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„Von Argenteuil nach Eupen“

Wieso wurde früher am belgischen Königshof Deutsch gesprochen? Wieso gehörten deutsche Bücher zur königlichen Privatbibliothek? Welche königliche Residenz ist überhaupt gemeint – Laeken oder … Argenteuil? Was hat die Deutschsprachige Gemeinschaft in Ostbelgien damit zu tun? Überhaupt, werfen wir hier nicht Fragen auf, die eher die Regenbogenpresse interessieren? Wäre da nicht das Staatsarchiv zu Eupen, das sich des Themas angenommen hat.

Am 17. Oktober eröffnete der Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft im Beisein von Prinzessin Léa, einer Schwiegertochter von Leopold III., eine kleine Ausstellung mit Büchern aus dem früheren Besitz der Königsfamilie.

Els Herrebout, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Staatsarchivs, kuratiert die Ausstellung. „Die Bücher haben keinen besonderen bibliophilen Wert“, sagt sie. „Es sind keine Raritäten im ledernen Einband, sondern Bücher, wie man sie sich unter Freunden oder Verwandten schenkt, wenn man auf die Interessen der Beschenkten eingehen will.“ Hier liegt der Knackpunkt: Die Buchsammlung sagt sehr viel über die persönlichen Interessen der Mitglieder des Königshofs aus. Der spätere König Baudouin schenkte seinem Vater Leopold III. beispielsweise Weihnachten 1948 einen Bildband in deutscher Sprache über die Inseln Java, Sumatra und Bali und traf damit den Forschernerv des Vaters.

Argenteuil

Nach Eupen kamen die Bücher, als das Schloss Argenteuil, gelegen bei Waterloo in Wallonisch-Brabant, seine Funktion als Königsresidenz verlor. Argenteuil war 1961 als zweite Königsresidenz hergerichtet worden, dies neben der Brüsseler Schlossresidenz Laeken. Denn der ehemalige König Leopold III. hatte mit seiner zweiten Ehefrau Lilian Baels, Prinzessin von Rhéty, Laeken verlassen müssen, und zwar unter Druck der belgischen Regierung. Ob Königin Fabiola, die in Laeken eingezogen war, der Anlass war oder der immer noch latente politische Einfluss von Leopold auf den bereits seit mehr als zehn Jahren regierenden Baudouin, ist kaum noch ganz zu klären.

Nach dem Tod von Lilian wurde die belgische Gebäuderegie mit dem Verkauf des Anwesens beauftragt.  Der Unternehmenschef Jean-Marie Delwart erwarb die Liegenschaft 2004. Die königliche Privatbibliothek wurde aufgelöst und etwa 500 deutschsprachige Bücher wurden nach Eupen transferiert.

Familienbande

Schaut man sich die Familienbande des belgischen Königshauses an, verwundert es nicht, das dort Deutsch gesprochen und gelesen wurde. Das Königshaus entstammt dem Adelsgeschlecht von Sachsen-Coburg-Gotha und hatte durch Heirat beste Beziehungen zu deutschen Fürstenhäusern. So hieß die Mutter von König Albert I. Maria von Hohenzollern-Sigmaringen. Alberts Ehefrau, Elisabeth von Bayern, hatte direkte familiäre Bindungen zu den Wittelsbachern und war ein Patenkind der legendären österreichischen Königin Sissy.


Die rote Elisabeth

„Wenn im Staatsarchiv von Eupen zahlreiche Bücher aus der Bibliothek von Argenteuil zu finden sind, hat dies sehr viel mit Elisabeth zu tun“, so Els Herrebout. Elisabeth war eine Schlüsselfigur der Dynastie. Sie war musisch hoch begabt und eine ausgezeichnete Violinistin. Aus der freundschaftlichen Beziehung mit ihrem musikalischen Berater, dem aus Lüttich stammenden Komponisten und Geiger Eugène Ysaÿe, entstand 1937 der „Concours Ysaye“, ein Förderwettbewerb für junge Musiker, der ab 1951 als Königin-Elisabeth-Wettbewerb weltbekannt wurde.

Die Eupener Ausstellung lenkt die Aufmerksamkeit jedoch auf eine andere Facette dieser Frau: eine weltoffene Pazifistin und Humanistin, die keinerlei Berührungsängste mit den Ländern des früheren Ostblock hatte und dort an Kongressen und Wettbewerben teilnahm. So erwarb Elisabeth den Beinamen „die rote Königin“.Die KönigsfrageEls Herrebout nimmt die Ausstellung auch zum Anlass, um eines der schwierigsten Kapitel der belgischen Geschichte überhaupt, die Königsfrage, aufzugreifen. Leopold III. war nach dem 2. Weltkrieg zum Katalysator des flämisch-wallonischen Konflikts geworden, nachdem er 1940 nicht mit der Regierung ins Exil gegangen war und ihm mangelnde Distanz zum Hitler-Regime nachgesagt wurde. Es kam zu heftigen politischen Auseinandersetzungen zwischen den Flamen, die den König mehrheitlich stützten, und den Wallonen, die ihn größtenteils ablehnten. Bei gewalttätigen Randalen gab es Tote und Verletzte. 1950 musste Leopold III. endgültig abdanken. Mit authentischem Filmmaterial  dokumentiert die Ausstellung die Problematik. SchautafelnEin Tondokument wurde vom WDR-Radio zur Verfügung gestellt. Darin erzählt Hans Conrad Zander über die spirituelle Beziehung von Königin Elisabeth mit Dominique Pire, dem letzten belgischen Friedensnobelpreisträger. Erläuternde Texte auf ansprechenden Schautafeln vertiefen die jeweiligen Sachverhalte. Dem Staatsarchiv zu Eupen ist es damit gelungen, aus einer eher unbedeutenden Randerscheinung am belgischen Königshaus eine historisch interessante und didaktisch wertvolle Ausstellung zu entwickeln.

Die Ausstellung „Von Argenteuil nach Eupen – Gesichter der belgischen Monarchie im Spiegel ihrer Privatbibliothek“ ist noch bis zum 18. Dezember einschließlich zu sehen im Ministerium der DG, Gospert 1, Eupen. Öffnungszeiten montags bis freitags von 8.30 bis 17.00 Uhr.

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