Auf der Kathedrale St Michel & Gudule in Brüssel nisten Wanderfalken. Dies ist aus zweierlei Gründen eine Sensation: 1. die Wanderfalken galten in Belgien und vielerorts in Europa seit den 70iger Jahren als ausgestorben. 2. dass dieser auf Felsen lebende Vogel sich bei seiner Rückkehr ausgerechnet für die City entscheidet, ist dann doch recht erstaunlich.
Wanderfalken bevorzugen sehr hohe Standorte und waren vor ihrem Verschwinden in Belgien zum Beispiel an den Felsen des Flusses Meuse anzutreffen. Sie ernähren sich von anderen Vögeln, die im Flug geschlagen werden. Die Population in Europa wurde stark dezimiert und verschwand in Belgien während der 70iger und 80iger Jahre ganz. Der Hauptgrund war hierfür die Vergiftung durch Pestizide, besonders DDT, die sich in der Nahrungskette anreichern. Die Wanderfalken starben an Vergiftung und die wenigen, die überlebten, fielen dann häufig der Jagd zum Opfer.
Eine Falkendame aus Herdecke
Anfang der 70iger Jahre wurde die Anwendung von DDT verboten. Zur selben Zeit trat ein EU-Gesetz in Kraft, das die Jagd auf Vögel verbietet. Diesen beiden Maßnahmen ist es zu verdanken, dass sich 1994 wieder ein erster Wanderfalke in Belgien blicken ließ. 1999 richtete sich dann eine Falkendame aus Herdecke auf einem Turm der Brüsseler Kathedrale häuslich ein.
Didier Vangeluwe, Ornithologe des Königlichen Belgischen Instituts für Naturwissenschaften und beauftragt mit der Überwachung der Vogelpopulationen in Belgien, ist hochbeglückt und gleichzeitig erstaunt. Man hatte angenommen, dass das Verschwinden der Wanderfalken auch mit ihrer enger ökologischen Nische zusammenhängt. Das Kathedralenpaar lehrt uns jedoch, dass dem nicht so ist. Man kann sich auch ausgezeichnet von Vögeln, die über Brüssel fliegen, ernähren.
2004 legte das Paar die ersten Eier. Wieder ein erfreuliches Ereignis: Ein Falkenpaar ist monogam und bleibt seinem Standort treu, was jedoch keine Garantie für Reproduktion ist.
Als Didier Vangeluwe die ersten Flugversuche der Jungen miterlebt, die auf den Figuren der Kathedrale sitzend zum ersten Mal die Schwingen testen, um dann den gefährlichen ersten Flug aus der Höhe zu wagen, steht sein Entschluss fest: die Bürger sollen miterleben dürfen, welches faszinierende Schauspiel eines ehemals ausgestorbenen Vogels über ihren Köpfen mitten in der Hauptstadt stattfindet. Seit 2005 organisiert er daher einen Beobachtungsposten vor der Kathedrale mit einer Liveübertragung vom Nistplatz, sowie ein Ornithologenteam, das vor Ort den Passanten Auskunft gibt.
Wieder 90 Paare in Belgien
Die Wanderfalken werden vom Institut als Beispiel für wieder zurückkehrende Tiere studiert. Man beobachtet die Dynamik der Population, wie die Reintegration abläuft und auch wie sich deren Verhalten an die neue Standorte anpasst. Es wurde beobachtet, dass Wanderfalken gerne künstliche Nistplätze an hohen Standorten annehmen. Der Wanderfalke hat sich in Belgien nicht nur wieder eingefunden, sondern stellt inzwischen mit 90 Paaren eine starke Population.
Die Falken auf der Kathedrale werden rund um die Uhr beobachtet und geben uns noch mehr Auskunft. So werden z.B. die Reste der Beute genau untersucht. Wir wissen daher, welche Vogelarten von den Falken verspeist werden, und also auch welche Vögel Brüssel überfliegen. Hier gab es einige Überraschungen, denn die Anwesenheit mancher Vogelarten in Brüssel war nicht bekannt.
Dieses Jahr hat das Kathedralenpaar vier Jungen. Wer später ihre Flugversuche ab Mai/Anfang Juni nicht verpassen möchte, sollte sich unbedingt zur Kathedrale begeben oder die Liveübertragung auf www.falconsforeveryone.be mitverfolgen.
Dr. Kristina Articus-Lepage
Dr. Kristina Articus-Lepage ist Public Awareness Officer mit der Verantwortung für Science communication im Königlich Belgischen Institut für Naturwissenschaften. Fotos: © 2011 Institut royal des Sciences naturelles de Belgique
Kontakt und Blog auf www.falconsforeveryone.be
Website des Museums: www.naturalsciences.be
Der Beitrag wurde zum erstenmal am 15. Mai 2011 veröffentlicht und jetzt aktualisiert.
hab heute morgen einen Wanderfalken im Wald hinter meinem Haus sehen könne, etwa 10 minuten beobachtet.
24.12.2017