Aktuell

Die EU und das unersättliche Streben nach der Mehrung des Steueraufkommens

Von Walter Grupp.

Auch die letzte Absage an eine EU Finanztransaktions- und CO2-Steuer kann die EU-Kommission nicht bremsen, immer wieder neue Belastungen anzupreisen. Diesmal eine Digitalsteuer, sogar an einer Robot(er)steuer wird herumgemodelt. Das Steueraufkommen ist in den letzten 20 Jahren um weit über 100% gestiegen. Um fast 150% die Unternehmenssteuern. Da kann von einer „Erodierung“ der Steuereinnahmen, die als Rechtfertigung herhalten soll, keine Rede sein.

Bei den Steuerzahlern kommt überhaupt nicht gut an, wenn immer nur an der Steuerschraube nach oben gedreht wird.

Der Europäische Bund der Steuerzahler, kurz TAE (Taxpayer‘s Association of Europe) setzt seit jeher alles daran, damit es nicht so weit kommt.

https://belgieninfo.net/fuer-steuerwettbewerb-in-europa/

An sich ist die EU für solche Abgaben gar nicht zuständig. Man glaubt aber, wenn niemand dagegen ist, kann man es versuchen. In der Vergangenheit war eine Einstimmigkeit unter den Mitgliedsländern bei solchen Vorstößen aber stets chancenlos. Es ist schon kühn, solche Themen überhaupt auf eine Tagesordnung zu setzen.

Die Digitalsteuer soll in Höhe von 3% auf den Umsatz erhoben werden. Ohne die Möglichkeit des Abzugs von Betriebsausgaben. Das käme einem Zoll gleich. Es wird befürchtet, dass damit der Handelskrieg von Donald Trump nur noch mehr Schwung bekommt.

GKKB/ die Gemeinsame (Konsolidierte) Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage

Nachdem der erste Anlauf gescheitert ist, soll die Neuauflage der GKKB jetzt obligatorisch für die größten Unternehmensgruppen in der EU werden. Für andere Unternehmen bleibt sie optional. Danach werden sich Steuerberater also mit 2 unterschiedlichen Steuersystemen herumschlagen müssen.

Als Begründung für die Regelung dient die Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung. Die Anpassung von Kontenrahmen und – plänen in den Ländern, wo Niederlassungen betrieben werden, sollen vergleichbar und damit besser lesbar werden. Ob das genügt, die Steuertricksereien internationaler Konzerne zu unterbinden, erscheint fraglich. Gerade die grossen internationalen Konzerne tun sich leichter als alle anderen Unternehmen, das Steuergefälle auf der Welt auszunutzen. Sie werden ihren steuerlichen Sitz nach dem Brexit einfach nach Großbritannien oder in ein anderes Land außerhalb Europas verlegen. An den Grenzen Europas verlieren auch die besten EU-Regeln ihre Geltung.

So manches Unternehmen läuft dazu das Risiko, höher besteuert zu werden, wenn sich Veränderungen der Bemessungsgrundlage zugunsten von Hochsteuerländern auswirken würde.

Die Harmonisierung der Steuerbemessungsgrundlage ist der erste Schritt in Richtung Steuerharmonisierung. Damit wird der Steuerwettbewerb, der Garant für niedrige Steuern, eingeschränkt.

Dabei ist auch in diesem Fall die Kompetenz der EU dafür nicht ganz eindeutig.

Auch wenn eine gemeinsame Bemessungsgrundlage das Steuersystem vereinfachen kann. Es ist aber illusorisch, zu glauben, was aber über hundert Jahre gewachsen ist, könne einfach über Bord geworfen werden. Unterschiedliche Regeln für Gewinnermittlung, Betriebsausgaben Abschreibung, Rückstellungen, Verlustabzug bis hin zu Repräsentationskosten. In Ländern wie Frankreich oder Belgien geht man einfach weit großzügiger als anderswo mit der Abzugsfähigkeit von Essen und Trinken um.

Es wird daher wohl auch in diesem Fall an der notwendigen Einstimmigkeit fehlen. Nicht nur Luxemburg und Irland haben sich bereits widersetzt.

