Von Margaretha Mazura
Vor 500 Jahren starb Hieronymus Bosch. Nicht nur für Museen ein Grund, die Zeitspanne seines Lebens zwischen Mittelalter und Neuzeit ein wenig näher zu betrachten.
Ein ruhiges Leben in Brabant
Jheronimus van Aken wurde um 1450 in ‘s-Hertogenbosch, einem florierendes Städtchen im niederländischen Brabant geboren. Sein Großvater stammte aus Aachen – daher der Name – und war ebenfalls Maler. Jheronimus erlernte das “Handwerk” vermutlich von seinem Vater, der auch künstlerischer Berater der Bruderschaft unseren Lieben Frau, einer strengen, religiösen Konfraternität zur Verehrung der Gottesmutter Maria war. Man weiß nicht viel über sein Leben. 1463 zerstörte ein großes Feuer viele Häuser der Stadt, was der damals etwa 13-Jährige mitangesehen haben musste. Mit etwa 30 Jahren heiratete er Aleyt Goyaerts van den Meerveen, eine reiche Frau, etwas älter als er. Die Ehe blieb kinderlos. 1488 wurde Bosch ebenfalls Mitglied der Bruderschaft. Er war zu Lebzeiten ein anerkannter Maler, der sich auch gut vermarktete: er änderte seinen Namen auf Hieronymus Bosch, nach seinem Wohnort (auf Niederländisch auch Den Bosch genannt) und übernahm Kommissionsarbeiten von Adel und Kirche. Sein wohl berühmtestes Werk, das Triptychon “Garten der irdischen Lüste” hing angeblich im Brüsseler Palast des Grafen von Nassau-Breda, oberhalb seines Bettes. 1516 verstarb Hieronymus Bosch. In den Aufzeichnungen der “Bruderschaft” wird mitgeteilt, dass am 9. August 1516 die Seelenmesse in der Kirche des Heiligen Johannes gelesen wurde.
Nach Boschs Tode kaufte Philipp II. von Spanien, dann Herrscher über die “Spanisch-Habsburgischen Niederlande”, in die Hertogenbosch fiel, viele von Boschs Werke auf, die noch heute in Madrids Prado hängen.
Rätsel zwischen Himmel und Hölle
Auch nach 500 Jahren gibt das Werk Hieronymus Bosch Experten und Betrachtern ungelöste Rätsel auf. Es ist zweifellos vom religiösen Umfeld geprägt, wie das Leben jedes durchschnittlichen Bürgers im 15. Jahrhundert. Was erstaunt, verwundert, entsetzt, begeistert, ist die Ausdrucksform, die grausame Detailfreudigkeit, die Bosch verwendet, um Metaphern aus Flora und Fauna, Traum und Wirklichkeit, Himmel und Hölle, in pastosen Pinselstrichen auf Holz oder Leinwand zu bannen. Anthropomorphe Geräte, Gestalten, nicht Fisch, nicht Fleisch, Seifenblasen wie Raumfahrthelme oder Goldfischgläser, in deren Inneren sich Menschen im Liebesspiel oder Folterbänken tummeln. Aus moderner Sicht drängt sich das Wort Surrealismus auf – tatsächlich wird Salvatore Dali oft mit ihm verglichen. Aber bei Bosch steckt mehr dahinter – die gesamte Turbulenz einer Zeit im Aufbruch.
Als Hieronymus Bosch Mitte des 15. Jahrhunderts geboren wird, treffen Ereignisse aufeinander, die bald zum Übergang des Mittelalters zur Neuzeit führen sollten. Erstens die Erfindung des modernen Buchdrucks. Dies war eine Informationsrevolution, die von Kirche und obigen Instanzen als Gefahr ihrer monopolistischen Macht und Meinungsbildung angesehen wurde (zu Recht). Man kann sich Kanzel predigten gegen dieses “Teufelszeugs, das Lügen verbreitet” vorstellen. Aber ebenso, dass Bosch italienischer Literatur gegenüberstand, wie z.B. Boccaccios Decamerone-Novellen, deren “neuer Geist mit seinen aus Daseinsfreude und eigener Entscheidung handelnden Personen das Mittelalter überwindet”(Wikipedia). Die Parallelen zwischen Boschs Darstellungen des Klerus, der immer schlecht wegkommt, und der Mönche in Boccaccios Werk sind auffällig.
Ein anderes Phänomen der Zeit ist das Interesse für die Wissenschaft. Bosch ist ein Zeitgenosse Leonardos. Während da Vinci die italienische Renaissance einleitet und neben Frauenporträts Flugmaschinen bastelt, lässt Bosch Mäuse durch Glasröhren laufen und kreiert metallene Trichter und “Raumfahrzeuge”, in denen Menschen gefangen oder gequält werden. Ebenfalls gleichzeitig wird Konstantinopel erobert und das tausendjährige byzantinische Reich zerfällt. Wissenschaftler und Gelehrte flüchten nach Westen und bringen antike Philosophie und Denkströmungen mit sich, was letztendlich zur Renaissance und zum Humanismus führt. 42 Jahre nach Boschs Geburt entdeckt schließlich Kolumbus Amerika und ebnet damit indirekt den Weg für die Lehre Kopernikus, mit ihrem “blasphemischen” Heliozentrismus.
Bosch vermischt biblische und folkloristische Szenen, und verbrämt sie mit fantastischen Auswüchsen, die aus Albträumen zu kommen scheinen. Oder doch nur in minutiösen Miniaturen den Zeitgeist spiegeln. Ob die promiskuitiven Darstellungen die Freuden der mittelalterlichen Badehäuser nachempfinden, oder vor der Sünde von Ausschweifungen warnen sollen, werden wir nie erfahren. Bosch machte keine Notizen zu seinem Werk.
Die Ausstellung
Charles De Mooij ist ein wohl noch größerer Visionär als Bosch, dem die Ausstellung “Jheronimus Bosch – Visions of genius” gewidmet ist. Vor mehr als 10 Jahren, begann er mit der Idee, Boschs Meisterwerke anlässlich des 500. Todestage nach ‘s-Hertogenbosch “heimkehren” zu lassen. Ohne, dass “He Noordbrabants Museum” auch nur ein einziges Bosch-Werk sein eigen nannte. Und es gelang ihm nicht nur eine einzigartige Ausstellung. Er initiierte auch das “Bosch research and conservation project”, das in Vorbereitung der Ausstellung und unterstützt durch den Gieskes-Strijbis Fonds und die Getty Foundation, unter Zusammenarbeit der Radboud Universität Nijmegen, der Hieronymus Bosch 500 Foundation und des Het Noordbrabants Museum, forschte, restaurierte und Bosch zugeordnete Werke bestimmte und verifizierte. 20 der 25 sicher Bosch zugeordneten Werke sind in der Ausstellung zu sehen, dazu ca. 50 Zeichnungen.
Praktische Hinweise
Die Ausstellung ist, bis auf ein paar mitternächtliche Zeitspannen, ausverkauft. Ja, es stimmt: Das Museum hat, aufgrund des Andrangs, bis zum Ende der Ausstellung am 8. Mai täglich bis 1 Uhr Früh geöffnet. Das letzte Wochenende ist rund um die Uhr offen – aber auch bald ausverkauft. Voranmeldung ist unbedingt erforderlich.
Allgemeine Information:
EIntrittskarten: zu EUR 22
Wer es nicht schafft, kann sich Details und neue Erkenntnisse online auf der sehr gut gemachten Webseite anschauen:
Oder ab Ende Mai nach Madrid fahren, wo bis September die Ausstellung im Prado gezeigt wird.
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