Ein Jahr vor der belgischen Föderalwahl (Bundestagswahl) im Mai 2014 haben die Regierungsparteien unter Leitung von Premier Elio Di Rupo von der Parti Socialiste einen Haushalt vorgelegt, der die Erwartungen der EU erfüllen und die Wähler schonen soll. Aber ob diese Rechnung am Ende aufgeht, steht noch nicht fest.
Not macht erfinderisch. In ihrer Verzweiflung haben sich Sozialisten, Konservative und Liberale auf eine neue und originelle Steuer verständigt: eine Mindeststeuer auf die Gewinne von Kapitalgesellschaften.
Das ist zunächst eine gute Nachricht, denn die Kapitalbesitzer zahlen schon lange zu wenig Steuern im Vergleich zum normalen Bürger. Natürlich ist die Mindeststeuer auf Kapitalerträge eine Idee der Sozialisten, aber es ist kein Zufall, dass sich damit inzwischen auch Konservative und Liberale anfreunden können.
Das Gleichgewicht der Besteuerung ist aus den Fugen geraten. Die Mindeststeuer kann einen Beitrag dazu leisten, die Finanzierung des Staates wieder gleichmäßiger auf alle Schultern zu verteilen. Für Belgien ist die Mindeststeuer allerdings ein Einschnitt und ein Risiko. Der Fiskus des Königreichs setzt bislang darauf, dass europaweit operierende Firmen ihre Geschäfte von Belgien aus steuern. Auf ihren Gewinn müssen sie in Belgien nur wenig Steuern zahlen. Aber weil sie nicht nur Steuern auf das zahlen, was sie in Belgien verdienen, sondern auch auf den Gewinn in anderen Ländern der EU, kam der belgische Fiskus bislang nicht zu kurz. Hinzu kommt, dass in den Schaltzentralen der Konzerne in Brüssel oder Antwerpen Menschen arbeiten, die ebenfalls Steuern zahlen.
In den letzten Jahren haben die Konzerne allerdings immer raffiniertere Methoden ersonnen, um auch dem belgischen Fiskus ein Schnippchen zu schlagen. Obwohl sie nicht weniger verdienen, weisen sie in Belgien weniger Gewinne aus – und zahlen dadurch weniger, manchmal gar keine Steuern mehr. Dafür zahlen sie ihren Aktionären umso höhere Dividenden.
Diesen Trend möchte die Regierung mit der Mindeststeuer brechen. Wer Dividenden zahlt, soll auf den zugrunde liegenden Gewinn eine, wenn auch bescheidene Steuer zahlen. Vorerst, wie mit allen Steuern dürfte auch das nur der Anfang sein – wenn das Beispiel Schule macht. Das ist durchaus möglich, denn die Belgier sind nicht die Einzigen, die unter der „Steueroptimierung“ der Konzerne leiden.
Darin liegt allerdings auch das Risiko. Mit der Mindeststeuer ist Belgien nicht mehr so attraktiv für Konzernzentralen. Manche könnten überlegen, ob sie ihr Hauptquartier nicht lieber in Irland oder den benachbarten Niederlanden aufschlagen. Mittelfristig könnte die Mindeststeuer also zu weniger statt mehr Einnahmen führen. Kurzfristig kann die Regierung damit einen Teil ihrer Haushaltslöcher stopfen und braucht ihre Wähler nur mäßig zu belasten: die Preise für Schnaps und Tabak werden weiter steigen, Leistungen für die Familien werden gekürzt. Es hätte schlimmer kommen können. Vor allem ist es Di Rupo und seinen Ministern gelungen, die unpopuläre Erhöhung der Benzin- und Dieselpreise abzuwenden. Das wäre Gift gewesen für die Konjunktur.
Der belgische Haushalt entspricht damit dem Kurswechsel, den die EU in den letzten Wochen vollzogen hat: sparen sollen die Mitgliedsstaaten vor allem so, dass das Wachstum nicht beeinträchtigt wird. Auf die neue Bankensteuer trifft das wahrscheinlich nicht zu. Die Geldhäuser zahlen bereits wesentlich höhere Steuern als vor der Krise. Sie müssen außerdem mehr Geld aufbringen, um höhere Erwartungen der Aufsichtsbehörden zu erfüllen. Auch die Besteuerung bestimmter Finanzprodukte, die die Regierung einführen will, belastet die Branche.
Voraussichtlich werden nicht alle Banken diesen Aderlass überleben. Dann zahlen sie natürlich keine Steuern mehr, aber sie stellen auch kein Risiko mehr dar. Die Bankensteuer ist zwar kein kurzfristiger Beitrag zum Wachstum, aber sie trägt der Erkenntnis Rechnung, dass nur ein kleinerer Finanzsektor sicherer ist.
Tom Weingärtner
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