BEPS (Base Erosion and Profit Shifting)

Unter dieser niedlichen Abkürzung werden die Maßnahmen der OECD mit ihren 36 Mitgliedstaaten gegen Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung zusammengefasst. Die Steuerzahler fordern Steuergerechtigkeit. Viele Maßnahmen haben daher zum Ziel, die großen Weltunternehmen Google, Facebook, Amazon, Starbucks und ähnliche zur Steuerdisziplin zu zwingen. Nicht zufällig. Solche Namen versprechen ziemliche Medienwirksamkeit. Die EU hat sich dem Maßnahmenkatalog der OECD weitgehend angeschlossen und noch einiges draufgelegt.

Zu dem Paket zählt z.B. der automatische Informationsaustausch so über alle ausländischen Konten und Kapitaleinkünfte der Steuerzahler. Oder über mit Finanzämtern in anderen Ländern und einzelnen Unternehmen ausgehandelte zu vorteilhafte sog. „Steuervorbescheide“. Aber auch die Pflicht von Beratern, grenzüberschreitende Steuervermeidung und -hinterziehung ihrer Mandanten an die Behörden zu verraten.

Damit soll den über die Grenzen hinweg aktiven Unternehmen das Steuersparen so richtig vergällt werden. Eigentlich sollten aber doch gerade diese als Vorbild für Europa dienen.

Mit der Anti Tax Avoidance Directive soll es z.B. Unternehmensgruppen an den Kragen gehen, die an ein Mitglied in einem Hochsteuerland Geld gegen hohe Zinsen ausleihen, mit denen dann der Gewinn geschmälert werden soll.

Mit der Wegzugsbesteuerung soll verhindert werden, dass Vermögenswerte wie geistiges Eigentum und Patente außer Landes in ein Niedrigsteuerland verbracht werden.

Mit der Hinzurechnungsteuer soll verhindert werden, dass Unternehmen Profite einfach in Niedrigsteuerländer verlagern. So kann man sie im Herkunftsland weiterhin belasten.

Dividenden und Kapitalerträge aus Drittländern sind von der Steuer oft ganz befreit, und manchmal dazu nochmals beim Empfänger des Geldsegens. Abhängig davon, ob eine Gesellschaft in den verschiedenen Ländern als Personen- oder Kapitalgesellschaft angesehen wird, können Steuervorteile entstehen. All diese Vergünstigungen sollen jetzt abgeschafft werden.

Wenn aber der Europäische Gerichtshof urteilte, jeder kann sich niederlassen, wo immer er will. Und wenn einziger Grund die niedrigen Steuern sind. Dann leuchtet kaum ein, warum das Steuergefälle zwischen den Ländern nicht mehr genutzt werden darf.

Dazu treffen die Maßnahmen manchmal die Falschen. Die Regelung zum automatischen Informationsaustausch hat viele Rentner in Furcht und Schrecken versetzt. Viele haben in Luxemburg Geld angelegt. Der Verlockung, dort etwas mehr Zinsen herauszuschlagen, konnten auch Senioren kaum widerstehen. Schließlich wurde ja dazu aufgefordert, die Kapitalfreiheit in Europa zu nutzen. Die Hoffnung auf den großen Zinsertrag war von kurzer Dauer. Alsbald hat Luxemburg damals aufgrund europäischem Druck hin, die Kapitalertragsteuer auf 30% erhöht. Davon ging dann auch ein erheblicher Teil pauschal an die deutsche Finanzkasse. Dennoch bekamen die Betagten Post von ihrem heimischen Finanzamt. Von der Steuerabteilung für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Wegen dem Informationsaustausch bestens informiert. Vor allem wollte man wissen, woher die in Luxemburg angelegten Reserven fürs Alter herkommen. Es könnte sich ja schließlich um Schwarzgeld handeln. Dazu kam aber ein Steuerbescheid mit der Aufforderung, die Steuer auf die Zinsen nochmals in der Heimat zu versteuern. Klar, man muss dort die Steuer zahlen, wo man wohnt. Wegen der möglichen doppelten Belastung sollte das Finanzamt in solchen Fällen aber besondere Nachsicht üben.

