Von Ferdinand Dupuis-Panther.
Unter der Leitung des Klarinettisten Peter Vermeersch existiert dieses Großensemble seit zwei Jahrzehnten. Das wird in diesem Jahr mit ausgedehnten Tourneen nach Kanada und in die USA gefeiert. Auch auf dem diesjährigen Moers-Festival ist die Band präsent. Auf der jazzahead! heizte die Band richtig ein und musste doch wie alle anderen nach 30 Minuten die Bühne räumen. Welch ein Jammer!
„Triptit“ war der Eröffnungstitel, den das vielköpfige Orchester darbot. Anschließend ging es um die Sichtweise einer Fliegenklatsche („Swatter Perspective“) – ein Schelm, wer da nicht an Surreales denkt. Gen Osten trieb es uns mit dem Ensemble, als „Drtkova Polevka“ auf dem Programm stand. Schließlich erlebten die Anwesenden noch „Summertime“ und „La Malle-Valise Del‘Heimtlos du Sleeping“ – welch komplexer Titel und gewiss nur mit einem Augenzwinkern zu begreifen.
Der Klangkörper von FES ist mächtig, numerisch ebenso mächtig wie stimmlich. Entfaltet wurde ein klanglicher Lavastrom; eruptive Klangfontänen zeigten sich vor den Augen des Publikums. Turbulenzen entwickelten sich. Klangwalzen kamen ins Rotieren. Widerstreit zwischen Tuba und der von Bart Maris gespielten Trompete stellte sich ein. Die Posaunisten mischten sich auch ein und nahmen Partei. Angesichts der Klangwucht waren die Klarinetten kaum zu hören, als „Tripit“ seinen Fortgang nahm. Auch Wim Segers, einer der Köpfe von belgischen Jazz-Rock-Combo Compro Oro, war eher eine Randfigur im Rahmen der ausufernden Klangmalerei, die sich aller nur denkbarer Farben bemächtigte.
Das Klangleben einer Fliegenklatsche
Dunkles sphärisches Rauschen war zu Beginn von „Swatter Perspective“ bestimmend. So mag es sich auch anhören, wenn ein Dampfkessel gehörig unter Druck steht. Am Bass ließ Kristof Roseeuw – er ist auch Teil des FUNDAMENT Ensembles – die Saiten dunkel schwingen. Von Hall getragen meldete sich das Vibrafon zum vibrierenden Rhodes. Die Tubas ergriffen lautstark aus dem Hintergrund das Wort. Posaune und Klarinette schienen im Gleichlauf die Schläge der Fliegenklatsche nachzuahmen. Die „Lichtgestalten“ an der Lichtorgel meinte sich ins Geschehen einmischen zu müssen. Wechselspiele von Farben lenkten vom musikalischen Fluss ab. Man musste sich also fokussieren, um dem brillanten Trompetensolo von Pauline Leblond zu folgen, ehe klangliche Gemengelage angesagt war.
Waren da beim nächsten Stück nicht auch Hupe und Triangel zu hören? Anflüge einer klassischen Big Band flammten auf und verschwanden. Irgendwie meinte man, das Ensemble würde zum verqueren Lindy Hop aufspielen. John Zorn tauchte im Klangbild ebenso wie ein gewissen Surf Sound auf. Ohne Klezmer-Bezug meldeten sich die Klarinetten zu Wort. Eher ging es um die „Stunde der Balkanova“, die wir miterleben durften. Und war das denn gerade? Schlagermusik aus den 1950er Jahren, im Stil von „Weißer Sand und ein verlorenes Land …“, oder? Mittelalterlich angehaucht schienen weitere Sequenzen. – 18:25:25, 18:25:26 …-.
Und zum Schluss schien die Halle erfüllt vom Trällern und Schilpen von Piepmätzen. Dazu gab es pulsierende Gitarrenriffs – dank an Frederik Leroux-Roels. Tieftönig und samt bereicherte eine der beiden Posaunen das Klanggeschehen. Wie auch in allen anderen Stücke sorgte Teun Verbruggen versiert und mit Übersicht für rhythmische Maßeinheiten, mal sehr behutsam, mal durchaus den Drive setzend. – 18:26:57 … Die Zeitnahme war unbestechlich. Die Musiker des Ensembles erwiesen sich zum wiederholten Mal als „moderne Derwische im Rockgewand“. Großes Kino, das abrupt endete. Leider. Wann, so fragt man sich, wird das Zeitkorsett mal endlich aufgeschnürt!
Line-Up:
Wim Segers (vib), Michel Mast (ts), Martin Melia Marganon (cl), Kristof Roseeuw (db), Peter Vandenberghe (p,key), David De Vrieze (tb), Teun Verbruggen (dr, perc), Frederik Leroux-Roels (g), Marc Meeuwissen (tb), Benjamin Boutreur (as), Pauline Leblond (tpt), Berlinde Deman (tba), Bruno Vansina (bar, fl), Peter Vermeersch (cl), Bart Maris (tpt)
Text und Fotos © ferdinand dupuis-panther
Beiträge und Meinungen