Von Rainer Lütkehus.
Die EU-Kommission wird kurzfristig eine positive Entscheidung über Belgiens geplante Beihilfen für neue Gaskraftwerke treffen. Die braucht es, um den geplanten Atomausstieg zu meistern. Das bestätigte die Wettbewerbsabteilung der EU-Kommission auf Anfrage der Redaktion: „Bei den konstruktiven Gesprächen mit den belgischen Behörden hat es große Fortschritte gegeben und eine endgültige Entscheidung kann in naher Zukunft erwartet werden.“
Das Vorhaben für einen sogenannten Kapazitätsvergütungsmechanismus (CRM) hatte die belgische Regierung der EU-Kommission bereits im Dezember 2019 notifiziert. Der Mechanismus soll es den Stromerzeugern ermöglichen, einen finanziellen Ausgleich für die Bereitstellung einer bestimmten Menge an Kapazitäten zu erhalten. Die beruht hauptsächlich auf Gaskraftwerken. Der Mechanismus sieht vor, dass die Stromerzeuger für neue Erzeugungsanlagen staatliche Zuschüsse erhalten. Die bestehen darin, ihnen ein Minimum an Einnahmen zu garantieren, unabhängig davon, ob ihr Strom gebraucht wird , weil gerade viel Sonnen- oder Windenergie zur Verfügung steht, oder sie ihn nicht kostendeckend an der Strombörse verkaufen können.
Zunächst hatten die Wettbewerbshüter der EU-Kommission beihilferechtliche Zweifel am belgischen Kapazitätsmechanismus geäußert. Sie vermuteten, dass der Mechanismus nicht kosteneffizient sei, zu Wettbewerbsverzerrungen führe und grenzüberschreitende Stromflüsse im europäischen Binnenmarkt behindere. Offensichtlich lenkt die EU-Kommission nun ein, weil auch bestehende Kraftwerke in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland am belgischen Kapazitätsmechanismus im Umfang von 1.100 GW teilnehmen können. Belgien braucht einen Kapazitätsmarkt, um die Stromversorgungssicherheit aufrechterhalten zu können, wenn es ab 2023 bis 2025 sukzessive aus der Atomenergie aussteigt, wie es ein 18 Jahre altes belgisches Gesetz vorschreibt. Außerdem läuft die Genehmigung der EU-Kommission für die derzeitige strategische Reserve im Winter 2021/2022 aus.
Im Oktober sollen potenzielle Investoren in einer Auktion die staatlichen Zuschüsse für den Bau zwei oder drei neuer Gaskraftwerke in Belgien mit einer Leistung von zusammen 2.300 MW ersteigern können. 2024 sollen Zuschüsse für weitere 1.500 MW versteigert werden, davon 1.100 MW an bestehende Kraftwerke in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland.
Innenpolitische Schwierigkeiten
Allerdings erweist sich der Bau neuer Gaskraftwerke in Belgien regionalpolitisch als schwierig. Im flämischen Vilvoorde nahe bei Brüssel verweigerte die dortige Provinzregierung Ende Juli dem Energiekonzern Engie/Electrabel die Genehmigung für den Bau eines 870 MW Gaskraftwerks (Belgieninfo berichtete). In der Regionalregierung im Norden des Föderalstaats geben die flämischen Nationalisten (N-VA) den Ton an. Sie sind gegen den Atomausstieg, anders als die belgische Föderalregierung, in der sie nicht sitzen. Die Umweltministerin in der Föderalregierung, Tinne van der Straeten (Groen), will bis spätestens November einen Bericht über den Atomausstieg fertig haben. Derweil hat der belgische Kraftwerksbetreiber Engie Electrabel die grüne Ministerin vor vollendete Tatsachen gestellt und angekündet, keine Investitionsgelder in eine eventuelle Laufzeitverlängerung stecken zu wollen.
Foto: Dirk Vorderstraße
Beiträge und Meinungen