Schade, dass die EU versäumt hat, rechtzeitig gegen die längst bekannten „cum ex“ Strategien vorzugehen. Viele Finanzämter in Europa haben sich von reichen Kapitalanlegern in den Mitgliedsländern reinlegen lassen. Der Schaden für die Finanzkasse: rund 55 Milliarden. Da fallen die Zinsen der Rentner nicht mehr ins Gewicht.

Umsatzsteuer

Die auf EU- Ebene vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung und Modernisierung des Mehrwertsteuersystems haben zum Ziel, das derzeitige Mehrwertsteuersystem weniger betrugsanfällig und einfacher für Unternehmen zu machen.  Immerhin gehen den Finanzkassen durch grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetrug rund 50 Mrd € jährlich verloren.

Besonders hoch ist der Verlust in Italien. Weit weniger davon betroffen ist dagegen Deutschland.

Erleichtert wird der Betrug, weil der Exporteur bei einem Verkauf an einen Händler im Ausland von der Umsatzsteuer befreit ist.

Wäre er nicht befreit, müsste er Umsatzsteuer verlangen. Er würde sich bemühen, damit seine Rechnung vom Kunden im Nachbarland schnellstmöglich bezahlt wird. Denn die Umsatzsteuer auf dem Kaufpreis muss er pünktlich an das Finanzamt abführen. Er handelt im Grunde als Steuereintreiber des Finanzamts.

Werden jetzt Handys, MP3 Player oder Tablets oder Fahrzeugteile auch in großen Mengen von Deutschland nach Italien verkauft, bekommt der italienische Fiskus zunächst davon nichts mit. Dort sind die Buschtrommeln nicht so laut. Daher kann der Importeur die Ware in Italien mit Mwst eilig weiterverkaufen, die Mwst behalten und seine Firma schliessen. Ist der Endabnehmer, an den weiterverkauft wurde, wieder ein Händler kann dieser vom italienischen Staat dazu sogar die Vorsteuer zurückverlangen. Dreist und mit viel Raffinesse wird eine neue Firma gegründet, und der Schwindel beginnt von neuem.

Würde der steuertreue Exporteur aus Deutschland aber wie oben beschrieben die italienische Umsatzsteuer für das italienische Finanzamt einkassieren, bekäme die italienische Finanzkasse ziemlich zügig ihre Steuern. Die Betrüger gingen leer aus.

So die vorgeschlagenen neuen Regeln. Stellt sich nur die Frage, warum die deutschen Händler, diesen Dienst übernehmen sollen. Hinzu kommt, dass sie die Umsatzsteuer für das italienische Finanzamt wegen der schleppenden Zahlungsmoral der Kunden dort meistens vorfinanzieren müssen. Fürs Inkasso werden normalerweise hohe Provisionen fällig. Warum soll der Exporteur von seiner Überweisung der italienischen Umsatzsteuer keinen Einbehalt für diesen Bärendienst zugunsten des italienischen Finanzamts vornehmen dürfen.

Es ist schon schlimm genug, dass der Kaufmann dem Finanzamt ständig beim Steuereintreiben assistiert. Das wird viel zu oft vergessen. Gerade Italiens Haushaltskassenverwalter mit einer übermäßigen Überschuldung machen es uns vor, wie man aus der Pflicht zur Solidarität der anderen Länder größtmöglichen Nutzen zieht.

Walter G. Grupp
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht (DE)
Comptable-fiscaliste agréé IPCF (BE)

7 Comments

  1. Stefan Moritz

    Danke Hr. Grupp!

    Wer dem Digitalen Wandel in Europa den Todesstoss versetzen will (es steht sowieso schon schlecht um ihn), der soll ruhig eine EU-Digitalsteuer einführen. Dann müssen wir in China und den USA um digitale Technologie und Dienstleistungen betteln gehen.

    So jedenfalls macht man jeglicher Innovationslust des europäischen Mittelstands auf Digitalisierung den Gar aus.

    N.B.: Schon die Entscheidung, die Umsatzsteuer auf digitalen Einkauf in dem Land des Käufers abzuführen hat zwar deutlich mehr Geld in die Kassen der Finanzminister gepielt, aber zehntausende kleine Händler auf Platformen wie Amazon gedrängt, da nur diese ein solch ausgeklügeltes Verrechnungssystem anbieten können.

