Von Friedhelm Tromm.
Noch reiben sich viele die Augen, die nicht mit diesem Wahlausgang gerechnet haben, in den USA und weltweit. Doch welche Lehren kann Europa aus den Ereignissen in Amerika ziehen? Schüler der internationalen Deutschen Schule Brüssel luden kurz vor der Wahl zu einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion.
„#GCG#Great Evening!“, twitterte Susan Schneider (Board Member der FDP-Auslandsgruppe) am Ende des Abends auf dem ‚analogen’ iDSB-Twitter-Board: Doch nicht nur die Diskussionsteilnehmer, auch die Zuschauer zeigten sich begeistert von der Qualität der Podiumsdiskussion am 7. November, am Abend vor den US-Präsidentschaftswahlen.
Exklusive Gäste, fundierte Informationen
Außer Susan Schneider nahmen keine Geringeren als David McAllister (Vorsitzender der Delegation der Beziehungen zwischen den USA und dem Europaparlament), John J. Hillmeyer (leitender Mitarbeiter der US-Botschaft bei der NATO), Peter H. Chase (Senior Fellow des US Marshall Funds) und Kerstin Maher (von der Organisation „Democrats abroad“) an der Debatte teil, die von Anne Gellinek (Leiterin des ZDF-Studios Brüssel) professionell moderiert wurde.
Eingeladen hatte die „Global Connections Group (GCG)“, eine von Schülern gegründete Non-Profit-Gruppe, die sich weltweites soziales und politisches Engagement auf die Fahnen geschrieben hat und seit neuestem Veranstaltungen zu politischen Themen aller Art initiiert.
John Hillmeyer erläuterte fundiert das US-Wahlsystem und warf einen höchst informativen Rückblick auf die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen seit den 1960er Jahren.
Ein Wahlkampf, den man gern schnell vergessen würde
Das Wahlsystem der USA ist mit dem in Europa nicht vergleichbar, dennoch hält es David McAllister für „ein gutes System“ – im Prinzip. Denn was das Podium aus europäischer Sicht durchaus befremdlich fand, ist die riesige Bedeutung des Geldes bei der Kandidatenauswahl und im Wahlkampf. „Ohne Geld geht es nicht“, bestätigte Kerstin Maher von der Organisation „Democrats abroad“, denn: „Entweder muss der Kandidat selbst viel Geld mitbringen, oder seine Partei muss viel Geld aufwenden, um den Wahlkampf zu führen, SEHR viel Geld“. Ist dies ein entscheidender Grund dafür, dass jemand, der nicht aus dem Establishment stammt, nur schwer Zugang zu politischen Ämtern erhält? Das mag sein, aber „die Notwendigkeit, um Unterstützung und Sponsorengelder zu werben, fördert charismatische Kandidaten“, gab Peter Chase (Senior Fellow des US Marshall Funds) zu bedenken.
Donald Trump war zweifellos ein jedenfalls außergewöhnlicher Kandidat, und er hat seinen Wahlkampf selbst finanziert, gleichzeitig aber die Wählerschaft in außergewöhnlicher Weise polarisiert. Kerstin Maher hält es vor allem für unerträglich, dass in diesem Wahlkampf „Fakten nicht mehr akzeptiert“ wurden, dass man „ungestraft soviel lügen konnte, wie man wollte“. Nach diesem Wahlkampf müsse man erstmal zur Ruhe kommen und die Parteien versöhnen, fügt Peter Chase hinzu.
Aber sind Trump und seine „Bewegung“ ein ausschließlich amerikanisches Phänomen?
Das Phänomen Populismus
„Wie ist jemand wie Trump überhaupt möglich geworden?“, fragte Anne Gellinek die Teilnehmer, und: „Wie kann man diese Art des Populismus erklären, hat dies auch mit dem relativ niedrigen Bildungsstand von Trumps Anhängern zu tun?“.
Letzteres bezweifelte Peter Chase, denn zwar hätten Trumps Anhänger häufig keinen College-Abschluss, doch gebe es auch einen linken Populismus in Amerika: Bernie Sanders mit seinen gleichfalls teilweise populistischen Forderungen hätten im Gegenzug überdurchschnittlich viele Hochschulabsolventen unterstützt.
David McAllister warnt in diesem Zusammenhang insbesondere vor europäischem Hochmut: Populistische Bewegungen würden auch hier an Einfluss gewinnen, weshalb er durchaus besorgt sei, man könne dem Populismus aber entgegentreten: „Dazu braucht man zwei Dinge, Selbstvertrauen und gute Argumente!“. Selbstkritisch räumte er ein, das politische Establishment hätte auch hierzulande seinen Anteil am Aufstieg beispielsweise der AfD. Seit Jahrzehnten würde die Wahlbeteiligung sinken, aber bisher habe das die etablierten Parteien wenig gestört. Jetzt müssen sie erleben, dass sich das Wählerpotential der AfD vorwiegend aus dem Kreis der Nichtwähler rekrutiert.
Das Gefühl einer Zeitenwende
Und auch die heute geladenen Experten schätzten „Volkes Stimme“ offenbar immer noch nicht richtig ein: Mit Ausnahme von Susan Schneider konnte sich niemand vorstellen, dass Donald Trump die Wahlen in Amerika tatsächlich gewinnen würde. Schulvereinspräsident Andreas Beckmann beschlich gleichwohl das Gefühl einer „Zeitenwende“, ähnlich wie zuletzt beim „Brexit“-Votum im Juni. Schüler auf die sich wandelnde Welt vorzubereiten, sei aber die Aufgabe der iDSB, und deshalb sei es mehr als passend, Veranstaltungen wie die heutige in die Schule zu holen. Umso besser, wenn die Schüler selbst dafür sorgen, wie an diesem Abend.
David McAllister hinterließ auf dem Twitter-Board am Schluss seinen ganz persönlichen Wunsch: „#Whatever happens tomorrow, US & Europe are friends#“ und John Hillmeyers Botschaft lautet: „#Democracy.Everyone wins!“ – hoffentlich mehr als fromme Wünsche!
Bericht und Fotos: Friedhelm Tromm
Beiträge und Meinungen