Von Friedhelm Tromm.
Sabine Ludwig zählt zu den erfolgreichsten deutschen Kinderbuchautorinnen, mehrfach wurde sie für ihre Kinder- und Jugendromane ausgezeichnet. Am 23. Februar war sie Dank der Initiative der Gutenberg-Buchhandlung zu Gast an der iDSB und zeigte, dass sie sich sowohl auf humorvolle als auch auf ernste Themen versteht.
Viel zu lachen gab es zunächst in der Grundschule, wo die Autorin für die 2. bis 4. Klassen aus dem neusten Band ihrer bekannten „Miss Braitwhistle“-Reihe las: Nachdem die Klassenlehrerin der 4a (A wie Albtraum!) einen Nervenzusammenbruch erleidet, muss Ersatz her: Miss Whistleblower aus England übernimmt die Klasse, und ab jetzt macht die Schule richtig Spaß. Miss Braitwhistle ist immer für eine Überraschung gut: Das Nachsitzen wird zur Flugstunde, ein Pferd kommt zum Tee und mitten im Sommer beginnt es zu schneien! Eine im wahrsten Sinne zauberhafte Lehrerin, diese “fabelhafte Miss Braitwhistle“.
Doch auch ernstere Themen gehören zum Repertoire der Schriftstellerin.
„Schwarze Häuser“: Ereignisse aus einer dunklen Vergangenheit
In dem 2014 erschienenen Roman „Schwarze Häuser“ erzählt sie eine wahre Episode aus ihrem Leben, die freilich auf heutige Jugendliche wie aus einer anderen Welt wirken muss: „Als ich zehn Jahre alt war, wurde ich auf eine Nordseeinsel ‚verschickt’, erzählt sie und fährt fort: „So nannte man es, wenn Großstadtkinder für sechs Wochen in ein Kinderkurheim gesteckt wurden, wo sie sich erholen sollten. Obwohl das nun schon fünfzig Jahre her ist, habe ich diese Wochen im Kinderheim nie vergessen“.
Dort gab es nämlich „fiese Erwachsene“ und „noch fieseres Essen“ und nachts biss sie sich oft vor Heimweh ins Kissen, damit niemand sie weinen hörte. Doch zum Glück gab es in dem Heim andere Kinder, denen es genauso ging und die ihr halfen, wie Uli, Fritze, Anneliese und Freya, die man in diesem Buch kennenlernt. Man ist dabei, wenn sie im eisigen Waschraum vor Kälte zittern, ausgehungert in die Speisekammer einbrechen, bei Windstärke zwölf auf einen toten Wal klettern, fürchterlich bestraft werden und – doch nie den Mut verlieren.
„Haben Sie das wirklich alles selbst erlebt?“, fragen die Schüler der 5. und 6. Klassen etwas ungläubig. – „Ja, antwortet Sabine Ludwig, „es war wirklich genau so, wie ich es beschrieben habe. Zum Beweis hat sie einen Brief mitgebracht, den sie damals aus dem Heim an ihre Eltern schrieb, deutlich ist darauf ein schwarz gezeichnetes Haus zu sehen. Was es damit auf sich hat? „Ein Code“, berichtet Sabine Ludwig, und erzählt weiter: „Handys gab es damals ja noch nicht und die Briefe, die wir ein Mal pro Woche schreiben durften, wurden von den Erzieherinnen gelesen. Stand etwas zu Negatives darin, durften sie nicht abgeschickt werden“. Nur die Eltern wussten deshalb, dass ein buntes Haus unter dem Brief bedeutet hätte, dass es ihr gut ging.
Tatsächlich passierte dieser Brief die Zensur, lediglich versehen mit einem Kommentar: „Sabine geht es gut, heute hat sie noch nicht geweint“ – eine glatte Lüge.
Eindrückliche Geschichten
Die Erlebnisse des jungen Mädchens aus den 1960er Jahren gehen den Schülern des Jahres 2016 sichtlich nahe. Zwar gehören für sie die Zeiten der „schwarzen Pädagogik“ gottlob einer vergangenen Epoche an. Die Situation aber, sich gegenüber Erwachsenen behaupten zu müssen, wird immer zu den Grunderfahrungen der Jugend gehören. Und das Erlebnis, wie sehr einem Gleichaltrige dabei helfen können, sich nicht unterkriegen zu lassen, kann man in dieser Intensität jedem nur wünschen.
So bildet sich nach einem ausführlichen Gespräch mit der Autorin eine gewaltige Schlange, um eine der mitgebrachten Autogrammkarten zu erhalten, und der Büchertisch der Gutenberg-Buchhandlung bleibt noch lange umlagert.
Wie sehr es Sabine Ludwig gelingt, mit ihren Geschichten Kinder und Jugendliche zu erreichen, zeigt auch ihr jüngster Coup: Ihr Buch „Hilfe, ich habe meine Lehrerin geschrumpft“ wurde im letzten Jahr verfilmt und läuft seit Mitte Dezember in den deutschen Kinos – ein Erfolg, der bisher nicht vielen Kinderbuchautoren gelungen ist.
Bericht und Fotos: Friedhelm Tromm
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