    Was andere Vorschläge angeht, gebe ich der EU zu bedenken, dass sich die USA von UK 1773 losgesagt haben, mit dem Spruch “No taxation without representation”! Diesselbe Konstellation könnte heute zu massiven Einbrüchen des internationalen Handelsverkehrs führen, wenn die EU ausländische Unternehmen durch die Hintertür besteuern will. Und nebenbei gilt derselbe Spruch für die EU intern. Solange keine gemeinschaftliche, europäische Regierung in allgemeinen, freien Wahlen direkt vom Volk gewählt wird, kann und soll die EU-Kommission keine Besteuerungspläne vorantreiben oder deren Ausgestaltung übertragen bekommen. Punkt.

  2. Peter Hammer

    Was lernen wir aus den Recherchen des Herrn Grupp (wenn wir es nicht alle schon längst wissen): Die Hoffnung stirbt zuletzt – die SteuerUNgleichheit NIE! Dazu brauchen wir gar nicht über die Landesgrenzen schauen. Denn in Deutschland – und den meisten EU-Staaten – ist es “normal”, dass der Spitzenverdiener im Verhältnis wesentlich weniger Steuern bezahlt als Otto-Normal-Verdiener. Ist das gerecht? Eine Aufzählung der Ungerechtigkeiten wäre endlos. Das Streben nach Steuergerechtigkeit kann wohl niemand verurteilen – es wird aber in aller Ewigkeit eine Sisyphusarbeit bleiben. Aber jetzt ist ja Friedrich Merz aus der Versenkung aufgetaucht. Man erinnert sich: der auf einem Bierdeckel seine Steuererklärung abgeben wollte. Das gibt doch (mal wieder) neue Hoffnung . . .
    Weiter so Herr Grupp – es mach immer wieder Freude Ihre Beiträge zu genießen.

  3. Alfons van Compernolle

    Ob unsere Politiker , wo auch immer “Erwachsen” sind ??????
    Hier melde ich den einen oder anderen Zweifel an !!!! Interessenskonflikte , deren Ursache im massiven Lobbyismus der Industrie zu finden sind hinter lassen Spuren.
    Eine reale Steuerpolitik , welche Steuerflucht & die Moeglichkeiten des massenhaften Steuerbetrugs vermeiden ( Gesetze ) koennte es schon lange geben , aber unsere gewaehlten Politiker/innen hinterlassen gewollt und gezielt Moeglichkeiten zur Steuerflucht , besonders fuer die Reichen & Superreichen und der Industrie. Dieses muessen sie wohl , denn sollte ein Politiker/in mal nicht mehr gewaehlt werden , wird ein neuer Job faellig und dieser findet sich dann bei den Steuerhinterziehern !

  4. Ullrich Hänchen

    Wenn es die Briten tatsächlich schaffen, sich “in die Büsche zu schlagen” , dann könnte der EU ein wichtiger Nettozahler abhanden kommen. Aber die Höhe dieses Überschusses kam natürlich dadurch zu Stande, dass die Wareneinfuhr aus dem Drittland nach Europa über die Insel gut funktioniert hat.

    Natürlich ist das Zollaufkommen, das direkt an die EU fließt, in Großbritannien größer als in Slowenien. Das hat nichts mir Politik zu tun, sondern einfach nur mit Geografie. Somit ist die spannende Frage, wie sich bei einem harten Brexit der Warenverkehr bei den anderen Häfen der EU verändert.

    Spannend!

    Man kann eben immer nur hoffen, dass volljährige Personen auch erwachsene Entscheidungen treffen.

