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Dreimal Napoleon

Zwischenablage01Von Margaretha Mazura

Heute Ligny, morgen Waterloo. Napoleon Bonaparte, genialer Feldherr oder charismatischer Diktator, ist vor allem für seine gewonnenen und verlorenen Schlachten und Feldzüge bekannt – und erregt 200 Jahre nach Waterloo immer noch die französischen Gemüter, wenn der Sieg über ihn auf einer belgischen 2 Euro-Münze dargestellt werden soll. Aber er hatte auch andere Züge, die die Geschichte oft vergisst.

1. Napoleon und was «die Mode streng geteilt»

Napoleon brachte aus all seinen Feldzügen Erinnerungsstücke mit, viele noch heute sichtbar im Louvre. Als Kriegsbeute seinerzeit der französischen Nation zum Geschenk gemacht, erfreuen sie Besucher und erregen die Gemüter der Ausgebeuteten. Ein Objekt hingegen findet kaum eine Erwähnung, wenn von Bonapartes ägyptischem Abenteuer die Rede ist: der Kaschmirschal. Seit das Bürgertum nach der französischen Revolution auch die Mode revolutioniert hatte – es gab ja die ersten Nouveaux-Riches – gelüstete es auch Napoleon, seinen Stempel auf die Mode zu drücken.

Der neoklassizistische Stil nahm Beispiel am griechischen Vorbild, dünner Batist liess die Figur duchschimmern – und die Haut darunter in Kälte zittern. Was kam da gelegener, als ein wärmender Kaschmirschal? Ägypten war in Handelsbeziehungen mit dem Nahen Osten, der wiederum viele Textilwaren aus Indien bezog. Aber was sich Joséphine leisten konnte, war nicht jeder Dame gegönnt: Ein echter «Schall», wie er auf Französisch damals geschrieben wurde, hatte seinen Preis, etwa so wie heute ein Kleinwagen: die Produktion eines einzigen Schals konnte bis zu 3 Jahre betragen. Aber Napoleon sowie die Modeschöpfer waren erfinderisch und so wurde, langsam aber stetig, die französische Textilindustrie angekurbelt und Paris als Modezentrum etabliert, wozu auch die von Napoleon wohlwollend erwähnte Zeitschrift «Journal des Dames et des Modes» ihren Beitrag leistete, die seit 1798 der Damenwelt erzählte, was «in» war.

Nap_Fan_detailEin anderes Modeakzessoire, heute in Vergessenheit geraten, ist der Fächer, der im Kleinformat des Empire seine zweite Jugend während der Belle Epoque feierte. Neben lieblichen Blumen and ätherischen Frauenprofilen vergass man auch seine Helden nicht. Und so produzierte «Alexandre, éventailliste, Paris» um 1900 einen Napoleon-Fächer. Ironie des Schicksals und gefundenes Fressen für Sammler-Anekdoten: Er wurde auf einem Flohmarkt gefunden – in Waterloo !

2. Was schenkt man seinem kleinen Sohn ?

Herzog von reichstatt-DaffingerJoséphine hatte nicht nur Napoleon betrogen (wie er sie auch), sie hatte ihm auch einen Nachfolger versagt. Also sah er sich nach einer würdigen zweiten Frau um und fand sie in Marie-Louise von Österreich. Die Österreicher sind ja wahrlich unverbesserliche Masochisten, wenn es um Frankreich und Italien geht, und sind auch bereit, zu opfern: ihre Töchter. Marie-Louise, Grossnichte von Marie-Antoinette, sah der Hochzeit skeptisch entgegen, war aber nach anekdotischen Quellen von den ehelichen Fähigkeiten Napoleons entzückt. Als Ergebnis wurde 1811, ein Jahr nach der Eheschliessung, Napoleon Francois Joseph Charles geboren, der im österreichischen Exil (oder Heimatland) nach Napoleons Abdankung als «Franz» aufwuchs und mit 21 Jahren an Tuberkulose starb. Der alte (belgische) Prince de Ligne – jener, der das Bonmot prägte «der Wiener Kongress tanzt, aber er bewegt sich nicht vorwärts» – hatte den 3-jährigen König von Rom ins Herz geschlossen und, da er damals in Wien residierte, oft gesehen. Er prophezeite auch: «Das beste für den Wiener Kongress wär’ eine «schöne Leich’ eines Feldmarschalls ». Er wusste nicht, dass es seine eigene werden sollte; er starb im Dezember 1814.

Rechtzeitig zum Jahrestag der Schlacht bei Waterloo werden Sotheby’s London ein paar Miniatur-Pistolen mit Goldeinlegearbeiten – «N» und Adlermotif – versteigern (https://news.artnet.com/in-brief/sothebys-to-auction-napoleon-pistols-307610). Es war Napoleones letztes Geschenk an seinen dreijährigen Sohn 1814. Geschätzt auf 800.000 bis 1.2 Millionen Pfund, sind sie historische Zeitzeugen einer Vaterliebe, die Napoleon nie ausleben durfte.

3. Napoleon – zerbrechlich und in Bausteinen

Das Spektakel des 200-jährigen Jahrestages der Schlacht bei Waterloo überschattet alles – oder fast. Es gibt auch ein paar friedlichere Ausstellungen, die die andere Seite – oder eine modernere Interpretation Napoleons – ins Auge fassen.

Lego_NapIn Charleroi ist die Ausstellung «Juin 1815 – Napoléon à Charleroi» bis 10. September geöffnet. Private Zeugen des Aufstiegs und Falls Napoleons aus der Sammlung von Pierre-Jean Chalençon wie Grafiken, Porzellan, persönliche Gegenstände werden gezeigt. Dazu zeitgetreu rekonstruierte Uniformen, als Napoleon tatsächlich in Charleroi weilte, sowie Bilder und Gegenstände der Soldaten aus Charleroi, die Napoleon gedient hatten.

Praktische Information :
Di – Fr : 9 – 17 Uhr
Sa : 10-18 Uhr
So : 12-18 Uhr
Palais des Beaux-Arts, place du Manège
6000 CHARLEROI

Einen anderen Ansatz zeigt die Ausstellung in den «Ecuries» von Waterloo: Nachgestellte Feldzüge, aber auch der Triumphbogen von Malmaison, der Zweispitz Napoleons sowie Portraits und Möbel des Empire werden auf spielerische Weise dem Besucher nahegebracht – in Form von Lego-Bausteinen. Bis 31. Juli, ein Erlebnis für die ganze Familie. Wer noch Zweifel hat, den kann dieser Teaser überzeugen:  https://www.youtube.com/watch?v=htVbDoRoIj8
Histoire en briques Lego
Di – So 14-18 Uhr
« Ecuries », 308 chaussée de Bruxelle, 1410 Waterloo. Eintritt : 2 €

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