Archiv, Geschichte

Die Goldenen Sporen von Kortrijk

Capture d’écran 2014-05-31 à 16.24.20Das Jahr 1302 ist für die Flamen so etwas wie der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Schon in der Grundschule lernen flämische Kinder, was sich in diesem für Flandern so wichtigen Jahr zugetragen hat: die Schlacht der Goldenen Sporen und der Sieg über ein französisches Heer in Kortrijk. Nirgendwo ist die Erinnerung an dieses Ereignis so lebendig wie in der Liebfrauenkirche der westflämischen Stadt.

Die Gewölbedecke der Liebfrauenkirche zu Kortrijk erzählt ein Stück flämische Geschichte. Genauer gesagt tun dies Nachbildungen der goldenen Sporen, welche die Flamen im Jahr 1302 nach dem Sieg in der gleichnamigen Schlacht von den unterlegenen Franzosen erbeutet haben sollen. Mit dem Sieg über eine damals militärisch überlegene französische Armee am 11. Juli 1302 rühmen sich die Flamen bis heute.

Capture d’écran 2014-05-31 à 16.24.12Zur Erinnerung an die Schlacht der Goldenen Sporen auf dem Groeningekouter in Kortrijk wurde der 11. Juli sogar zum Fest der flämischen Gemeinschaft auserkoren. Für flämische Nationalisten ist dieses Fest gleichbedeutend mit ihrem Nationalfeiertag. An diesem Tag ist in der Regel besonders viel nationalistisch-patriotisches Säbelrasseln zu hören. Dabei vergessen die Flamen ganz gerne, dass die Franzosen sich in der Schlacht von Westrozebeke – 80 Jahre nach der Schlacht der Goldenen Sporen – rächten, die Trophäen wieder mitnahmen und sie mahnend in der Kathedrale von Saint-Denis, der Grabkirche der französischen Könige, ausstellen sollten.

Nachträgliche Heroisierung

Die heutigen Sporen sind folglich nur Kopien der auf dem Schlachtfeld erbeuteten Originale. Zusammen mit dem gelb getünchten Gewölbe und den darauf gemalten flämischen Löwen sollen sie flämische Stärke und Selbstbewusstsein symbolisieren. Ein Selbstbewusstsein, das der Schriftsteller Hendrik Conscience mit seinem historisch verklärenden Roman “Der Löwe von Flandern” im 19. Jahrhundert wieder entdeckte. Hendrik Conscience – oft als Schriftsteller bezeichnet, der seinem Volk das Lesen lehrte – trug mit seiner verfälschten Aufarbeitung der Ereignisse wesentlich zum Erwachen der flämisch nationalistischen Bewegung bei, die heutzutage vor allem in der Neuflämischen Allianz (N-VA) ihre politische Heimat findet.

Capture d’écran 2014-05-31 à 16.24.05Die flämischen Nationalisten berufen sich heutzutage also auf eine Geschichte, die im Wesentlichen auf falschen und falschinterpretierten Informationen eines Schriftstellers basiert, die genauso verklärend wirkt wie die Kopien der Goldenen Sporen in der Liebfrauenkirche von Kortrijk. Die eigentliche Geschichte der flämisch-französischen Auseinandersetzung ist aus flämischer Sicht in Wahrheit weniger ruhmreich. Und trotz alledem wird beim Besuch der Liebfrauenkirche sofort deutlich, welche Macht und welchen Einfluss die Grafschaft Flandern zu jener Zeit hatte.

Wie groß der Einfluss und die Macht der Grafen von Flandern im Mittelalter war, ist  weniger an den Goldenen Sporen, sondern vielmehr an ihren Selbstbildnissen in der südlich des Hauptschiffes befindlichen Grafenkapelle zu erkennen. Umrahmt von gotischen Spitzbogen erzählen ihre Bilder von einer ruhmreichen Vergangenheit. Ein interaktives Informationspanel hilft dem Besucher der Liebfrauenkirche, sich durch drei Jahrhunderte flämische Geschichte zu klicken und dabei vieles über die Grafen, die Schlacht der Goldenen Sporen und über den Kirchbau mitsamt seiner geschleiften Festung zu erfahren.

 

Autor: Armand de Meulenaere

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