  5. Alfons van Compernolle

    Nun Herr Grupp, ist ein solches Streben in irgendein Finanzministerium ein anderes ?????
    Hat ein Finanzminister/in nicht die staatliche Aufgabe uebernommen von “Wo bekomme ich noch mehr Geld her ?” ??? Weshalb wohl jeder Nationalstaat zwei Volkslieder besitzt, die eine offizielle, bei dessen Abspiel alle Aufstehen ( zu Recht) , und dann das inoffizielle Volkslied was nur in den
    Finanzministerien gesungen wird und bei dem die Finanzminister/innen feuchte Augen und klebrige Finger bekommen ” Mony-Mony-Mony” von der Popgruppe Abba!
    Ich verstehe nicht warum die EU.- nach einer CO2 Steuer sucht ????? Sie muss sich doch nur an der Vlaamse-Regiering ein Beispiel nehmen , diese erhebt seit Beginn 2018 bei jedem KFZ.-Besitzer eine CO2- Steuer, welche beinahe genauso Hoch ist, wie die eigentliche KFZ-Steuer !
    Selbst die Anmeldegebuehren fuer die Zulassung von einem KFZ , diese 2017 massiv erhoeht wurde uebersteigt beinahe die eigentliche KFZ-Steuer !! Schlimm ist nur, dass die Belgische Bundesregierung das bestehen einer CO2 Steuer bestreitet !!!!!! Sie Luegen den Buergern ins Gesicht !!! In Vlaandern besteht eine CO2-Steuer fuer PKW & LKW , in der Wallonie besteht diese N O C H nicht, wird aber kommen.

  6. Michael Jäger

    Es ist Zeit die Politikerinnen und Politiker zu demaskieren und Berichte auch in den Medien zu hinterfragen!

    Dank an Walter Grupp für seine hervorragende Arbeit!

    Was uns vom europäischen Steuerzahlerbund (TAE) so wütend macht: Es geht hier unter dem Deckmantel der Steuergerechtigkeit in Wirklichkeit nur um das Abkassieren der Steuerzahler und um nichts anderes!

    Wer will nicht, dass die „bösen“ Großkonzerne wie Google, Amazon und Facebook endlich mehr Steuern zahlen und die Großen ihren fairen Steuerbeitrag leisten. Dazu müsse dann erst mal nur die Bemessungsgrundlage für Körperschaften harmonisiert werden und EU-weit Mindeststeuern bei der Unternehmensbesteuerung oder eine EU-Digitalsteuer eingeführt werden. Nur so kriege man die Giganten und so weiter und so fort. Da kann der gute Mensch doch nicht widersprechen oder?

    In Wirklichkeit gibt es heute schon Transparenz und schärfere Regeln.

    Besonders deutlich wird dieses profane Manipulieren der Bürgerinnen und Bürger durch die EU-Kommission und politischen Entscheidungsträgern am Beispiel der Vorschläge der Besteuerung von digitalen Unternehmen.

    Hier behauptet die Kommission und zitiert vollkommen aus dem Zusammenhang und damit falsch (!): Die Steuerbelastung der digitalen Unternehmen läge im Durchschnitt bei nur 9%, wohingegen nicht-digitale Unternehmen im Schnitt 21 Prozent Steuern zahlen würden.

    Da muss man doch handeln oder? Muss und sollte man eben nicht! Denn die Realität sieht anders aus. Aktuelle Ergebnisse einer Studie des ifo-Instituts zur Digitalbesteuerung zeigen deutlich: Die digitalen Unternehmen zahlen rd. 20.9 Prozent und die nicht-digitalen 26,7 Prozent Steuern. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt das European Centre for International Political Economy (ECIPE). Dabei wird die durchschnittliche Steuerbelastung gemäß geprüfter Jahresberichte börsennotierter Unternehmen und die der darin ausgewiesenen Steuerzahlungen betrachtet. Für den Zeitraum 2012 bis 2016 zeigt sich, dass der durchschnittliche effektive Steuersatz bei traditionellen Unternehmen bei 27,7 Prozent liegt. Die effektive Steuerbelastung von großen, international bekannten Digital-Unternehmen, und das ist entscheidend, weicht hiervon nur geringfügig ab und liegt im Durchschnitt bei 26,8 Prozent. Die Behauptung der EU-Kommission, dass ein gravierendes, politisch unerwünschtes Besteuerungsgefälle zwischen Digitalwirtschaft und herkömmlicher Wirtschaft besteht, lässt sich empirisch nachprüfbar sehr leicht widerlegen!

