Von Marion Schmitz-Reiners.
Nur neun Monate nach dem Erscheinen des Buches “Benelux – Porträt einer Region” hat der Berliner Ch. Links Verlag ein neues, ausschließlich Belgien gewidmetes Buch vorgelegt: „Belgien – Ein Länderporträt“ von Bernd Müllender. Der Autor lebt in Aachen und betrachtet das benachbarte Königreich, in dem er einen Wohnwagen besitzt, mit verliebtem Blick. Das ist eine Stärke, aber leider auch eine Schwäche des Buches.
Den Auftakt des Buches bildet ein langes Gespräch zwischen Müllender und dem ostbelgischen Schriftsteller Freddy Derwahl. Es ist nicht ohne Reiz, einem Länderbuch die Meinung eines einzelnen Einwohners voranzustellen. Aber es ist auch riskant. Frage Müllenders: „Was ist so toll an Belgien?“ Derwahl: „Das Bukolische, das Leichte, Lebensart und Lebensstil mit dieser großen Deftigkeit im Dasein: Freiheit, Lebendigkeit, Revolution.“ Damit ist die Richtung bereits vorgegeben. Und während Müllender und Derwahl in der Eupener Schreiberklause philosophierend dem Rotwein zusprechen, frittiert die Frau des Hauses in der Küche die allerbesten Pommes der Welt…
Heile Welt?
Und schon ist der Finger auf die Wunde gelegt. Belgien – heile Welt? Prägt „die Belgier“ wirklich bloß „Deftigkeit im Dasein“ und „Lässigkeit“ (so der Pressetext des Verlags)? Während ich dies schreibe, höre ich im Radio zufällig eine Sendung über die hohe Selbstmordrate in Belgien. Allein in der Provinz Westflandern nimmt sich alle zehn Tage jemand das Leben. Dass Belgien und vor allem Flandern sich schwer damit tun, die Erinnerung an einen autoritären Klerus abzuschütteln, dass es hier eine große Scheu gibt, geradeaus seine Meinung zu sagen, dass auf junge Angestellte ein unglaublicher Leistungsdruck ausgeübt wird, dem sie sich willig beugen – über diese und andere problematischen Aspekte des Landes hätten interessierte Leser gerne mehr erfahren. Und nur am Rande wird das fortschrittliche Belgien erwähnt, das mit Antwerpen den zweitgrößten Hafen Europas besitzt und – mangels Rohstoffen – auf menschliches Kapital und Technologie setzt, zum Teil ohne allzu viel Rücksicht auf geregelte Arbeitszeiten und auf die Umwelt.
Das Bukolische im Allgemeinen
Aber jedes Buch ist anders. Müllender hat ein – zumeist heiteres – Mosaik zusammengestellt. So gibt es ein Brüssel-Alphabet: von A wie Atomium bis Z wie Zaventem. Und einen „belgischen Countdown“ – von 11 322 088 (Einwohnern) bis 0 (Siege in der Championsleage). Etwas überflüssig ist die lange Liste der protokollarisch wichtigen Persönlichkeiten im Lande, die vom König bis zum Friedensrichter reicht. Wir lesen Interviews mit dem Eupener Historiker Herbert Ruland und zwei Deutschen, die in Brüssel studiert haben („Belgische Studenten sind sehr jung, auch die Masterstudenten sind oft nicht reif fürs Arbeitsleben“) oder kurze Beschreibungen von zehn „besonderen Orten“ zwischen Küste und Ardennen. Und zwischendurch geht es immer wieder um Bier, Pommes und Pralinen und das Bukolische im Allgemeinen.
Dutroux zum Abgewöhnen
Aber auch der Fall Dutroux wird auf acht Seiten – eines der längeren Kapitel – noch einmal aufgerollt: „… nur den Mittätern bleibt das Wissen, wer welchen Dreck von Charleroi am Stecken hat.“ Solche Ausrutscher sind ärgerlich, wie auch die Behauptung, dass „die Verfettung der auffallend vielen wirklich sehr dicken belgischen Kinder im Schwimmbad dem übermäßigen Frittenkonsum zugeschrieben werden muss.“ Diese Schlussfolgerung hat Müllender auf seinem Campingplatz in Sippenaeken unweit von Aachen gezogen.
Allerdings sind die landeskundlichen Fakten sorgfältig recherchiert und befinden sich auf dem neuesten Stand (Sommer 2017). Das ist schon einmal nicht uninteressant. Im Vergleich zu anderen Länder- und Regionenbüchen des Ch. Links Verlags ist dieses Buch jedoch etwas leichtgewichtig. Aber wer nur wenig über Belgien weiß, erfährt bestimmt Neues darin. Wer gründlicher informiert werden möchte, kann noch immer zum Benelux-Buch von Ute Schüring greifen.
