbeiten können. “Wir erwarten einfach, dass die Region und die Kommunen Ambitionen zeigen und eine Langzeitvision zugunsten von aktiver Mobilität, zu Fuß oder per Rad, entwickeln.“
Hierfür machen sich die Fahrradvereine im Hinblick auf die Kommunalwahlen im Oktober 2018 sowie auf die Wahlen der regionalen und föderalen Ebene im Mai 2019 stark. Van Eeckhoudt setzt hierfür auch auf Verjüngung der politischen Ebene. „Wir stellen fest, dass die neue Generation von Politikern offener für die Fahrradbelange ist als ihre Vorgänger.“
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus debelux magazine
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