    Es hört sich halt gut an und was noch viel schlimmer ist, Meinungsmacher nutzen ganz undifferenziert die Zahlen der Kommission, um das eigentliche Interesse voran zu treiben: Steuerharmonisierung und mehr Steuern eintreiben, wo immer es nur geht, ohne Rücksicht auf Wirtschaft und Wachstum. Und immer wieder kommt ein Vorschlag für eine eigene „gute“ oder „gerechte“ EU-Steuer, aktuell die Idee einer EU-Steuer auf Plastikmüll. Da muss man doch dafür sein, die Welt durch Steuern zu retten, als gäbe es keine andere Lösung!

    Aber zurück zur Digitalsteuer. Bereits die Begründung der Richtlinienvorschläge durch die EU-Kommission ist wenig überzeugend. Als wichtige Ziele werden die Bekämpfung „aggressiver“ Steuerplanung und das Schließen internationaler Besteuerungslücken herausgestellt. Soweit das eherne Ziel. Es wird jedoch komplett, und wahrscheinlich sogar bewusst, ausgeblendet, dass die EU-Staaten in den letzten Jahren bereits zahlreiche Abwehrmaßnahmen beschlossen haben, um eine faire Steuerzahlung sicher zu stellen. So sehen die Anti-Missbrauchsrichtlinien ATAD I und II unter anderem vor, Zinsschranken einzuführen, Hybridgestaltungen zu bekämpfen sowie die Vorschriften zur Hinzurechnungs- und Entstrickungsbesteuerung zu verschärfen. Außerdem wurde ein automatischer Informationsaustausch für grenzüberschreitende Steuervorbescheide und ein steuerliches Country-by-Country-Reporting etabliert, das den Finanzbehörden Hinweise über unzulässige Gewinnverlagerungen liefern soll.

    Richtig krass wird es, wenn man sich vor Augen führt, dass die geplante EU-Digitalsteuer nicht am Gewinn, sondern am Umsatz ansetzen soll. Geht’s noch? Besteuern komplett unabhängig vom Erfolg? Eine derartige Bruttobesteuerung – also ohne Berücksichtigung von Betriebsausgaben – verstößt eklatant gegen eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und ist daher bereits aus Gerechtigkeitsgründen abzulehnen!

    Die geplante 3-prozentige Abgabe auf Bruttoumsätze droht unweigerlich zu willkürlichen Mehrfachbelastungen zu führen, die von der jeweiligen Umsatzrendite des betroffenen Unternehmens abhängt. Beträgt beispielsweise die Umsatzrendite des Unternehmens 10 Prozent, entspricht dies einer Belastung des Gewinns durch die Digitalsteuer von 30 Prozent. Hinzu kommen dann noch die üblichen Ertragsteuern, also Einkommensteuer oder Körperschaft- und Gewerbesteuer. Daraus resultiert eine hohe Gesamtbelastung von in diesem Fall mehr als 50 Prozent.

    Es drohen durch die EU-Digital-Steuer zudem zusätzliche Bürokratiekosten. Denn die von der EU-Kommission vorgenommene Differenzierung zwischen digitalen und nicht-digitalen Unternehmen ist realitätsfremd. Die Abgrenzung zwischen steuerpflichtigen digitalen Umsätzen und den übrigen nicht steuerpflichtigen Umsätzen ist willkürlich, administrativ aufwendig und deshalb auch streitanfällig. Eine gesonderte Besteuerung von Unternehmen der digitalen Wirtschaft ist nicht zielführend, sie wäre mit hohen Bürokratiekosten und großer Rechts- und Planungsunsicherheit für die Unternehmen verbunden.

    Es sollte bei differenzierter Betrachtung jedem klar sein: Die Digitalisierung erfasst alle Branchen und ist nicht, wie von der Kommission dargestellt, nur auf digitale Unternehmen beschränkbar. Denn auch ganz normale größere Unternehmen drohen schnell die Schwellen zu überschreiten, also weltweiter Gesamtumsatz von mehr als 750 Millionen Euro pro Jahr, wovon 50 Millionen auf die EU entfallen, ab der die Digitalsteuer fällig wird. Warum ist das anzunehmen? Auch die großen traditionellen Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle an die digitalen Herausforderungen anpassen, indem sie zunehmend Online-Plattformen aufbauen bzw. ausbauen, um den Vertrieb ihrer Produkte zu verbessern und sicher zu stellen. Mehrbelastungen lassen sich daher kaum auf die Digitalwirtschaft begrenzen, sondern werden vielfach auch traditionelle (Industrie-) Unternehmen treffen.