Klappenbroschur, 232 S., ISBN: 978-3-86153-969-8, 18 Euro
www.christoph-links-verlag.de
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Marion, Belgien ist nicht alleine die Politik und ihre Mandatstraeger. Belgien, sind die gewoehnlichen Menschen, welche taeglich ihr “BESTES” tun um dieses Land in ein ihm zukommendes freundliches Licht erscheinen zu lassen! Ja, ich lebe in Gent und ich bin auch Mitglied in der SP.a und der Deutschen SPD, was aber nicht bedeutet, dass ich alles und jedes Aufgrund meiner Zugehoerigkeit zu diesen Parteien gut finde. Ich finde Charaktermenschen wie Daniel Termont & Rudy Coddens vertrauenswuerdig, die real nicht vergessen haben von wo sie kommen, fuer wen sie stehen und wenn ihnen das eine oder andere was das nationale Parteibuero beschliesst gegen den Strich geht, dann auch klare Stellung und Front beziehen! Mensch bleiben und nicht wie ein Jumbo-Jet abheben, ist hier die Device! Ja ich weiss, dass Antwerpen mit der Wahl von B.D.W. zum Buergermeister nicht soviel Glueck hatte und haben wird! Aber mit der Wahl der NVA. zur staerksten Flaemischen politischen Kraft, hat ganz Belgien Schaden genommen. Deren Politik und politischen Zielsetzungen bedeuten nichts anderes als “egoistischen rechten Nationalismus” und die Aufteilung dieses schoenen und mit viel Historie gesegneten Landes! Den Preis fuer diese NVA/VB Zielsetzung zahlen wir alle in Belgien, auch heute schon!
Genau! Besser kann man es nicht ausdrücken.
Ich nehme an dass Sie in Gent leben. Ich lebe in Antwerpen, und wir haben weniger Glück mit unserem N-VA-Bürgermeister, der extrem menschenscheu ist und alles daran setzt, Menschen gegen einander aufzubringen…
Aber ich habe den Glauben an Belgien nicht verloren.
Liebe Grüße
die Verfasserin der Buchbesprechung
Nun ja, Belgien ist in der Tat schon etwas anders zumal man um die 20 km eine etwas andere Mentalitaet und Eigenheiten vorfindet. Belgien ist ein sehr schoenes Land und der / die Belgier selbst haben eine sehr freundliche Mentalitaet, wenn da nicht die politisch gewollten und mit aller Macht aufrechterhaltenen regionalen Unterschiedlichkeiten bestehen wuerden.
Es sind nicht die einfachen und gewoehnlichen Einwohner des Koenigreichs Belgien die da irgendwelche wie auch immer gelagerte Probleme mit einander haben, die haben sie nicht, es sind die alten nicht mehr in dieser Gegenwart lebenden Politiker , die da sowohl in der Wallonie, als auch in Vlaanderen kuenstlich und bewusst nationalistisches Gedankengut versuchen zu installieren und somit Probleme im Zusammenleben der drei Sprachgemeinschaften produzieren!
Belgien ist ein schoenes Land, die Menschen sind ( was mir nicht in die Wiege gelegt ist) echte Spachgienis und aufgeschlossen freundlich. Wenn da nicht in Vlaanderen die nationalistische NV-A waere ( in Deutschland AFD) und die noch rechtere V.B. (Vlaams Belang -in Deutschland NPD) die dieses Land und deren Einwohner durch eigentlich laengst ueberwunden geglaubtes rechtes und ultra-rechtes Gedenkengut fortwaehrend versuchen wuerden gegeneinder auszuspielen! Es geht auch anders, wie Daniel Termont Tag fuer Tag erneut beweist. Erreichbar fuer jeden Buerger der Stadt Gent, bei Tag und Nacht und so gut er kann wird Buergermeister Termont versuchen zu Helfen, dass ist die andere Seite der Belgischen Mentalitaet. Belgier sind, wenn man mal die unverbesserlichen Nationalisten ausser acht laest,
Nett-Hilfsbereit und aufgeschlossen und das in allen Landesteilen. Die Probleme welche auch in Belgien bestehen, sind politisch bewusst und gezielt erzeugte Probleme, die mit dem Land und deren dreisprachigen Bevoelkerung so ueberhaupt nichts zu tun haben.
Belgien ist ein schoenes Land, ein Land mit reichlich Historie und mit netten & freundlichen Menschen !