Von Heide Newson
Am 23. Oktober 1973 hatte der frisch gewählte Präsident des damaligen Rates der deutschen Kulturgemeinschaft, Johann Weynand, zum Abschluss seiner Antrittsrede ausgerufen : „Heute ist ein schöner und glücklicher Tag“.
Diese Feststellung vor etwas mehr als 50 Jahren traf ebenso am 28. November 2023 zu, als die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens (DG) mit einem Kolloquium die Feierlichkeiten zu ihrer 50-jährigen Autonomiegeschichte abschloss. Bei der Gelegenheit wurde auch das Buch „50 Jahre Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft – eine Erfolgsgeschichte?“ vorgestellt. Und besonders schön war der Tag außerdem, da die Sonne schien, die Bayerische Landesvertretung der DG ihre schönen Räumlichkeiten für diesen so besonderen Anlass zur Verfügung gestellt hatte und die deutschsprachigen Belgier auf erfolgreiche 50 Jahre zurückblicken können.
“Dass die heutige Veranstaltung in der Landesvertretung des Freistaats Bayern stattfindet, ist bedeutungsvoll”, so DG-Parlamentspräsident Charles Servaty, der sich bei dem Leiter der Landesvertretung Michael Hinterdobler für die Gastfreundschaft mehrfach bedankte.
Tatsächlich sei die DG aufgrund ihrer Kleinheit auf die Zusammenarbeit mit Partnern im Ausland insbesondere im deutschsprachigen Raum angewiesen. Das heutige Kolloquium sei eine gute Gelegenheit, die DG im internationalen Brüsseler Umfeld bekannter zu machen. Und das tat er, indem er das im Verlag „la Charte“ erschienene Buch über die DG und ihre Geschichte vorstellte..
Ministerpräsident Oliver Paasch betonte in seiner Rede, dass die Beiträge im neuen Buch und die folgenden Referate einen wissenschaftlichen sowie einen multidisziplinären Blick auf die Autonomiegeschichte Ostbelgiens werfe. Dieser wissenschaftliche Blick sei sinnvoll und notwendig. Er sei komplementär zur politischen Einordnung, für das Parlament und Regierung, und hilfreich für alle, die sich für die DG interessieren. Vieles, was heute die Lebensqualität in der Deutschsprachigen Gemeinschaft ausmache, gäbe es ohne die Autonomie nicht, jedenfalls nicht in dieser Quantität, Qualität und noch in deutscher Sprache.
Und für die Geschichte der Deutschsprachigen Gemeinschaft interessierten sich viele. Mehr als 100 Teilnehmer/innen waren gekommen, um den Geburtstag Ostbelgiens mitzufeiern und mehr über diese bestgeschützte Minderheit weltweit zu erfahren. Mit großem Interesse verfolgten sie die Redebeiträge sowie Referate von Juristen, Universitätsprofessoren, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Karl-Heinz Lambertz, der Leiterin der Brüsseler DG-Vertretung Eva Johnen, um nur einige der Insider und Experten zu nennen, die die Entwicklung und Arbeit der DG dokumentierten.
Mit Blick auf künftige Staatsreformen ist für die deutschsprachigen Belgier klar: sie wollen gleichberechtigt behandelt werden und ein gleichberechtigter Gliedstaat in Belgien sein. „Wir wollen nicht mehr als die anderen,“ betonte Paasch. „Würden wir in Belgien alle gemeinschaftspolitischen und alle regionalen Befugnisse ausüben und nach denselben Gesetzen wie Flandern finanziert werden, stünden wir finanziell nicht schlechter, sondern besser da als heute. Diese Aussage wurde in mehreren Referaten untermauert, in denen die finanzielle Lage der Deutschsprachigen Gemeinschaft unter die Lupe genommen wurde. Bei diesen Ausführungen und Diskussionen stellte man sich während des Kolloquiums automatisch die Frage, ob die DG anstrebt, eine “vollwertige” vierte Region zu werden. Wie dem auch sei, fest steht, dass eine deutschsprachige Region innerhalb Belgiens überlebensfähig wäre. Zu diesem Schluss kam nicht nur ein Forscherteam der Freien Universität Brüssel in einer Studie. Seit Jahren rührte der ehemalige Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz die Werbetrommel für ein “Belgien zu viert”, mit der DG als gleichgestellte Region mit Flandern, Brüssel und der Wallonie. Dieses Staatsmodell schwebt auch Ministerpräsident Oliver Paasch vor, während Kritiker zu bedenken geben, dass dadurch den deutschsprachigen Belgiern mehr Nachteile als Vorteile entstehen könnten. Es bleibt somit spannend, in welche Richtung sich Belgien – und Ostbelgien – künftig weiter entwickeln. Keinen Zweifel gibt es allerdings daran, dass die deutschsprachigen Belgier trotz ihrer Kleinheit in Richtung Autonomie bislang alles superb geschafft haben, was dann im Rahmen eines Empfangs gebührend gefeiert wurde. Und alle waren sich einig, dass es wie vor 50 Jahren ein schöner und glücklicher Tag war.
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