    Es ist wahrscheinlich, dass die „Big Player“ der Internetunternehmen aufgrund ihrer Marktmacht in der Lage sein werden, die Digitalsteuer auf andere Marktteilnehmer abzuwälzen. Am Schluss trifft es dann die, die man nicht treffen wollte: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Konsumenten in Form geringerer Lohnzuwächse bzw. höherer Preise.

    Fazit: Wenn man sich also nur ein klein wenig tiefer mit der EU-Digital-Steuer befasst und keine ideologische Brille trägt, dann gibt es nur einen Schluss: Dieser Vorschlag der EU-Kommission ist abzulehnen!

    Wir vom Steuerzahlerbund werden alles daran setzen, die EU-Digitalsteuer zu verhindern. Wir sind strikt gegen diesen europäischen Schnellschuss. Sinnvoller, sachgerechter und zeitgemäßer wäre es, eine Überarbeitung der internationalen Besteuerungsregelungen im Rahmen der OECD anzugehen und nicht wieder ein EU-Alleingang zu machen.

    Zu hoffen bleibt, dass ein Land diesen Steuerwahnsinn nicht mitmacht und die Digitalsteuer dahin zurückkommt wo sie hingehört: In den Mülleimer der abgeschmetterten Steuerkartellideen der EU-Kommission.

    Wenn es irgendwann – wider besseres Wissen – zur Harmonisierung der direkten Steuern in Europa kommen sollte, dann muss Jedem klar sein, dass wir ab diesem Tag auch einen permanenten EU-Finanzausgleich haben werden, denn Steuern sind ein wichtiger Standort- und damit Ausgleichsfaktor. Kein Unternehmen wird dann mehr freiwillig nach Osteuropa oder auf eine europäische Insel gehen, wenn es in Berlin, Paris, Rom oder Madrid die gleichen Rahmenbedingungen bei gleicher Besteuerung vorfindet.

    Statt permanent mit neuen Ideen zur „Beglückung der Freunde der Steuererhöhung“ zu kommen, sollte die EU-Kommission endlich die Reform der Institutionen anpacken.

    Mehr Europa da, wo es nötig ist und weniger Europa, da wo es möglich ist!

  7. Horst Dreimann

    Herr Grupp hat in seinem Beitrag vortrefflich deutlich gemacht, welche Konsequenzen die unterschiedlichen Steuerschrauben gerade für KMUs anstehen, wenn neue Steuern wie eine Digitalsteuer eingeführt werden oder der bis dato laxe Umgang der Regierungen bei den ex cum Geschäften den Steuerzahlern schlussendlich beuteln.
    Als Generalsekretär eines europäischen Bildungsverbandes, der sich der Weiterentwicklung von Berufsausbildungsgängen im Dreierbündnis zwischen Auszubildenden, Betrieben und Bildungsanbietern annimmt, bei den entsprechenden EU Instanzen für das duale System wirbt und sich an innovativen EU Projekten beteiligt ärgert es schon, wenn der Mittelstand einerseits immer stärkere Lasten tragen soll und andererseits die Fördermöglichkeiten nicht ausreichen, um sich strukturell und im Fortbildungsbereich für die kommenden Jahre zu positionieren. Man sollte die Unternehmen nicht noch weiter belasten sondern ihnen dabei helfen, das digitale Zeitalter so zu meistern, dass sie mit ihren Produkten konkurrenzfähig bleiben. Und dazu bedarf es einer exzellenten Fort- und Weiterbildung, die mit staatlichen und EU Mitteln befördert werden muss.
    Der EVBB mit seinen über 60 Mitgliedern nimmt sich dieser Themen an und agiert hierbei Hand in Hand mit CEA PME.

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