Das Deutschlandbild der Belgier ist verschwommen, und die deutsche Sprache hat es immer schwerer, sich auf den Stundenplänen der Schulen durchzusetzen. Die Zunft der Deutschlehrer ist, wie die der Kriegsveteranen, vom Aussterben bedroht. Wie viel Deutsch nützt noch in der Arbeitswelt? Bei vielen deutschen Globalplayern wird intern – englisch gesprochen.
Nicht sexy
Vor einiger Zeit brachte eine Studie der Universität Antwerpen die paradoxe Situation von Deutsch als Fremdsprache (DaF) ans Licht: Mögen belgische Arbeitgeber in ihren Stellenangeboten dem Deutschen (nach der jeweiligen Zweitsprache Niederländisch oder Französisch, aber noch weit vor dem populären Spanisch) einen dritten Platz einräumen – lernen möchten Goethes Sprache trotzdem nur ganz wenige.
Deutsch erfreut sich in den Schulen weit geringerer Beliebtheit als auf dem Arbeitsmarkt. Die Folge sind Vakanzen, die mangels deutschkundiger Bewerber nicht gefüllt werden können. Richtig ist aber auch, dass manche Arbeitnehmer, die fleißig Deutsch gelernt haben, ihre Kenntnisse später nicht anwenden können. Bei vielen deutschen Globalplayern wird intern – englisch gesprochen.
Das Hauptproblem der belgischen DaF-Lehrer ist nicht pädagogischer, sondern propagandistischer Art. Anstatt „Wie bringe ich meinen Studenten die Adjektivdeklination bei?“ lauten Seminarthemen derzeit öfter „Marketing für Deutsch als Fremdsprache“, „Wie mache ich der Welt die deutsche Sprache schmackhaft?“ oder „Wo finde ich meine Studenten und wie behalte ich sie bis Semesterschluss?“. Überall, an flämischen wie an frankophonen Sekundarschulen, werden DaF-Stunden massiv gestrichen. In der Erwachsenenbildung ist die Zahl der Einschreibungen für Deutschkurse in den letzten Jahren stetig gesunken. Schulleiter und Deutschlehrer beobachten den besorgniserregenden Trend und stellen hilflos fest: Deutsch ist nicht sexy.
Immer noch Hitler
DaF-Lehrkräfte machen sich oft Sorgen über das negative Image, das Deutschland, die Deutschen und die deutsche Sprache zu haben scheinen, und über das abnehmende Interesse für Deutsch als Fremdsprache, das nicht nur ein belgisches Phänomen ist. Sie “bitten um Hilfe bei der Aufgabe, ihre potenziellen Lernenden und deren Eltern für die Wahl des Faches zu motivieren“, schreiben Madeline Lutjeharms und Katja Lochtman von der Freien Universität Brüssel (VUB) 2004 in einer Studie über Attitüden zu Fremdsprachen und zum Fremdsprachenlernen.
Sie haben bei flämischen Studenten das Image der Fremdsprachen Französisch, Englisch, Deutsch und Spanisch vergleichend untersucht. Fazit: „Das Image des Deutschen scheint vorwiegend mit ‚Bier’ und ‚Wurst’ verbunden zu sein“ und „als Personen wurden vor allem ‚Hitler’, aber fast genauso oft ‚Schröder’ erwähnt, während ‚Kohl’, ‚Goethe’ und ‚Schumi’ den Versuchspersonen auch nicht unbekannt sind. Eigentlich ist das Image des Deutschen nicht schlecht und eher als positiv und typisch bzw. klischeehaft zu bewerten.“ Daraus resultiert leider keine deutliche Bereitschaft, Deutsch zu lernen. In derselben Studie wird Deutsch als wesentlich weniger schön, romantisch und musikalisch, dagegen als viel schwieriger denn die anderen Sprachen eingestuft.
Nuancierter
Das Problem liegt nicht, dies bestätigt die eigene Erfahrung, bei denjenigen, die bereits Deutsch lernen – auch wenn sie zugegebenermaßen getrost etwas zahlreicher sein könnten. Sie besitzen ein viel nuancierteres, positiveres und realistischeres Bild des Deutschen. Problematisch ist das deutsche Image bei potenziellen Anfängern. Bei ihnen prägen Hitler und Bier das Bild.
Das deutsche Image aufwerten? Große Aufgaben warten auf die Große Koalition in Berlin und auf das Goethe-Institut in Brüssel. Gerade wird dort der alljährliche Deutschlehrertag begangen. Doch dieser Studientag könnte zum Abbild der belgischen Zeremonien anlässlich des 11. November verkommen: die Zunft der Deutschlehrer ist, wie die der Kriegsveteranen, vom Aussterben bedroht.
Der Verfasser lehrt Deutsch als Fremdsprache in der Erwachsenenbildung.
- Links:
- Goethe-Institut Brüssel
Von Philipp Bekaert
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