Von Angela Franz-Balsen.
Zum 7. Mal offerierte die “Affordable Art Fair 2016” in Brüssel ganz unprätenziös vier Tage lang zeitgenössische Bilder, Skulpturen und Kurioses an rund 100 Ständen belgischer und europäischer Galerien. Mehr als 10 000 Kunstbegeisterte konnten Trends erspüren und ihr Herz verlieren.
Die Wintersonne scheint fast grell am letzten Februartag und lässt einen Spaziergang am Kanalufer attraktiver erscheinen als den Besuch der Affordable Art Fair auf dem Tour & Taxis–Gelände. Ich begebe mich zu den noch relativ unwirtlichen, tristen Hintergebäuden des Brüsseler Ausstellungszentrums . Wird an diesem letzten Tag der „Affordable Art Fair“ überhaupt etwas los sein? Das pinkfarbene Banner, das den Weg weist, kann meine Bedenken nicht beheben.
Salatblätter
Nach wenigen Schritten Eintritt in eine bunte, warme Welt: Freundlich begrüßt von einer jungen Dame mit Herrenhut, stehe ich vor einer Wand mit Objekten aus Salatblättern, die mich sofort in ihrem Bann ziehen, so wie alles, was ich an den ersten Ständen entdecke. Eine solche Vielfalt an originellen Exponaten, die sorgfältige Auswahl von Künstlern durch die Galeristen (nur drei pro Galerie sind erlaubt), eine fast interaktive Präsentation –man darf auch mal was anfassen – , ich bin positiv überrascht.
Ein erster Blick auf die Preise: Was heißt hier „affordable“, also erschwinglich? Die richtigen Hingucker liegen schon so zwischen 1200, – EUR bis 3800, -EUR, – , es werden aber auch Gemälde oder Keramiken für mehrere hundert Euro angeboten. Nur ganz wenige Stücke begegnen mir später, die über 4000, – EUR kosten sollen. Aber überall gibt es Verhandlungsspielraum, zumal am letzten Tag, raunt mir ein Galerist zu.
Es ist gerade die richtige Menge an Besuchern, die am Montagmorgen durch die Gänge zwischen den Ständen schlendert, man fühlt sich nicht allein, hat aber Platz zum Schauen und kommt schnell mit den Galeristinnen und Galeristen ins Gespräch, wenn man sich ein Objekt genauer und von allen Seiten anschaut. Es gibt Flyer zu einzelnen Künstlern und an den meisten Ständen die Möglichkeit, seine Mailadresse zu hinterlassen, um zur nächsten Vernissage eingeladen zu werden. Immerhin sind dreißig der vertretenen Galerien in Belgien angesiedelt. Daneben sind vor allem die Nachbarländer vertreten, überwiegend Frankreich, die Niederlande, England oder Spanien und auch Deutschland.
Massimo Danielis (Galerie ars, -tis) aus München schaut zufrieden aus, bei seiner fünften Teilnahme an der AAF in Brüssel hat sich der Einsatz gelohnt („Man muss eine Messe mehrmals besuchen.“). Er mag das Ambiente von Tour & Taxis und schätzt die unkomplizierte Zusammenarbeit mit den Organisatoren, die offen und hilfsbereit auch Sonderwünsche erfüllten. Der moderate Publikumsverkehr („keine Völkerwanderung“, selbst am Samstag und Sonntag) gestattet gute Beratungsgespräche. Die aufwendige Technik seiner eigenen Ölbilder erklärt er in aller Ruhe, wie etliche andere Aussteller ist er sowohl Künstler als auch Galerist.
Viele Kaufinteressenten
Es gibt mehrere Werke, die mich berühren, die eine starke Wirkung entfalten … wow, schnell wenigstens ein Foto machen, was meistens erlaubt ist. Manche wirken wie Magneten und haben schon etliche rote Punkte an den Preisschildchen: das heißt, es gibt viele Kaufinteressenten. Dazu gehören etwa riesige Fotokunstbilder hinter Glas, die die Ästhetik verfallener Villen und Paläste pathetisch in Szene setzen. Dann gespinstähnliche, superzarte Objekte, ein Kinderkleid, gefaltet aus grauem Landkartenpapier, ätherisch schön. Ein häufiges Motiv, fast schon ein Trend, sind Menschen, als Einzelgänger in der Masse, mal zart wie Scherenschnitte oder als zierliche Bronzefigürchen, dann knallbunt im Comicstil (siehe Foto), immer jedoch ein treffliches Abbild von Menschen in der westlichen Kultur. Urbanes Leben ist auf unterschiedlichste Weise in Szene gesetzt. Die Modernität lässt sich also eher in den Motiven ausmachen. Stilistisch greifen viele Künstler auf die alten Meister zurück, bei Stilleben oder Portraits.
So am Stand von „The Public House of Art“ aus Amsterdam. Düstere Einzelportraits erinnern vom Malstil an Vermeer und andere flämische Maler. Sie zeigen aber selbstbewusste moderne Frauen, die Halskrausen aus Zigaretten oder aus Slip-Einlagen tragen. Es sind Fotos der Künstlerin Jenny Boot – sie ist für mich die Entdeckung des Tages, genau wie das Konzept von „The Public House of Art“. Das Video auf der Startseite dieses Online-shops für Kunst erklärt in etwa auch die Philosophie der „Affordable Art Fair“: WE BELIEVE ART IS FOR ALL.TO DISRUPT NOT BANKRUPT. TO MOVE, TO SHOCK, TO OFFEND „Wir gehören zu den Start-ups hier, wir führen viele Gespräche und finden das Publikum toll“, sagt Golda Heilbronn, und strahlt zusammen mit ihrer Kollegin in die Kamera.
Sketch my mind
Aber es begegnen mir noch weitere Stücke, die ich mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Eines davon ist ein Druck, zu haben für 150, -Euro. Ich muss mich nicht an Ort und Stelle entscheiden, denn das Projekt „Sketch my Mind“ (www.sketchmymind.com) ist ein Brüsseler Start-up. Es fordert junge belgische Künstlerinnen und Künstler auf, Werke zu kreieren, die dann in einer Auflage von 30 Stück gedruckt und für jeweils 150, – EUR verkauft werden, genial. Auch hier steht eine Message dahinter: Change the game, don’t let it change you. Ich hinterlasse meine Mailadresse.
Mehrfach nehme ich mir vor, jetzt nur noch den Ausgang anzupeilen, aber ohne Schlenker schaffe ich das nicht, die Öffnungszeit neigt sich dem Ende zu, ein paar Aussteller stehen zusammen und trinken Sekt, aber niemand hängt schon ab, keine Kehrausstimmung.
Also Kunstfreunde, aufgepasst, 2017 wird es wieder eine Affordable Art Fair geben, und am besten gehen Sie am Montag hin!
Die „Affordable Art Fair“ ist weltweit führend in der Vermarktung von Originalkunstwerken, die preislich unterhalb der Grenze von 7500, – EUR liegen. Sie findet jährlich in New York, Seoul, Singapur, Stockholm, Bristol, London, Amsterdam, Hamburg und Brüssel statt.
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